2018_05
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Kurier Nr. 5 2.2.<strong>2018</strong> Dorfspiegel Dietlikon<br />
5<br />
Angeregte Diskussion: (v.l.) Rolf Hartmann, Präsident «Wohnen im Alter» Reto Häfliger, Gemeindeleiter der Katholischen Kirche Sankt Michael in<br />
Dietlikon; Simon Märki, Aufsuchende Jugendarbeit «AJUGA» der Plattform Glattal; Dave Dünneisen, Religionspädagoge der Refomierten Kirchgemeinde;<br />
Annemarie Stehlé, Präsidentin vom Frauenverein Dietlikon. (Foto yz)<br />
Neunte Zukunftswerkstatt der glp<br />
Solidarität im Dorf ist wichtig<br />
Die Alterung der Gesellschaft verschiebt die Gewichte zwischen Jung<br />
und Alt massiv. Braucht Dietlikon einen Generationenvertrag? Diese und<br />
weitere Fragen in generationenübergreifendem Zusammenhang wurden<br />
am vorletzten Donnerstag im Gemeindesaal erörtert.<br />
Yvonne Zwygart<br />
Die glp hat etwas Neues angedacht<br />
und umgesetzt: Unter dem Titel<br />
«Neunte Zukunftswerkstatt der<br />
glp» lud Vertreter verschiedener<br />
Parteien und Vereine zum Austausch<br />
ein. Eingeladen waren ein<br />
Vertreter der AJUGA (Aufsuchende<br />
Jugendarbeit), Simon Märki,<br />
weiters die amtierende Präsidentin<br />
des Frauenvereins Dietlikon, Annemarie<br />
Stehlé, Rolf Hartmann als<br />
Präsident vom «Wohnen im Alter»,<br />
Reto Häfliger, der für die Altersarbeit<br />
der ortsansässigen katholischen<br />
Kirchgemeinde verantwortlich<br />
ist sowie Dave Dünneisen, der<br />
die Jugendarbeit der reformierten<br />
Kirchgemeinde leitet. Somit waren<br />
im Führungsgremium schon verschiedene<br />
Altersstufen vertreten.<br />
Die Moderation hatten Anita Sigg<br />
sowie Rolf Gall von der glp.<br />
Leider war die Veranstaltung nicht<br />
ganz so gut besucht, wie man es<br />
sich gewünscht hatte. Dabei ist<br />
das Generationenübegreifende ein<br />
Thema, welches jeden in unserem<br />
Dorf angeht.<br />
Einleitend stellte Gall die Frage,<br />
was ein sogenannter Generationenvertrag<br />
überhaupt ist und wozu er<br />
verpflichtet. Er stellte fest: «Ein<br />
Generationenvertrag ist nichts Niedergeschriebenes.<br />
Es ist viel eher<br />
ein Commitment, welches jeder an<br />
die Gesellschaft leistet». Somit<br />
war klar, dass damit nicht in erster<br />
Linie der Generationenvertrag die<br />
AHV betreffend gemeint war. Wobei<br />
nicht von der Hand zu weisen<br />
ist, dass immer mehr ältere Leute<br />
von der erwerbstätig arbeitenden<br />
Bevölkerung versorgt werden<br />
müssen.<br />
Gall fragte jeden der geladenen<br />
Diskussionsteilnehmer nach seinem<br />
Alter und damit nach dem<br />
Stand in der Gesellschaft. Die beiden<br />
jüngsten Teilnehmer, Märki<br />
und Dünneisen, haben beide gerade<br />
ihr Studium beendet und sind an<br />
ihrer ersten Stelle am Arbeiten. Somit<br />
sind sie angehende Vertreter<br />
von «Level 2», welcher die mittlere<br />
Generation umfasst. «Level 1»<br />
meinte gemäss Definition des<br />
Abends unsere Kinder und Jugendlichen<br />
und «Level 3» die Senioren.<br />
Stehlé, Hartmann und Häfliger vertraten<br />
die Generation 3, sind teilweise<br />
pensioniert oder stehen kurz<br />
davor. Gall versuchte herauszufinden,<br />
wie sich alle in<br />
ihren Rollen fühlen.<br />
Märki, der oftmals Jugendliche<br />
in schwierigen<br />
Verhältnissen zu<br />
betreuen hat, tat kund,<br />
dass seine Aufgaben<br />
oft anstrengend seien<br />
und er daher am Wochenende<br />
den Ausgleich in der Natur<br />
suche. Dünneisen hat als rpg-<br />
Verantwortlicher die Nachfolge<br />
von Peter Vollenweider in der reformierten<br />
Kirchgemeinde angenommen<br />
und hat in seinem ersten<br />
Jahr dort nun sehr viel zu tun.<br />
Freiwilligenarbeit: unerlässlich?<br />
Damit sich in der Gesellschaft alle<br />
wohlfühlen und ihren Beitrag leisten<br />
können, stellte Gall die entscheidende<br />
Frage, ob Freiwilligenarbeit<br />
als generationenübergreifender<br />
Kitt etwas bringen würde? Auf<br />
diese Frage meinte Stehlé, dass die<br />
Vorstandsarbeit für den Frauenverein<br />
bei jungen Frauen nicht mehr<br />
ziehe. Häfliger fand: «Die grösste<br />
Gruppe, die Freiwilligenarbeit leisten<br />
kann, sind in unserer Gesellschaft<br />
die noch fitten 65 – 80-Jährigen.<br />
Die mittlere Generation ist<br />
zumeist mit Erwerbsarbeit beschäftigt<br />
und hat darüber hinaus keine<br />
weiteren Kapazitäten, um sich nebenberuflich<br />
irgendwo einzubringen».<br />
Und ein «mittelalterlicher»<br />
Diskussionsteilnehmer ergänzte:<br />
«Wer allen Verpflichtungen des<br />
Alltags nachkommen will, gerät an<br />
seine Grenzen. Die Doppelbelastung<br />
zwischen Beruf und Familie<br />
lässt keinen Spielraum mehr».<br />
Damit fallen die eigentlichen Leistungsträger<br />
unserer Gesellschaft in<br />
der Mitgestaltung des Gemeinwesens<br />
faktisch aus, wie zum Beispiel<br />
die Alterszusammensetzung an einer<br />
Gemeindeversammlung zeigt.<br />
Die Jungen sind, so Häfliger, vielfach<br />
mit sich selbst beschäftigt.<br />
Der Egoismus in<br />
allen Altersgruppen hat<br />
stark zugenommen.<br />
Die Solidarität soll wachsen<br />
Im Gespräch mit dem Diskussionsteam<br />
und allen Anwesenden<br />
kristallisierte sich vor allem ein<br />
grosser Punkt heraus: Die Solidarität<br />
untereinander soll wieder wachsen<br />
und Raum erhalten. Ein Besucher<br />
erzählte, 1972 habe man sich<br />
untereinander und die Verhältnisse<br />
seiner Mitmenschen noch so gut<br />
gekannt, dass er sogar ein Kässeli<br />
daheim hatte, in dem er Geld für<br />
jene aufbewahrte und diesen «Notgroschen»<br />
den Bedürftigen dann<br />
zukommen liess. Heute wäre es so,<br />
dass zuerst einmal man selbst<br />
wichtig sei und dann vielleicht die<br />
Mitmenschen.<br />
Der Egoismus in allen Altersstufen<br />
habe extrem zugenommen, sicher<br />
auch mediengesteuert, sodass die<br />
Zeit füreinander und das einander<br />
Wohltun zu kurz komme. Es sei<br />
aber wichtig, dass in einer gesunden<br />
Gesellschaft jeder zum andern<br />
schaue. Jeder sei einmal bedürftig<br />
und müsse Hilfe von anderen in<br />
Anspruch nehmen und das auch<br />
dürfen. Heute übernimmt diese<br />
«Nachbarschaftsfürsorge» von früher<br />
die KESB (Kinder und Erwachsenenschutzbehörde)<br />
oder die<br />
Sozialbehörden, welche den so<br />
wichtigen zwischenmenschlichen<br />
Kontakt allerdings weitgehend<br />
vermissen lassen.<br />
Kontakt zwischen den Generationen<br />
Ein Lösungsansatz dieser Problematik<br />
könnte sein, dass man Projekte<br />
anbietet, in denen ein ungezwungener<br />
Austausch zwischen<br />
Jung und Alt stattfinden kann. Märki<br />
konnte hier das bereits in die Tat<br />
umgesetzte «Generationenprojekt»<br />
der AJUGA anführen. Er geht mit<br />
einer Gruppe von Jugendlichen regelmässig<br />
ins Alterszentrum Hofwiesen<br />
und bäckt dort beispielsweise<br />
gemeinsam mit Jung und Alt<br />
Guetsli. Die Älteren profitieren von<br />
der Frische der Jugend und die Jungen<br />
wiederum sehen, was in der<br />
zweiten Lebenshälfte aus den Menschen<br />
werden kann.<br />
Die ältere Generation kann so die<br />
Jungen wiederum an dem teilhaben<br />
lassen, was sie aus dem Leben mitgenommen<br />
hat. Ein anderer Lösungsansatz<br />
könnte sein, dass man<br />
das geplante Gebäude Wohnen im<br />
Alter «Nägelihof» in der Nähe einer<br />
Kindertagesstätte bauen würde<br />
oder damit kombiniert. Oder dass<br />
interessierte Senioren, wie es ja bereits<br />
schon praktiziert wird, den<br />
Schulunterricht besuchen und diesen<br />
bereichern mit ihrer geschätzten<br />
Hilfestellung.<br />
Solidarität in die Gesellschaft tragen<br />
In einem waren sich alle Diskussionsteilnehmer<br />
einig: Fürsorge lässt<br />
sich vielleicht delegieren, Solidarität<br />
nicht. Wenn man mehr Solidarität<br />
und weniger Ichbezogenheit<br />
möchte, muss man dies selber vorleben.<br />
Dazu braucht es eine offene,<br />
politische Gemeinschaft und starke<br />
Organisationen und Vereine. So<br />
wird die Wahrscheinlichkeit am<br />
grössten, dass auch der Andere<br />
wieder eher an viele und nicht an<br />
wenige denkt, und nicht eine Bevölkerungsgruppe<br />
zu Lasten einer<br />
anderen übervorteilt wird.