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12 POLITIK<br />
FOTOS: STADT MÜNCHEN<br />
FOTO: PRIVAT<br />
DER FRÜHLING KOMMT,<br />
CSU und SPD plötzlich arg lieb –<br />
da scheint die Welt in Ordnung.<br />
In seiner kommunalpolitischen<br />
Kolumne schreibt AZ-Lokalchef<br />
Felix Müller diesen Monat über<br />
städtische Hilfe für arme Senioren,<br />
hilflose Berliner Versuche, den Mietern<br />
zu helfen – und die Stau-Hauptstadt<br />
München.<br />
Ungewohnte Einigkeit: An der Stadt-Spitze<br />
haben sich CSU und SPD plötzlich arg lieb.<br />
So lieb, dass die Kollegen von der „SZ“<br />
kürzlich gähnten, es gäbe ja überhaupt<br />
keine Reibefläche mehr. Mit spannenden<br />
Debatten ist derzeit also nicht zu rechnen.<br />
Aber sowas hat auch Vorteile. Denn plötzlich<br />
stellen die beiden Rathaus-Partner<br />
gemeinsame Projekte vor.<br />
Zum Beispiel für die Alten dieser Stadt.<br />
Um die 15 000 von ihnen gelten mittlerweile<br />
als bedürftig. Ihnen will Schwarz-Rot<br />
künftig verstärkt unter die Arme greifen.<br />
Die Stadt plant, eine Art kommunalen<br />
Pflegedienst zu gründen. Er soll ärmeren<br />
Menschen im Haushalt kostenlos zur Hand<br />
gehen: putzen, einkaufen, kochen. Wer<br />
zuhause wohnen bleiben möchte, aber<br />
solche Hilfen braucht, den will die Stadt<br />
unterstützen.<br />
Ein vergleichbares Angebot gibt es in<br />
München bisher nicht. Wer Pflegestufe 1<br />
bekommt, erhält zwar 125 Euro im Monat<br />
für hauswirtschaftliche Hilfe. Dieses Geld<br />
kann aber ausschließlich für ambulante<br />
Pflegedienste ausgegeben werden.<br />
Diese haben aber oft keine Kapazität für<br />
einfache Hilfestellungen im Haushalt –<br />
oder verlangten dafür absurd hohe Preise.<br />
Die Alten sind eine Gruppe, die sich in<br />
der teuren Stadt immer schwerer tut.<br />
Eine andere, klar: die Mieter. Die Koalitionsgespräche<br />
in Berlin ließen zunächst<br />
nichts Gutes erwarten für München und<br />
sein Hauptsorgen-Thema. Wenigstens<br />
ein bisserl doktertern SPD und CSU an<br />
der Mietpreisbremse herum. So einigten<br />
sie sich darauf, dass die Vermieter den<br />
neuen Bewohnern endlich auch die alte<br />
Miete offenlegen müssen – und, dass<br />
künftig „nur noch“ acht und nicht mehr<br />
elf Prozent von Modernisierungskosten<br />
auf den Mieter umgelegt werden dürfen.<br />
Wohlgemerkt pro Jahr. Der große Wurf<br />
sind diese Ideen sicher nicht. Entscheidender<br />
dürfte werden, ob Mieterhöhungen<br />
generell gedeckelt werden. Und es nicht<br />
mehr möglich ist durch neue Aufzüge,<br />
Fassaden und Co. die Miete mit einem<br />
Schlag mehr als zu verdoppeln. So gelang<br />
es Vermietern in München bisher oft, ihre<br />
Mieter faktisch rauszuschmeißen – denn<br />
wer kann sich so eine Erhöhung schon<br />
leisten?<br />
Die Münchner Mietentwicklung macht<br />
immer noch fassungslos. Weil man sich<br />
fragt, wer all die Wahnsinnspeise noch<br />
bezahlen kann. Aber auch, weil uns fast<br />
jeden Tag Nachrichten erreichen, die nahelegen,<br />
dass die Stadt doch soooo<br />
attraktiv eigentlich auch nicht mehr ist.<br />
Zum Beispiel kürzlich, dass München<br />
deutsche Stau-Hauptstadt ist. Oder gerade<br />
erst, dass es in keiner anderen Stadt nur<br />
noch so wenige Vögel gibt wie nirgends<br />
sonst in Bayern. Den Zuzug wird das<br />
wohl nicht stoppen. Denn schee is es halt<br />
einfach trotzdem.