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MUSIK<br />
FOTO: WARNER MUSIC<br />
INTERVIEW<br />
VANCE JOYS<br />
COMEBACK<br />
Wer die Freude hatte, schon<br />
einmal durch Australien zu<br />
reisen, dem ist bestimmt aufgefallen,<br />
dass es erstaunlich viele junge<br />
Männer gibt, denen Zähne in der<br />
Vorderfront fehlen. Das liegt an der<br />
großen Liebe zum Volkssport Aussie<br />
Rules Football, eine Art Massenschlägerei<br />
um einen Ball, die zwischen<br />
Rugby und American Football<br />
liegt – und ohne Helme oder<br />
ähnliche Kindereien gespielt wird.<br />
Und Vance Joy (der eigentlich James<br />
Keogh heißt) war zu Highschoolzeiten<br />
mittendrin. Allerdings hatte er mehr Glück<br />
als viele seiner Freunde, denn obwohl er<br />
kurzzeitig sogar überlegt hatte, das Ganze<br />
vielleicht professionell zu betreiben, blieb<br />
er von größeren Schäden verschont – und<br />
verschrieb sich stattdessen seiner Gitarre.<br />
Nicht dass das Musikbusiness einem nicht<br />
auch kräftig in die Eier treten kann … aber<br />
auch da hatte Vance Glück.<br />
Seitdem er 14 ist, hat er praktisch immer<br />
die Gitarre zur Hand, spielte Coverversionen<br />
vor Freunden („Crowdpleaser – das<br />
funktioniert immer!“) und gewöhnte sich<br />
so daran, Publikum zu haben und es zu<br />
genießen. Was ihn nicht davon abhielt,<br />
erst einmal zu studieren. Doch mittendrin<br />
schrieb er einen Song, der anders war als<br />
alle zuvor: „Ich hatte mich selbst überrascht:<br />
,Oh, das ist ja ein echtes Lied!‘“ Von<br />
da an wurde ich regelrecht abhängig davon,<br />
Songs zu schreiben, so wie ich vorher<br />
abhängig davon wurde, Gitarre zu spielen.“<br />
Diesen Song namens „Riptide“ packte er<br />
auf Facebook, wo der Bruder eines guten<br />
Freundes, der praktischerweise Manager<br />
war, ihn hörte. „Hast du noch mehr Lieder?“,<br />
fragte dieser und bekam vier weitere<br />
Songs. „Daraufhin meldete er sich wieder<br />
– und 2012 machten wir einen Vertrag.“ So<br />
einfach kann es sein! Doch dass „Riptide“<br />
zu einem kleinen Hit auf der ganzen Welt<br />
wurde und das Debütalbum „Dream Your<br />
Life Away“ in vielen Ländern in die Top Ten<br />
trug, damit hatten weder Vance noch sein<br />
Manager gerechnet.<br />
Als es Zeit wurde, das neue Album „Nation<br />
Of Two“ zu schreiben, befand Vance<br />
sich plötzlich in einer neuen Situation.<br />
„Ich fühlte den Druck – ich war nicht<br />
mehr in meiner kleinen, unschuldigen<br />
Blase. Wenn man die einmal verlassen<br />
hat, kann man nicht wieder rein“, stellt er<br />
fest. „Es ist jetzt jedes Mal eine Erleichterung,<br />
wenn ein neues Lied entstanden<br />
ist. Wenn es wieder aus einem authentischen<br />
Moment kommt.“ Was gar nicht<br />
so einfach ist, denn er hat aufgehört, ein<br />
normales Leben zu leben, in dem Dinge<br />
passieren, die ihn überhaupt inspirieren<br />
können. Das Auf-Tour-Sein, das Interviews-Geben<br />
… „Ich denke manchmal, ich<br />
müsste mir wieder die Hände schmutzig<br />
machen. Ich müsste leiden“, lacht<br />
er. „Das Klischee eben! Aber wenn ich<br />
zurückdenke – habe ich damals gelitten?<br />
Als ich ,Riptide‘ geschrieben habe, war ich<br />
in einer glücklichen, angenehmen Phase.<br />
Es gab kein Drama. Wer also weiß schon,<br />
was das Rezept ist?“ Jedenfalls muss<br />
man für diesen entspannten Folk-Pop<br />
nicht erst eins auf die Nase bekommen,<br />
um ihn zu schreiben. Man muss wohl nur<br />
so ein glücklicher und entspannter Sonnenschein<br />
wie Vance Joy sein. *fis