blick-ins-heft_No_8
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Trennung ist eine Illusion<br />
Das größte Leid auf Erden entsteht dadurch, dass wir uns getrennt fühlen. Dabei<br />
ist es eine Illusion. Wir sind, ob es uns bewusst ist oder nicht, mit allem verbunden.<br />
Wir leben auf demselben Planeten, wir atmen dieselbe Luft, wir trinken dasselbe<br />
Wasser. Und das ist gut so. Das gesamte Leben ist eng miteinander verzahnt und<br />
optimal aufeinander abgestimmt. Sobald ein Lebewesen, ob Pflanze oder Tier,<br />
ausstirbt, gerät das ganze System <strong>ins</strong> Wanken und alles muss sich neu sortieren.<br />
Es ist ein extrem ausgereiftes und labiles Gleichgewicht. Und wir sind mittendrin.<br />
‚Iupala‘ nannten die Indianer dieses Gefühl der tiefen Verbindung zu allem, das<br />
uns umgibt. Dieser Zustand wird durch eine intensive Wahrnehmung erreicht<br />
und fühlt sich an wie ‚in Liebe sein‘.<br />
Text: Anita Maas | Fotos: iStock | Illustration: iStock<br />
Wir fühlen uns ganz offensichtlich von der Umwelt getrennt, sonst könnten<br />
wir nicht einfach unseren Müll <strong>ins</strong> Meer kippen, giftigen Dreck in die Luft pusten<br />
und Insekten ebenso wie ungeliebte ‚Unkräuter‘ vernichten. Wir fühlen<br />
uns sogar innerhalb unserer Spezies voneinander getrennt, sonst würden wir<br />
keine Kriege wegen unserer Religion oder Hautfarbe führen. Wir würden nicht<br />
mit Fäusten und Messern aufeinander zugehen aus Eifersucht oder Ärger.<br />
Wir würden uns nicht gegenseitig klein machen und unterdrücken. Aber die<br />
Trennung ist eine Illusion! Alles, was ich meinem Nachbarn antue, tue ich mir<br />
selbst an. Die Luft, die ich verpeste, atme ich selber wieder ein; das Leid, das<br />
ich den Tieren antue, füge ich mir selber zu. Das Plastik im Meer kommt zu<br />
uns in Mikropartikeln zurück auf den Tisch. Das Ungleichgewicht zwischen<br />
arm und reich macht sich in Völkerwanderungen bemerkbar, die über kurz<br />
oder lang nicht aufzuhalten sind. Der Druck auf die Menschen am Arbeitsmarkt<br />
geht zu Lasten der Gesundheit. Die Kosten dafür explodieren und landen<br />
wieder bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Trotzdem ist es immer noch<br />
normal, seine Lebenszeit zu verkaufen und mit mehr oder weniger sinnvollen<br />
Arbeiten zu füllen, damit man sich die vielen schönen Konsumgüter kaufen<br />
kann, die durch Ausbeutung anderer Menschen auf diesem Erdball entstehen.<br />
Wir sind nicht getrennt, aber wir fühlen uns so. Mit weitreichenden Folgen.<br />
Wie kann man das wieder umkehren?<br />
Wie erreicht man einen Zustand inniger Verbundenheit mit allem, was lebt?<br />
Iupala ist nur möglich mit einer gewissen Ebene der Wahrnehmung. Für mich<br />
wird Iupala u. a. erfahrbar, wenn ich in den Wald gehe. Im Idealfall herrscht<br />
hier ein intaktes System, das aufs Fe<strong>ins</strong>te miteinander verwoben ist und in das<br />
ich mich nur einzuklinken brauche. Im Boden sind die Wurzeln der Bäume und<br />
Sträucher mit kilometerlangem Pilzmycel verbunden. Ameisen, Käfer und Regenwürmer<br />
zerlegen alles Abgestorbene in Nährstoffe für andere. Moose und<br />
Farne halten die Feuchtigkeit. Vögel, Mäuse, Eichhörnchen, Wildschweine und<br />
Rehe leben in Eintracht miteinander.<br />
maaS | 13