E_1930_Zeitung_Nr.070
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20 REVUE AUTOMOBILE - AUTOMOBIL-REVUE <strong>1930</strong> - N°70<br />
kollegiums zutratnpelte und völlig untaktgemäss<br />
zu heulen anfing. Die Herren<br />
Geschichten um schöne Automobile<br />
quälten sich mit aller Mühe ab, dem Bubi<br />
Unaktuelles von der Luzerner Schönheitskonkurrenz.<br />
zuzulächeln, die Bleistifte schwiegen, nur<br />
die Frau in Braun beugte sich in glühender<br />
Verlegenheit zu dem Spielverderber<br />
und lotste die «Wagendekoration» wieder<br />
in den schützenden Hafen ... Durch die<br />
Menge der Zuschauer ging ein leises Prusten,<br />
aber es zerbrach an der starren<br />
Ruhe der Herren Preisrichter. Doch als<br />
der Unglückswagen verschwunden war,<br />
neigten sich die Köpfe gegeneinander —<br />
und sie blieben eine Sekunde in dieser<br />
Haltung...<br />
Diesmal hatte die Wagendekoration gut<br />
vorgearbeitet!<br />
«Trag Wünsche nach Luzern...!» so<br />
lautet der neueste Slogan der geschäftstüchtigen<br />
Luzerner — mit dem festen<br />
Vertrauen darauf, dass ihre zaubervolle,<br />
der Sonne, dem Leben geöffnete Stadt sie<br />
zu realisieren vermag. Was — so fragte<br />
ich mich aber, bedenklich den Kopf<br />
schüttelnd — was nützen mir diese Wünsche<br />
vor diesem himmlischen Hispano-<br />
Suiza oder vor jenem Rolls-Royce, dem<br />
ich nur mit einer Verbeugung mich zu<br />
nähern wage ?<br />
Ich trug Wünsche nach Luzern — es<br />
geht auf keine Kuhhaut, wieviel ich nach<br />
Hause brachte! Die Schwäche für das<br />
schöne Auto liegt mir einmal im Blut.<br />
Diese langen, schmalen Tiere, deren Nüstern<br />
sich blähen, rasen durch meine<br />
Träume mit 120 km Stundentempo.<br />
Das sind die Aristokraten unserer entzauberten<br />
Welt, die in Linie und Haltung<br />
die Tradition übernommen haben. Sie sind<br />
schweigend und grossartig wie die verblassten<br />
Gestalten der Ahnengalerien, o,<br />
sie tragen es mit Ergebenheit, wenn man<br />
sich erlaubt, sie zu berühren, oder gar<br />
sich herausnimmt, mit ihnen die gewöhn-,<br />
liehe Strasse zu befahren.<br />
Ich male mir aus, wie ich das Leben<br />
beherrschen möchte, am Steuer dieser<br />
gelben funkelnden Limousine. Die Landstrasse<br />
würde vor einer Bewegung der<br />
Hand zurücksinken. Ich könnte über Wiesen,<br />
Wälder, wehende Winde, Bäume, Bäche<br />
herrschen...<br />
« Du, » sagte neben mir eine junge deutsche<br />
Dame zu ihrem Begleiter, «wat<br />
siehste denn so 1 » — Sie war unverkennbar<br />
eine Anhängerin jener Klasse von<br />
Menschen, denen im Sommer das Dörrgeschäft<br />
an der Sonne als das Wichtigste<br />
erscheint.<br />
« Na, frag doch nich so ! » knurrte ihr<br />
Begleiter, ebenfalls deutscher Feriengast,<br />
braun gebrannt, versunken in die Betrachtung<br />
eines eleganten Cabriolets.<br />
« 'n neues Paddelboot war ma immahin<br />
lieba », so sprach sie und reckte sich —<br />
eine Amazone anno domini <strong>1930</strong> — gross,<br />
braun, und sah über den See.<br />
Du himmlische Güte — ein Paddelboot !<br />
Preisgerichte wirken immer — pardon<br />
— ein wenig rührend. Man gibt sich<br />
Mühe, preisrichterlich auszusehen, zieht<br />
den einen Mundwinkel schräg abwärts,,<br />
prüft mit verkniffenem Auge, notiert bestimmt<br />
und erschütternd wichtige Dinge.<br />
La Voiture du Progres<br />
4, 6 et 8 cylindres<br />
4 Pitesses<br />
Den Teilnehmern erschien das Preisrichterkollegium<br />
fast wie eine schone<br />
Frau, die gewonnen sein will... Sich einzuschmeicheln,<br />
zu funkeln mit den Zähnen,<br />
zu glitzern mit feuchten Augen, zu<br />
lächeln mit rotem Munde, das hiess wenigstens<br />
Vorarbeit leisten...<br />
Es gab Wagen, die durch ihre Insassen<br />
alles für sich entscheiden wollten. Hunde,<br />
Kinder, Damen, Blumen — es war nun<br />
einmal so! Lächelnd kam eine Dame angefahren,<br />
in chickem Kleid, der Wagen<br />
so getönt wie die Toilette. Die Preisrichter<br />
Hessen die Augen auf die Suche gehen<br />
und prüften intensiv Linien des Wagens,<br />
Harmonie, Bequemlichkeit. Man ahnte die<br />
Spannung der Dame, das Polster, auf dem<br />
sie hinfloss, musste vor Spannung stöhnen!<br />
Die Musik setzte an — es war fast<br />
feierlich — da geschah das schreckliche,<br />
das grenzenlose Unglück. Die Wagendekoration,<br />
ein kleiner Bengel, streikte ...<br />
er zeigte sich erst jetzt, aber anstatt lieblich<br />
mit dem Patschhändchen gegen die<br />
Scheiben zu tätscheln und mit den paar<br />
weissen Zähnchen gegen die Preisrichter<br />
zu lächeln, kroch der kleine Knirps in<br />
hellem Protest aus dem Fond und schob<br />
los. Wagen hin, Wagen her! Die elegante<br />
Limousine stand einsam in der weissen<br />
Sonne. Die Dame wehte, ein rotes Feuer,<br />
hinter der kleinen Unruhe her, die reklamierend<br />
gegen den Tisch des Preisrichter-<br />
La MATH IS dans son effort constant pers le<br />
progres est animee de Fesprit sportif moderne<br />
oui mene le coureur a la Pictoire.<br />
Un moteur nerpeux et puissant, une boite a 4 uitesses,<br />
un chassis tres surbaisse, permettent a la MATHIS de<br />
rdaliser des moyennes elevees et de monter les cötes<br />
les plus fortes a une allure record.<br />
POUR TOUS RENSEIGNEMENTS VOIR NOS CONCESSIONNAIRES: .<br />
wurde doch iseine Geschichte in den grössten<br />
Autozeitschriften erzählt!<br />
-opon<br />
Arx. Garages Modernes, Peseux P. Hercod & Co., Garage de Montdioisi, Enrico Pini, Bellinzona (Ct. Tessin)<br />
J. Brulhardt, Garage,-Fribourg Lausanne<br />
Adolf Sdierz, Velo-Centrale, Monbijoustrasse<br />
10, Berne<br />
Nicolas Egger, Automobiles, Kerns Ernest Hirt, AP. de Rumine, Lausanne<br />
(Obioalden)<br />
Dr. C. R. Jacob, ßelpstrasse 25, Berne Paul Stähli, Seepogel-Garage, Hardstrasse<br />
92, Bale<br />
Grand Garage de l'Athen6e S. A.. Walter Lienhard, Automobiles, Kriens<br />
Chemin Halombrä, Genepe<br />
(Luzern)<br />
Hans Strasser, Gross-Garage, Flaipil<br />
Grand Garage Günthardt, riüllerstrasse<br />
16, Zuridh<br />
(Ct. ArgoPie)<br />
S. Urrpyler, Garage Eiger,<br />
W. Obrist, Automobiles, Windisdi (Ct. St-Gall)<br />
Berne<br />
Die Wagen von Stuck und Caracciola<br />
waren auch in Luzern Magneten für das<br />
Publikum. (Es muss doch sehr peinlich<br />
sein, berühmt zu sein!)<br />
« Ach sieh mal, Stuck hat gerade nach<br />
mir gesehn! »<br />
«Zum Teufel, wie der schmale Hände<br />
hat! »<br />
« Du, der Caracciola hat fast die gleiche<br />
Krawatte wie ich! »<br />
Man tippte ehrfürchtig auf die beiden<br />
Wagen, lehnte sich versehentlich daran,<br />
studierte Stucks Galerie von Abzeichen,<br />
streckte die Nase in die Wagen, erschüttert,<br />
dass man das durfte, junge Herren<br />
massen das Schaltbrett mit kühler Verachtung<br />
und zitterten dabei vor Bewunderung.<br />
Ihnen schien, als wären sie es selbst,<br />
die über Berge und Hügel gerast sind,<br />
die Kurven durchwirbelt haben, die in<br />
Staub und Dreck das Rennen mitmachten,<br />
es wehte sie an wie ein kühler und scharfer<br />
Wind, sie fühlten sich plötzlich zu<br />
allem fähig und schritten weitaus den<br />
Park hindurch.<br />
Es kamen ihnen jene Geschichten von<br />
tollen Rasereien um Sekunden in den<br />
Sinn, von Fahrten über steinige Wege,<br />
von jenen Sensationen des heutigen Lebens<br />
— und sie kratzten sich wehmütig<br />
hinter dem Ohr und hatten Minderwertigkeitskomplexe,<br />
mb.<br />
Papa, ich will Rennfahrer werden!<br />
Eines Tages überraschte der Sprössling<br />
eines schwerreichen westeuropäischen Industriellen<br />
seine Eltern mit der Erklärung: «Ich<br />
will em'Renniahrer^wercIe'Hr? Die WoTO<br />
wirkten wie eine Bombe. Der Vater geriet in<br />
hellen Zorn und stampfte das Zimmer auf<br />
und ab, während die Mutter ohnmächtig<br />
wurde oder wenigstens so tat. Man denke!<br />
Dass der Jüngling, den man seit Jahren mit<br />
dem ausgesuchtesten Latein und Griechisch<br />
gefüttert hatte, das es im Umkreis von 500<br />
Kilometer gab, plötzlich so tiaf sinken konnte,<br />
war ein herber Schlag.<br />
Rennfahren kostet Geld, viel Geld. Der<br />
Junge hatte keins. Sein Vater entzog ihm<br />
zwar das Taschengeld nicht, weigerte sich<br />
aber, irgend eine Extraleistung zu machen.<br />
Guter Rat war teuer. Eine Szene folgte der<br />
andern und schliesslich entschloss sich der<br />
Sohn, als Mechaniker sein Brot selbst zu verdienen.<br />
Er war geschickt und es gelang ihm,<br />
vorwärts zu kommen. Nach einiger Zeit<br />
glaubte er den Augenblick gekommen, um<br />
seine Rennpläne zu verwirklichen. Er kaufte<br />
einen kleinen Anteil an einem Rennwagen,<br />
der in Indianapolis starten sollte, und hoffte,<br />
dadurch Gelegenheit zu erhalten, selbst an<br />
dem Rennen teilnehmen zu können und dabei<br />
mit Leuten, die ihm helfen würden, in Berührung<br />
zu kommen.<br />
Merkwürdigerweise konnte/ er einfach das<br />
Visum zur Einreise nach den Vereinigten<br />
Staaten nicht erhalten. Obwohl er volljährig<br />
war, wurde es ihm immer und immer<br />
wieder abgeschlagen. So wurde das Rennen<br />
abgehalten, ohne dass er dabei gewesen<br />
wäre. Noch merkwürdiger aber war, dass der<br />
Rennwagen, an dem er finanziell interessiert<br />
war, überhaupt nicht gestartet hatte. Er verlangte<br />
Erklärungen darüber und es gelang<br />
ihm schliesslich, der Sache auf den Grund<br />
zu kommen: sein Partner hatte sich im letzten<br />
Augenblick dem Start widersetzt, und<br />
sein Partner war — sein eigener Vater, der<br />
auf diese Art und Weise seinen Sohn von der<br />
Idee, Rennfahrer zu werden, abhielt.<br />
Gerade diese Schwierigkeiten aber veranlassten<br />
den Jüngling nur noch mehr, auf<br />
seinem Verlangen zu beharren. Schon seit<br />
einigen Jahren arbeitet er als Mechaniker in<br />
Paris, um sich so die nötigen Ersparnisse<br />
und Kenntnisse anzueignen, die es ihm ermöglichen<br />
sollen, seinem Rufe zu folgen.<br />
Schon ist der Traum, einmal in Indianapolis<br />
starten zu können, in nahe Sicht gerückt. Bereits<br />
nächstes Jahr hofft der energische<br />
junge Mann an dem grossen amerikanischen<br />
Rennen teilzunehmen. Freunde und Beschützer<br />
hat er über dem Wasser schon gefunden,