E_1930_Zeitung_Nr.102
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W0102 — 193fl AUTOMOBIL-REVUE 21<br />
Unser neuer M®man<br />
Ramosi<br />
Von V. Williams.<br />
'Ans dem Englischen übersetzt<br />
von Otto Klement.<br />
(Fortsetzung von Seite 1)<br />
kaltes Huhn und Schinken. Sie finden<br />
•Whisky am Büfett und auch einen Rotspon,<br />
den ich Ihnen sehr empfehlen kann. Mein<br />
•lieber Seaton, Sie waren schon einmal hier<br />
— darf ich Sie bitten, mich zu vertreten,<br />
während ich rasch hinaufeile, um unseren<br />
Freund von Ihrer Ankunft zu verständigen!»<br />
Als Simopulos zurückkehrte, fand er seine<br />
Gäste schmausend bei Tisch. Er pflanzte<br />
sich vor das Feuer, und eine Wolke blauen<br />
Rauches stieg aus der langen Bernsteinspitze,<br />
die er in der sorgfältig gepflegten<br />
Hand hielt. Seine schmalen schwarzen Augen<br />
wanderten ruhelos von einem zum anderen.<br />
Mit einem befriedigten Grunzen schob<br />
Aronstein den Teller von sich und nahm eine<br />
Zigarette aus der Silberkassette neben ihm.<br />
«Na, Simopulos,» sagte er, «es gibt wahrscheinlich<br />
keinen zweiten Macher im Geschäft,<br />
der mich veranlasst hätte, die umständliche<br />
Reise von New York nach Cannes<br />
auf mich zu nehmen, um einen Kerl zu treffen,<br />
von dem ich bis jetzt noch nie etwas gehört<br />
habe. Hoffentlich steckt eine grosse Sache<br />
dahinter, he?» Er blickte im Kreise umher.<br />
«Ich glaube, Simopulos weiss zu gut, wo<br />
sein Vorteil liegt», meinte Seaton, «und wird<br />
mich nicht wegen einer Lappalie von London<br />
hierherlotsen.» Er sprach mit merkwürdig<br />
klangloser Stimme und die Undurchdringlichkeit<br />
seiner Züge, noch durch das<br />
Monokel betont, gab allem, was er sagte,<br />
einen undefinierbaren Beigeschmack.<br />
«Und mich von Turin, per bacco!» bekräftigte<br />
Lucca.<br />
«Seien Sie versichert, meine Herren,» —<br />
Simopulos hob beschwichtigend die Hand —<br />
«Sie werden keinen GTund haben, Ihr Hiersein<br />
zu bedauern. Ich bin unglücklich, Sie<br />
so weither bemühen zu müssen, aber leider<br />
blieb mir keine Wahl. Mein Freund Ramosi<br />
hat eine Abneigung gegen lang vorher festgesetzte<br />
Zusammenkünfte. Ich musste seine<br />
zufällige Anwesenheit an der Riviera benutzen,<br />
um die Gelegenheit dieser privaten Begegnung<br />
in meiner Villa herbeizuführen. Ich<br />
musste Sie alle nach Lyon bitten, um dort<br />
meine weiteren Nachrichten abzuwarten,<br />
weil es ungewiss war, wohin sich mein<br />
Freund begeben würde, aber ich will offen<br />
mit Ihnen Teden — auch aus dem Grunde,<br />
weil ich möglichst diskret vorgehen wollte.<br />
Denn von dem Geschäft, das wir zu besprechen<br />
haben, soll niemand sonst etwas erfahren.<br />
Monsieur Ramosi weilt oben in meinem<br />
Arbeitszimmer und es wird mir ein Vergnügen<br />
sein, Sie ihm vorzustellen!»<br />
Er hatte eine weiche ölige Stimme und<br />
nahm nach Orientalenart eifrig die Hände zu<br />
Hilfe, um seinen Worten besonderen Nachdruck<br />
zu verleihen. —<br />
«Warten Sie einen Augenblick», warf<br />
Aronstein ein. «Wenn ich mich auf ein Geschäft<br />
einlasse, weiss ich gern woran ich<br />
bin. Ich schätze Sie, lieber Simopulos, als<br />
einen der besten Kenner von ägyptischen<br />
Altertümern, aber ich kenne nicht Ihren<br />
Freund, und meinen Herren Kollegen hier ist<br />
er ebenso unbekannt. Wer also ist dieser<br />
Ramosi überhaupt?»<br />
Der gelbe Schimmer in Simopulos' Gesicht<br />
verdunkelte sich. Seine rastlosen Augen<br />
irrten nervös umher. «Die Frage hat<br />
nichts mit unserer Angelegenheit zu tun! Das<br />
einzig Wichtige für Sie ist, ob das Angebot<br />
meines Freundes Sie interessiert oder nicht.»<br />
Seaton widersprach mit seiner tonlosen<br />
Stimme: «Trotzdem wäre es am Platze, dass<br />
wir Bestimmteres über die Persönlichkeit<br />
Ihres Freundes erführen. Dass er Ihr Freund<br />
ist, spricht für seinen Charakter, aber es<br />
ist kein unbedingter Beweis für seine geschäftliche<br />
Zuverlässigkeit. Was mich betrifft,<br />
so kann ich es mir nicht leisten, meine<br />
Londoner Firma mit einem Pack levanitinischer<br />
Gauner ins Gerede zu bringen. Solche<br />
Affären haben wir immer Ihnen überlassen,<br />
mein Bester.»<br />
Simopulos schien das Beleidigende dieser<br />
Worte absichtlich überhören zu wollen.<br />
« Meine Herren, » sagte er von seinem Platz<br />
am Feuer, «SDekulation ist die Seele Ihres<br />
Geschäfts. Wenn Sie Ramosis Vorschläge<br />
ruhig angehört haben, bleibt Ihnen jede Entscheidung<br />
unbenommen. Ich selber bin mir<br />
keinen Augenblick im Zweifel, wie diese Ihre<br />
Entscheidung ausfallen wird.»<br />
Aronsteins mächtiger Körper türmte sich<br />
neben den Tisch. «Ich will's riskieren,<br />
schauen wir uns den Kerl mal an!»<br />
Auch die anderen erhoben sich.<br />
«Noch ein Wort, bevor wir gehen!» bemerkte<br />
der Hausherr. «Mein Freund ist daran<br />
gewöhnt, zu seinen eigenen Bedingungen<br />
zu verhandeln. Jeder Versuch, diese Bedingungen<br />
zu drücken, würde ebenso vergeblich<br />
sein wie der, seine Identität festzustellen.<br />
Das letztere wäre überdies Zeitverschwendung<br />
und —» Furcht sprach aus seinen<br />
schmalen Augen — «auch gefährlich!»<br />
Peinliches Schweigen. Seaton unterbrach<br />
die Stille: «Dann ist also Ramosi nicht sein<br />
wirklicher Name?»<br />
«Nennen wir es ein Geschäftspseudonym»,<br />
erwiderte der Grieche, und den anderen voran<br />
schreitend, führte er sie aus dem Zimmer.<br />
Violett war der vorherrschende Ton des<br />
Raumes, in den Simopulos die Gäste geleitete.<br />
Schwere violette Vorhänge dämpften<br />
den Lärm der Nacht, das wilde Peitschen des<br />
Regens und die dumpf rollende Meeresbrandung.<br />
Violette Blumen füllten die Vasen und<br />
auch das Licht war violett, denn die elektrische<br />
Leselmpe, die auf einem kleinen Seitentisch<br />
stand und die einzige Beleuchtung bildete,<br />
war mit einem violetten Seidenschirm<br />
verhängt.<br />
Das Zimmer war derart verdunkelt, dass<br />
die Bücherregale an der Wand in die Unendlichkeit<br />
zu ragen schienen. An einem dieser<br />
Regale, neben der Lampe, stand ein Mann<br />
und las. Der dichte violette Teppich dämpfte<br />
die Schritte seiner Gäste und er bemerkte<br />
ihre Anwesenheit erst, als sich die Tür hinter<br />
ihnen hörbar schloss. Auch als er sich<br />
ihnen zuwandte, war das Licht so gedämpft,<br />
dass sie, geblendet von der Helle des Treppenhauses,<br />
kaum mehr als seine Silhouette<br />
ohne Eindruck blieb. «Mr. Bender Aronstein<br />
— Mr. Mortimer Seaton — Signor Aldo<br />
Lucca! — Mr. Ismail.»<br />
«Bitte, nehmen Sie Platz, meine Herren!»;<br />
sagte Ramosi mit einer metallischen Stimme,<br />
der das Befehlen Gewohnheit schien. Er<br />
selbst setzte sich an den Schreibtisch, das<br />
Gesicht im Schatten. «Sie handeln mit ägyptischen<br />
Altertümern. Ich auch. Ihre Tätigkeit<br />
auf unserem beschränkten Markt ist mir<br />
unbequem. Das ist der Grund, warum ich<br />
Herrn Simopulos bat, diese Konferenz zu<br />
vermitteln.<br />
«Gott verdamm mich!» Mit einer raschen<br />
Bewegung Hess Seaton sein Monokel aus dem<br />
Auge fallen, fing es geschickt auf und begann<br />
es emsig mit einem grauen Seidentuch<br />
zu polieren.<br />
«Sie wissen,» fuhr Ramosi unbewegt fort,<br />
«wie ungeheuer schwierig es neuerdings ist,<br />
die Schätze der ägyptischen Vergangenheit<br />
aufzutreiben, die Ihre Kunden nur zu gerne<br />
kaufen würden, wenn das Angebot der Nachfrage<br />
entspräche. Zweifellos sind in den<br />
letzten Jahren die Lieferungsmöglichkeiten<br />
bedeutend eingeschränkt. Habe ich recht?»<br />
«Und ob Sie recht haben!» Aronstein<br />
wackelte beistimmend mit dem Kopf wie ein<br />
Bär.<br />
«Das Regierungsdepartement für Antiquitäten<br />
hat, da sein Wirkungskreis und seine<br />
Macht gleichermassen wuchsen, auch seine<br />
Wachsamkeit vergrössert. Sein Ziel ist, die<br />
unerlaubten Kanäle zu sperren, auf die Sie<br />
zur Ergänzung Ihres Warenlagers ausschliesslich<br />
angewiesen sind. Selbst jene<br />
Altertümer, die früher ausländische Forscher<br />
auf Grund ihrer Lizenz den Händlern verkaufen<br />
durften, werden immer seltener, da<br />
die ägyptische Regierung die Ausgrabungen<br />
mehr und mehr als eine rein nationale Angelegenheit<br />
betrachtet. Der daraus entstandene<br />
unterscheiden konnten. Nur seine rechte Mangel bewirkt eine Preiserhöhung der<br />
Hand war deutlich zu sehen; sie ruhte geballt,<br />
unmittelbar unter dem Lampenlicht auf einen Anreiz, Altertümer zu fälschen. So He-<br />
echten Exemplare und schafft gleichzeitig<br />
dem Tischchen — eine feine kleine Hand mit gen die Dinge jetzt zu einer Zeit, in der die<br />
hellem Flaum. Im übrigen hatte man denneuen sensationellen Ausgrabungen das öffentliche<br />
Interesse für Aegyptologie stark<br />
unbestimmten Eindruck von bräunlichem<br />
Haar, das ziemlich unordentlich aus deTbelebten. Stimmen Sie mit mir überein, Mr.<br />
Stirne gestrichen war, von einer Hornbrille, Seaton?»<br />
deren Gläser undurchsichtig schienen, dass «Gewiss! Aber was wollen Sie dagegen<br />
sie die Augen verzerrten, von einem kleinen, tun?»<br />
dunklen Schnurrbart und einer hohen kräftigen<br />
Figur in einem ausgezeichnet geschnit-<br />
«Das werde ich Ihnen gleich sagen. Ich<br />
kann die Zeit zurückstellen. Ich kann Sie<br />
tenen Tuchanzug.<br />
zurückversetzen in die Tage Mustafa Agas,<br />
Simopulos stellte die Herren mit einer gewissen<br />
zaghaften Ehrerbietung vor, die nicht tischer Konsularagent in Luksor vor<br />
jenes unermüdlichen Händlers, der als bri-<br />
vielen<br />
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