E_1934_Zeitung_Nr.068
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20 ÄUTOMÖBIL'-EEVUE <strong>1934</strong> - N° 68<br />
Die sportliche Bedeutung des Grossen Preises.<br />
Es ist wohl kein Zufall, dass die Schweiz<br />
das klassische Land für Bergrennen geworden<br />
ist, denn nirgends wo anders stehen auf<br />
so beschränktem Raurrte zahlreiche bestgeeignete<br />
Berg- und Passstrassen zur Verfügung,<br />
die für «Bergprüfungsfahrten» wie<br />
geschaffen sind. Diese Art autosportlicher<br />
Veranstaltungen ist daher in unserem Lande<br />
zu hoher Blüte gelangt und findet ihren<br />
Höhepunkt jeweilen im internationalen Klausenrennen,<br />
das mit Recht als das bedeutendste<br />
Bergrennen Europas bezeichnet wird.<br />
Das jährliche Sportprogramm sieht regelmässig<br />
3—4 Bergrennen vor, die gewöhnlich<br />
als obligatorische Läufe für die schweizerische<br />
Automobilmeisterschaft ausgeschrieben<br />
sind. Als Zugabe und Abwechslung wurden<br />
bis in die letzten Jahre zuweilen noch 1—2<br />
Kilometerrennen ausgetragen. Damit hatte es<br />
aber sein Bewenden. Die Folge war eine sich<br />
seit langer Zeit fast gleichbleibende Zusammensetzung<br />
des Pensums für unsere Fahrer,<br />
das sicher seine guten Seiten hatte,<br />
durch seine fast schematische Einseitigkeit<br />
aber auch die Weiterentwicklung des schweizerischen<br />
Rennsportes hemmte und uns den<br />
Anschluss an das internationale Programm<br />
erschwerte. Die Schweiz hat stets eine Reihe<br />
namhafter Bergspezialisten hervorgebracht,<br />
die auch im Auslande unsere Farben erfolgreich<br />
zu vertreten wussten, aber in den bedeutendsten<br />
Konkurrenzen anderer Staaten,<br />
die meistens in Form von Strassen- und<br />
Rundstreckenrennen ausgetragen werden,<br />
waren unsere Aussichten sehr gering. Es<br />
fehlte den einheimischen Sportsleuten an der<br />
Möglichkeit, sich bereits zu Hause in diesen<br />
Renndisziplinen gründlich vorzubereiten und<br />
heranzubilden, und so blieb die Schweiz in<br />
dieser Hinsicht stets etwas im Hintertreffen.<br />
Abgesehen vom Klausenrennen, das sich<br />
seit seinem Bestehen einer regen ausländischen<br />
Beteiligung erfreute, waren an den<br />
übrigen Bergrennen, denen nur ein nationaler,<br />
oftmals sogar nur regionaler Charakter<br />
zukam, selten fremde Konkurrenten vertreten.<br />
Die Folge davon war, dass man im Auslande<br />
unserer Renntätigkeit wenig Aufmerksamkeit<br />
schenkte und ihr dadurch ein gewisser<br />
Schwung verloren ging.<br />
Mittlerweile hat der ausländiche Automobilsport<br />
eine ausserordentlich rege Aktivität<br />
entfaltet und er vermochte vorab bei den als<br />
Spitzenveranstaltungen zum Austrag kommenden<br />
Grossen Preisen der einzelnen Lander,<br />
die jeweilen in den Mittelpunkt des<br />
sportlichen Interesses von ganz Europa gerückt<br />
werden, Hunderttausende von begeisterten<br />
Zuschauern anzulocken. Es zeigte sich<br />
immer mehr, dass das Rundstrecken-Rennen,<br />
in welcher Form auch diese Hauptanlässe<br />
durchgeführt werden, die Gunst des Publikums<br />
und das Interesse der Autoindustrie<br />
sowie der Konstrukteure findet und damit<br />
fortwährend an Boden und Popularität gewann.<br />
Die dem Autosport ganz besonders<br />
ergebenen Länder wie Frankreich und Italien<br />
räumen in ihrem nationalen Programm<br />
dieser Art von Rennen einen breiten Raum<br />
ein, und es gibt kaum eine Gegend oder bedeutsamere<br />
Stadt, die heute nicht ihren<br />
Grossen Preis hat. So verzeichnet der internationale<br />
Sportkalender <strong>1934</strong> allein für<br />
Frankreich nicht weniger als 12 Rundstrekken-Rennen<br />
und Italien steht mit 10 gleichartigen<br />
Veranstaltungen nicht zurück. Freilich<br />
wird das eine oder andere Rennen noch<br />
ausfallen, es bleiben aber in beiden Ländern<br />
gewiss ein gutes halbes Dutzend solcher<br />
Konkurrenzen, die in jeder Hinsicht einen Erfolg<br />
verbürgen, wenn er nicht schon bereits<br />
Tatsache geworden ist.<br />
Wie sehr auch diese Grossen Preise die<br />
Automobilkonstniktton interessieren müssen<br />
und zu beeinflussen vermögen, geht schon<br />
aus der Tatsache hervor, dass die internationale<br />
Sportkommission jeweilen für die Dauer<br />
einiger Jahre eine bestimmte Formel aufstellt,<br />
nach welcher diese Retinen ausgetragen<br />
werden und der die beteiligten Wagen<br />
zu entsprechen haben. Für die Konstrukteure<br />
und Fabriken von Rennmaschinen sind<br />
diese Vorschriften wegleitend und sie haben,<br />
wie dies in unserem Blatte schon oftmals<br />
dargelegt wurde, den Bau des Automobils<br />
und die darin erzielten Fortschritte entscheidend<br />
beeinflusst. Da zu diesen Kämpfen<br />
entweder nur Fabrikmannschaften zugelassen<br />
werden, oder wenn der Kreis der Teilnehmer<br />
weiter gezogen wird, eine sorgfältige<br />
Auslese unter den Wägsten und Besten der<br />
internationalen Sportsleute und Rennfahrer-<br />
Gilde erfolgt, so bieten diese Veranstaltungen<br />
Renntätigkeit in höchster Potenz und<br />
konzentriertester Form. Kein Wunder, dass<br />
die Anteilnahme weit über die Grenzen des<br />
organisierenden Landes hinausgeht, und<br />
schon Wochen zum voraus in der gesamten<br />
Fach- und Tagespresse die Chancen abgewogen<br />
werden. Wer je einen solchen Austrag<br />
in Monza oder Monte Carlo, auf dem Nürburgring<br />
v auf der Brooklandsbahn oder in<br />
Montlhery beigewohnt hat und Zeuge wurde<br />
von dem Aufmarsch von hunderttausend und<br />
mehr begeisterter Zuschauer, der wird nicht<br />
nur eine unvergessliche Erinnerung davon<br />
mitgenommen haben, sondern auch eindrücklichst<br />
davon überzeugt worden sein, wie sehr<br />
ein Autorennen zum Massensport und zur Angelegenheit<br />
einer ganzen Nation werden<br />
kann.<br />
Die Bedeutung der nationalen Grossen<br />
Preise kommt auch im internationalen Sportreglemerti<br />
deutlich zum Ausdruck. Einmal<br />
wird bestimmt, dass jedes Land nur ein einziges<br />
Rennen dieser Art pro Jahr ausschreiben<br />
darf. Dann gemessen eine Reihe solcher<br />
Veranstaltungen, die seit Jahren zur Durchführung<br />
gelangen und sich fast Weltruf erworben<br />
haben, bedeutsame Vorrechte. Bei<br />
der Wahl der offenstehenden Daten haben<br />
diese «grandes epreuves» oder «classic<br />
events», wie sie im internationalen Sportkodex<br />
bezeichnet werden, die Priorität. Erst<br />
wenn die hiefür vorgeschlagenen Tage festgesetzt<br />
sind, werden weitere Anmeldungen<br />
für den Kalender berücksichtigt. Dabei wird<br />
den Grossen Preisen der einzelnen Nationen<br />
weiterhin so Rechnung getragen, dass am<br />
nämlichen Datum keine andere internationale<br />
Veranstaltung stattfinden kann. Um sie ferner<br />
zu bevorzugen, besteht einmal die Regel,<br />
dass zwischen den verschiedenen nationalen<br />
Grands Prix mindestens eine Zeitspanne von<br />
14 Tagen liegen muss. Alle übrigen Rennen<br />
sind zudem so zu distanzieren, dass sie frühestens<br />
5 Tage vor oder nach einem solchen<br />
Großsporttag ausgefahren werden dürfen. In<br />
diese auserwählte Gruppe der Anlässe mit<br />
Vorrecht gehören die Grossen Preise von<br />
Deutschland, Belgien, Spanien, Frankreich<br />
und Italien sowie die englische Tourist Trophy<br />
Race, das amerikanische 500-Meilen-<br />
Rennen in Indianapolis und endlich seit zwei<br />
Jahren der Grosse Preis von Monaco.<br />
Die Schweiz muss sich ihren Platz in dieser<br />
exklusiven Gesellschaft erst noch verdienen.<br />
Zwar ist der Grosse Preis im internationalen<br />
Sportkalender aufgenommen und<br />
lässt in bezug auf Qualität auch gar nichts<br />
zu wünschen übrig, und doch musste er sich<br />
— auf alle Fälle für dieses Jahr — mit einem<br />
Datum begnügen, das fast als überladen bezeichnet<br />
werden muss. Es finden nämlich am<br />
gleichen Sonntag noch zwei weitere Rennen<br />
von grösserem Ausmasse statt, nämlich der<br />
Grosse Preis von Comminges, der allerdines,<br />
wie das gleichzeitig ausgefahrene Stilfserjoch-Rennen<br />
der Italiener, mehr nationalen<br />
Charakter trägt, indem an beiden Orten vorwiegend<br />
Einzelfahrer des eigenen Landes<br />
starten. Qualitativ hat das Rennen in Bern<br />
damit kaum eingebüsst, und es kann für sich<br />
wohl auch das Hauptinteresse der Sportwelt<br />
beanspruchen. Man darf daher mit diesem<br />
Anfang auf der ganzen Linie sehr zufrieden<br />
sein, doch wird dies weder die Organisatoren<br />
noch die nationale Sportkommission davon<br />
abhalten, ihren Einfluss dahingehend geltend<br />
zu machen, dass schon nächstes Jahr,<br />
oder doch für 1936, der Grosse Preis unseres<br />
Landes zu den berühmten « grandes 6preuves<br />
» gehört.<br />
Bis er zur Tatsache wurde, wies nun der<br />
schweizerische Rennkalender eine klaffende<br />
Lücke auf, die sowohl von den Fahrer« als<br />
auch von allen, die irgendwie am Autosport<br />
Anteil nehmen, immer stärker empfunden<br />
wurde. Die Folge war, dass stets ansehnliche<br />
Kontingente von Sportfreunden die Reise ins<br />
Ausland nicht scheuten, um die dortigen Rennen<br />
mitzuerleben. Anderseits stehen nur wenigen<br />
Fahrern die technischen und finanziellen<br />
Mittel zur Verfügung, um sich an solchen<br />
Anlässen mit fremden Konkurrenten zu messen<br />
und ihr Können unter Beweis zu stellen.<br />
Da zudem für die meisten dieser Anlässe, wie<br />
dies übrigens nun auch für Bern der Fall ist,<br />
keine Ausschreibung erlassen wird, an der<br />
sich jeder Interessent beteiligen kann, sondern<br />
die Organisatoren sich auf persönliche<br />
Einladungen beschränken, so wurde die<br />
Schweiz oftmals übergangen. Das wird nun<br />
alles gründlich ändern.<br />
Genf, von jeher ein Zentrum des Automobils<br />
und der sportlichen Initiative, hat 1931,<br />
dank der generösen finanziellen Unterstützung<br />
des leider allzufrüh verstorbenen Baron<br />
v. Waldthausen einen ersten mutigen Versuch<br />
unternommen und unter dem Protektorate<br />
der nationalen Sportbehörde einen Grossen<br />
Preis von Genf ausgeschrieben, der eine<br />
sehr interessante ausländische Beteiligung<br />
aufwies. Allerdings zeigte es sich, dass das"<br />
hiefür ausgewählte Strassendreieck in seiner<br />
damaligen Verfassung den hohen Anforderungen<br />
nicht gewachsen war. Ein schwerer<br />
Unfall, der dem seither ebenfalls verstorbenen<br />
polnisch-französischen Herrenfahrer Graf<br />
Czaikowsky zustiess, musste alle Beteiligten<br />
in dieser Auffassung nur bestärken. Immerhin<br />
war der erste Schritt getan und es ge-<br />
Ob schöne oder vernachlässigte<br />
Strassen,<br />
nasse oder schlüpfrige<br />
Wege, stets bietet der<br />
zuverlässige<br />
mit seinem ausgezeichneten<br />
Gleitschutz<br />
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