E_1934_Zeitung_Nr.068
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28 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1934</strong> - No «8<br />
könnte, denn er fände eine unendlich fein verästelte<br />
Organisation, deren Ausstrahlungen<br />
nach den verschiedensten Punkten reichen.<br />
Erst ein genauerer Einblick lässt ermessen,<br />
welche Arbeit und welche Aufwendungen<br />
notwendig waren, um überhaupt die richtigen<br />
Voraussetzungen für den gesamten Anlass<br />
schaffen zu können.<br />
Die imponierende Tribüne — unbestritten<br />
die grösste und schönste der Schweiz —<br />
wird zu einem der Hauptanziehungspunkte<br />
während des Rennens werden. Wir hatten<br />
vor wenigen Tagen die glückliche Gelegenheit,<br />
die gesamte Anlage, wie sie sich am<br />
26. August präsentieren wird, einem ersten<br />
Augenschein zu unterziehen und uns dabei<br />
von der ganz ausserordentlichen Grosszügigkeit<br />
zu überzeugen. Als kundige Cicerone<br />
leiteten uns in sehr freundlicher Weise zwei<br />
Vertreter der Baufirma Marbach in Bern. Die<br />
Tribüne macht schon von aussen einen ungemein<br />
wuchtigen Eindruck und ragt mit<br />
ihrem gewaltigen Dach imponierend hoch<br />
empor. Auf sauber gepflegten Wegen gelangt<br />
man zu dem Bau, der in einem gefälligen<br />
gelben Ueberwurf gehalten ist.<br />
Die ganze Tribüne ist 100 Meter lang und<br />
20 Meter breit, also schon diese Dimensionen<br />
mögen die Umfange der Anlage veranschaulichen.<br />
Die grosse Festhalle, die sich<br />
im Parterre befindet, ist 75 Meter lang und<br />
ebenfalls 20 Meter breit. Der Bau enthält<br />
auch eine grosse Zahl von Nebenlokalen. Im<br />
Parterre findet sich das mächtige Hallenrestaurant,<br />
über dem sich in der Richtung<br />
gegen die Rennstrecke hin das Tribünenwnd<br />
das Galerierestaurant erheben. Insgesamt<br />
werden die riesigen Restaurationsräume<br />
zirka 2500 Personen bequem fassen,<br />
so dass also ein grosser Teil hungriger und<br />
durstiger Grand-Prix-Besucher hier auf die<br />
Rechnung kommen wird. Selbstverständlich<br />
gehören zu dem Riesen-Restaurant auch eine<br />
ebenso grosse Küche und ein Office, in dem<br />
sich schon zur Zeit unserer Visite die Teller,<br />
Tassen und das Besteck in wohlgeschichteten<br />
Reihen zu wahren Bergen auftürmten.<br />
Im östlichen Teil der Tribüne liegt der sogenannte<br />
Bureautrakt, der ebenso geschickt<br />
angelegt ist. Hier reihen sich die Räume für<br />
die Sanität, das Organisationskomitee und<br />
die öffentliche Sprechstation mit acht Sprechkabinen<br />
an. Längs der ganzen Nordfront sind<br />
drei Kioske untergebracht, ferner zwei Ausstellungsräume,<br />
in denen von Firmen Reklamegegenstände<br />
vorgeführt werden können.<br />
Drei grosse, imposante Treppenhäuser<br />
führen in die eigentliche Tribüne hinan.<br />
Im ersten Stock, wo sich das bereits erwähnte<br />
Galerie-Restaurant fast in der ganzen<br />
Tribünen-Länge ausdehnt, liegt im östlichen<br />
Teil das Pressebureau. Die Journalisten werden<br />
selten einen so bequemen und gediegenen<br />
Arbeitsraum finden, zu dem wirklich nur die<br />
Feder-«Zünftigen» Zutritt haben. 15 Telephonkabinen<br />
erlauben den Presseleuten, nach allen<br />
Windrichtungen hinaus ihre Berichte zu<br />
melden. Der Empfangsapparat der an anderer<br />
Stelle geschilderten Fernschreibmaschine<br />
wird hier die Presse-Bulletins aufnehmen, die<br />
dann sofort vervielfältigt und an die Journalisten<br />
im Raum und oben aui der Tribüne<br />
verteilt werden. Zur Presse-Tribüne führt<br />
aus dem Pressezimmer ein eigener Aufgang.<br />
Die eigentliche Tribüne, die übersichtlich<br />
gegliedert ist und deren Bänke sehr bequem<br />
angeordnet sind, fasst rund 4000 Sitzplätze,<br />
also eine wirklich erstaunliche Zahl. Der gesamte<br />
Tribünenraum ist in sechs Sektionen<br />
eingeteilt, von denen jede als beste Plätze die<br />
Logen, dann die Logen-Baimuette, den Sperrsitz,<br />
den 1. und 2. Platz aufweist. Ganz rechts<br />
ist die mit kleinen Pulten versehene Presse-<br />
Tribüne angeordnet. Der Blick über das<br />
Meer von Köpfen muss bei gefülltem Haus<br />
von ganz einzigartigem Eindruck sein. Das<br />
Dach ruht auf vier schlanken Stützen, so dass<br />
keine dicken Säulen zum Halsverrenken<br />
zwingen.<br />
Vor der Tribüne dehnt sich ein 115 Me*er<br />
langes Promenoir aus, das durch ein Mäuerchen<br />
von der Piste getrennt ist. Der gesamte<br />
Boden ist gegenüber der Fahrbahn erhöht<br />
worden, so dass die Sicht sehr erweitert<br />
wurde. Rechts neben der Tribüne werden sich<br />
am Renntag auch drei Radio-Kabinen befinden,<br />
in denen ein deutscher, italienischer und<br />
französischer Sprecher in alle Welt hinaus<br />
über das Rennen berichten werden. Eine Verstärker-Kabine<br />
wurde im Ostflügel der Tribünen-Anlage<br />
eingebaut. Auch den Nicht-<br />
Techniker dürften einige technische Angaben<br />
interessieren. Für die als Stahlskelett mit<br />
Holzeinbau versehene Tribüne wurden insgesamt<br />
200 Tonnen Stahl verwendet. Das Dach<br />
besteht aus Welleternit, das den sehr grossen<br />
Vorteil hat, bei Regen nicht die Vorstellung<br />
eines Trommelfeuers zu erwecken. Selbstverständlich<br />
ist der ganze Bau auch mit elektrischem<br />
Licht versehen; auch das Telephon,<br />
dessen «Haus»-Zentrale sich im Zeitmesserhaus<br />
befindet, verbindet die verschiedenen<br />
Abteilungen.<br />
Wenn sich der Tribünen^Besucher auf seinen<br />
bequemen Platz niederlässt, fällt sein<br />
Blick zuerst auf die gegenüberliegenden<br />
Boxen, die Zeittafel und das Zeitmesserhaus.<br />
Das letztere wird in einem speziellen Artikel<br />
noch eingehender gewürdigt. Die Zeittafel<br />
reckt sich in Form eines grossen Eisenskelettes<br />
empor. Ihr Zweck besteht darin, den<br />
Zuschauer über den Gang des Rennens fortlaufend<br />
im klaren zu halten. Die grosse<br />
Fläche der Tafel ist in Bänder eingeteilt,<br />
links sind die Rundenzahlen und unten die<br />
Startnummern eingetragen. Bei jeder Runde,<br />
die ein Fahrer zurückgelegt hat, steigt -im<br />
entsprechenden Nummernfeld das blaue BawL<br />
um 7 cm an, so dass immer bequem die Situation<br />
des Rennens verfolgt werden kann-<br />
Im Zeitmesserhaus drückt ein besonders ausersehener<br />
Funktionär bei der Durchfahrt<br />
jedes Konkurrenten lediglich auf einen Knopf,<br />
der durch elektrische Auslösung das Ansteigen<br />
der Bänder bewirkt. Hinter der riesig<br />
hohen Zeittafel laufen drei Gehstege und in<br />
halber Höhe findet sich ferner e]ne Kabine,<br />
die ebenfalls einen Fernschreib-Empfängsap*<br />
Blick auf die grosso neue Ehrentribüne. Röchln zweijrt eine Nebenstra.sse zu den Boxen (ganz rechts<br />
am Ran-d) a.b.<br />
parat besitzt und von wo aus die gesamte<br />
Kontrolle der Tafel besorgt wird. Zuoberst<br />
ist eine Sekunden-Uhr angebracht, die beim<br />
Start zu laufen beginnt. Eine besondere Tafel<br />
wird dann noch das Klassement der ersten<br />
Fünf von je 10 zu zehn Runden verzeichnen,<br />
ebenso die gefahrenen besten Runden.<br />
Die Boxen können auch hinten von Lastwagen<br />
auf einer 6 Meter breiten Zufahrtsstrasse<br />
bequem erreicht werden. Auch hier<br />
ist der Boden aufgefüllt worden; insgesamt<br />
wurden für diese Ausfüllarbeiten nicht weniger<br />
als 10,000 m 3 Erde benötigt. bo.<br />
Blick ins Zeitmesserhaus.<br />
Das am Waldrand gelegene schmucke Zeitmesserhaus,<br />
das in seiner Holzkonstruktion<br />
wie ein neues hübsches Weekendhaus wirkt,<br />
wird die eigentliche Seele des Rennens darstellen,<br />
und von da aus laufen zahlreiche Fäden<br />
zu den verschiedensten Punkten der ganzen<br />
langen Rundstrecke. Hier findet sich die<br />
Zentrale, die über der Veranstaltung wacht,<br />
und hier sind zahlreiche zuverlässige Kräfte<br />
beschäftigt, den Verlauf des Rennens zeitlich<br />
richtig zu erfassen und entsprechend umzuarbeiten,<br />
damit die grosse Masse weiss, mit<br />
welcher Zeit der Sieger die Strecke zurückgelegt<br />
hat oder wie die beste Rundenzeit<br />
lautet.<br />
Das Zeitmesserhaus zerfällt in das Parterre<br />
und den ersten Stock. Alle Räumlichkeiten<br />
sind nach sorgfältigen Ueberlegungen erbaut<br />
worden, so dass man vor einer geschickten<br />
Anlage steht, die den reibungslosen Dienst<br />
überaus erleichtern muss. Durch einen merkwürdigen<br />
Zufall scheint das Haus quer gestellt<br />
worden zu sein, und viele Neugierige<br />
wissen mit dieser seltsam verdrehten Lage<br />
des Baues nichts anzufangen. Man muss sie<br />
jedoch aufklären, dass das Zeitmesserhaus<br />
absichtlich in diese Richtung zur Piste gestellt<br />
wurde, um den Zeitmessern und den<br />
sogenannten «Rufern», wie sie in einem besondern<br />
Artikel noch genauer geschildert<br />
sind, gemeinsam die freie Sicht auf ein weites<br />
Stück der Bahn hinauf zu ermöglichen.<br />
Im Parterre findet sich im östlichen Teil ein<br />
länglicher Raum, von dem aus der Blick sowohl<br />
gegen die Strecke Richtung Forsthaus<br />
hinauf wie auf die Südseite gegen die Boxen<br />
und die Tribünen geht. Er beherbergt die-<br />
Rennleitung, den «Generalstab» des Rennens.'-<br />
der den gesamten Verlauf überwacht, die<br />
notwendigen Anweisungen gibt und somit alle<br />
Fäden in den Händen hält. Zwei Telephone<br />
stehen hier, durch die es der Leitung ermöglicht<br />
wird, den ganzen Ablauf des Rennens<br />
stets überwachen zu können. Neben dem<br />
Raum der Rennleitung ist die Telephonzentrale<br />
eingerichtet, die vom Schweiz. Pionier-<br />
Verband besorgt wird. Sowohl die Anrufe von<br />
allen Punkten längs der Strecke wie von der<br />
Tribüne aus werden hier umgeschaltet. Im<br />
übrigen ist auch das Zeitmesserhaus mit der<br />
Aussenwelt durch ein besonderes Telephon<br />
verbunden. Das Parterre enhält weiterhin<br />
auch ein sog. Auskunftsbureau, von wo aus<br />
an die Chronometrage, die Zeittafeln, die<br />
Presse, den Lautsprecher und den im gleichen<br />
Raum befindlichen Fernschreiber alle<br />
Auskünfte und im ferneren die Resultate von<br />
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