E_1935_Zeitung_Nr.032
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18 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1935</strong> - 32<br />
langsam heraus. Und eines Tages machte es<br />
plötzlich «Knack» im Innern der Häsin und<br />
dann sang sie nie mehr, mochten sich auch<br />
altes Spielzeug in der Hand. Das Fell war<br />
abgelöst, das linke Ohr fehlte, auch die/<br />
Eigentlich wollte Alexander Lorbeerschrift<br />
erst auf die Sommerferien ein Auto kaufen,<br />
aber seine Frau Karola (wenn alles gut ist,<br />
«Rolli» genannt) hatte bereits ums Neujahr<br />
herum beschlossen, eine richtige Osterfahrt<br />
zu machen, so dass der Ankauf bereits Mitte<br />
März erfolgte.<br />
Es war eine furchtbar aufregende Angelegenheit.<br />
Zwar stritt man sich nicht gross<br />
um die Marke des Wagens, aber die Anzahl<br />
der Plätze und «ob offen oder geschlossen»<br />
waren Gründe genug, um manche Nacht<br />
schlaflos zu verbringen. Rolli, in diesem<br />
Falle zwar Karola, behielt selbstverständlich,<br />
wie es einer richtigen Frau geziemt, recht,<br />
das heisst: Ihre Vorschläge wurden angenommen,<br />
da sie die «gescheitesten» waren.<br />
Ein grosser Vierplätzer mit aufklappbarem<br />
Verdeck, Farbe möglichst hellgrau oder<br />
event. hellbraun — mit andern Worten also<br />
passend zum neuen Frühlingskomplet von<br />
Frau Lorbeerschrift oder zu den neuen Schuhen,<br />
beziehungsweise dem neuen Hut. (Alexander<br />
erfuhr von dieser Kombination nie<br />
und ahnte niemals, dass Auto und Bekleidung<br />
der Frau des Autobesitzers zusammen<br />
harmonieren müssen. Viele Männer sind so<br />
ahnungslos.)<br />
Der Wagen der Träume wurde auch richtig<br />
gefunden, obwohl Karola eigentlich die<br />
Radspeichen lieber in Beige gesehen hätte<br />
als in Rot. Tapfer aber beharrte sie nicht<br />
länger als zweimal vierundzwanzig Stunden<br />
auf der Forderung des Umstreichens, und<br />
zwar weniger aus lieblicher Nachgiebigkeit,<br />
sondern eher in der Hoffnung, •um so eher<br />
Freunden und Bekannten im neuen Wagen<br />
imponieren zu können.<br />
Herr Lorbeerschrift erhielt vom Fahrlehrer<br />
das höchste Lob. Er stellte sich geschickt an<br />
und schaltete nach der vierten Stunde nur<br />
noch selten den Rückwärtsgang statt der<br />
ersten Uebersetzung ein, wohingegen er noch<br />
leidenschaftlich gerne den Gashebel mit dem<br />
Bremshebel verwechselte. Der Tag der Prüfung<br />
kam. Frau Karola setzte Wochen vorher<br />
ihren Gatten unter absolutes Alkohol-<br />
ßie 0ste4ahU<br />
Von Peter Pee.<br />
verbot, verdünnte den Kaffee am Morgen bis<br />
auf komplette Bleichheit und zitterte am ganzen<br />
Körper vor teilnahmsvoller Mitangst.<br />
Aber Alexander blieb — äusserlich wenigstens<br />
— ruhig, nahm den Fahrlehrer neben<br />
sich, fuhr los, Hess sich dirigieren, hielt an,<br />
dampfte weiter, stoppte am Berg, zog wieder<br />
los, fuhr rückwärts in Kurven und Schleifen,<br />
parkierte ziemlich richtig, überfuhr weder<br />
spielende Kinder noch zu diesem Zweck<br />
auf der Strasse sich bereithaltende schwatzende<br />
Grossmütter, streifte einmal sanft einen<br />
rücksichtslosen Radfahrer und wusste<br />
aber dann geläufig, wo man Benzin einfüllt,<br />
wozu Wasser im Kühler ist und auf welcher<br />
Seite man vorfahren darf. Worauf er, nach<br />
Bezahlung von einigen Fünflibern, einen Zettel<br />
plus Stempel und Unterschrift erhielt und<br />
überglücklich zu Rolli heimfuhr.<br />
Bereits am Mittag wurde die Osterfahrt<br />
besprochen. Karola schlug Furka und Grimsel<br />
vor, während Alexander eher fürs Tessin<br />
war. Nach der Wahrscheinlichkeitsberechnung,<br />
dass an Ostern die grossen Pässe<br />
noch nicht schneefrei sind und dass der<br />
Rutsch durch den Gotthardtunnel zwar verbilligt,<br />
aber noch nicht vergebens gerutscht<br />
werden darf, entschied man sich — also<br />
Rolli entschied — für den Vierwaldstättersee.<br />
Worauf die Frage anschloss: Wer<br />
kommt mit?<br />
Alexander rechnete: «Du, ich, die drei Kinder...<br />
da gibt's gar nichts zu überlegen!»<br />
Karola rechnete: «Ich, die Kinder, meine<br />
Mutter und du — und Onkel Gustav hätte ich<br />
auch gerne mitgenommen, er bringt vielleicht<br />
und Putzmitteln und Benzin, lief stundenlang<br />
traurig mit einer Oelkanne herum, weil er<br />
am Wagen keine Oeffnung mehr fand, dieer<br />
nicht schon geölt hatte, und gab schliesslich<br />
am stillen Samstag abend, mit Hinkelers uneigennütziger<br />
Mithilfe, der ganzen Sache den<br />
letzten Schliff, so dass sich sogar (ein Hinkelscher<br />
Witz) ein Blinder in jedem Kotflügel<br />
hätte rasieren können. Herrlich war das<br />
Auto. Von Kopf zu Fuss auf Glanz einge-<br />
ein paar Flaschen Wein vom Geschäft.»<br />
Dass der gehässige Onkel Gustav einem stellt. Schon das' Ansehen war eine restlose<br />
Weinladen vorsteht und KaröTas Mutter von " Wonne — wie viel mehr musste dann die<br />
Alexander nicht sonderlich heiss geliebt Fahrt durch die Geographie genussreich<br />
wird, ahnt der Leser wohl.<br />
werden!<br />
«Liebe Rolli, ich sehe keinen Grund, deine Auch Grossmuttis Pullover war fertig. An<br />
entzückende Mutter mitzunehmen und da-den Aermeln zwar etwas zu kurz, aber sonst<br />
durch eingeengt zu sein.»<br />
«Lieber Alexander, vergiss bitte nicht,<br />
dass Mutter seinerzeit deinem Geschäft mit<br />
nicht unbedeutenden Mitteln unter die Arme<br />
griff and dass du infolgedessen eigentlich<br />
nicht in unserm Auto, sondern in ihrem Auto<br />
fährst. Grund genug, der alten Dame eine<br />
schöne Osterfreude zu machen.»<br />
Das Geplänkel, das mühsam durch sich<br />
wiederholende «liebe Rolli» — «lieber Ale-<br />
Glasaugen waren fort, die hatten die Elstern<br />
und die Fahrbewilligung, inkl. den zwei Regenschirmen,<br />
die Grossmutter mitnehmen<br />
die kleinen Bengels mit aller Kraft an ihrmitgenommen. «Es muss ein Hase oder so<br />
linkes Ohr hängen.<br />
etwas aus Holz gewesen sein,» sagte der<br />
wollte, bereitgelegt hatte. In <strong>Zeitung</strong>spapier<br />
Der Sommer ging vorüber, und als esjunge Mann ungeduldig, «aber lass das jetzt<br />
einzeln waren als grosse Ueberraschung für<br />
Herbst war, kamen zwei Menschen auf diedoch'!» Er nahm ihre Hand und bat: «Sieh xander» hinzog, wurde schliesslich mit ei-die Kinder 12 Ostereier, bunt bemalt, einge-<br />
Waldlichtung. «Lass uns hier ausruhen!» mich an! Ich liebe dich! Du bist weiss, kühl<br />
sagte der junge Mann und zog das Mädchen und schön und deine Augen spiegeln meine<br />
neben sich unter die grosse Tanne. «Sieh Träume wieder!»<br />
doch, was hier ist!» rief sie und hielt ein<br />
nem Kompromiss beendet: Die Mutter kommt<br />
mit, werm Onkel Gustav zu Hause bleibt und<br />
dafür Hinkeier mit von der Partie sein darf.<br />
Hinkeier war, nach Ansicht von Frau Lorbeerschrift,<br />
eine äusserst dubiose Persönlichkeit,<br />
ein schmieriger sogenannter «Freund»<br />
von Alexander, stets zu dummen Streichen<br />
aufgelegt und ebenso ausdauernd vom Portemonnaie<br />
ihres Gatten lebend. Für Alexander<br />
war Hinkeier ein prachtvoller Mensch, ein<br />
idealer Blitzableiter nach den ehelichen Gewittern,<br />
ein Kamerad, der die gute Laune<br />
nie verlor und selbst auf nicht misszudeutende<br />
Bemerkungen von Frau Karola eine<br />
höfliche und witzige Antwort bereit hatte.<br />
Eigentlich waren die Vorbereitungen zur<br />
grossen Osterfahrt unbedeutend. «Grossmutti»<br />
strickte sich noch schnell einen modernen<br />
Pullover, der, wie Hinkeier meinte,<br />
in Stromlinienform sass. Die Kinder füllten<br />
ihre Zeit durch Prahlen in der Schule aus:<br />
«Ueber Ostern fahren wir in unserm Wagen<br />
an den Vierwaldstättersee!» Frau Karola<br />
übte sich ganz im geheimen in der Maske der<br />
Automobilbesitzerin, weil Hinkeier einmal<br />
zum Spass bemerkt hatte, dass man sofort<br />
einem Menschen in einem Auto ansehe, ob<br />
der Wagen ihm gehöre oder nicht. Es war<br />
ein schweres Stück Arbeit, aber mit der Zeit<br />
klappte es ganz nett.<br />
Und Alexander putzte. Abend für Abend,<br />
gleich nach Geschäftsschluss verkroch er<br />
sich in die Garage, verbrauchte eine Unzahl<br />
Lappen, die aus noch «fast neuen» Leintüchern<br />
— wie die strickende Grossmutter<br />
meinte — hergestellt wurden, wusch, rieb,<br />
trocknete ab, hauchte an die Scheiben,<br />
putzte mit <strong>Zeitung</strong>spapier und Hirschleder<br />
schmuck in den Farben und direkt jugendlich<br />
machend. Mit etwelcher Ueberwindung<br />
machte Hinkeier der alten Dame aus Scherz<br />
einen Heiratsantrag.<br />
Und früh ging man zu Bett, nachdem man<br />
alles, bis auf die sonntägliche Unterwäsche<br />
packt. Vor Aufregung schlief man erst spät<br />
ein und überhörte so das über diese Feiertage<br />
unsympathische Rauschen des Regens,<br />
das um 5 Uhr früh begann.<br />
Als man um 7 Uhr aufstehen wollte, regnete<br />
es nicht mehr. Es goss, es gab keine Regentropfen,<br />
es gab nur noch Regenkübel, es<br />
regnete mit Schnee vermischt, es war kalt<br />
und auf alle Fälle so, dass nur die Kinder<br />
trotz dem Wetter fahren wollten.<br />
Grossmutter freute sich, weil sie dadurch<br />
Gelegenheit hatte, die Aermel ihres Pullovers<br />
länger zu stricken und weil ihr — was niemand<br />
wusste — meistens bei Eisenbahnfahrten<br />
und andern aufregenden Ausflügen<br />
schlecht wird.<br />
Karola war froh, weil sie bei diesem Wetter<br />
das neue Komplet doch nicht hätte anziehen<br />
können und, ein klein wenig aus<br />
Schadenfreude, weil Alexander nun gewissermassen<br />
vergebens eine Woche am Auto<br />
herumgeputzt hatte. Alexander, als leidenschaftlicher<br />
Langschläfer, genoss das «Im-<br />
Bett-bleiben» so sehr, dass er die zuerst aufsteigende<br />
Enttäuschung einfach verschlief,<br />
und Hinkeier — dem war überhaupt alles<br />
recht.<br />
Ausserdem war er der einzige, der sich<br />
einmal (nur ein kurzes einziges Mal) überlegt<br />
hatte, wie man vier Erwachsene und<br />
drei Kinder bequem in einen Vierplätzer<br />
pferchen kann. Nun brauchte sich niemand<br />
um die Lösung dieses Problems zu sorgen.<br />
Und die Moral oder die Pointe?<br />
Da diese Geschichte nicht in einem einzelnen<br />
Hirn entstand, sondern gewissermassen<br />
vom Leben diktiert wurde, ist die Pointe<br />
höchstens die, welche jeder selbst daraus<br />
ziehen kann: Kaufe auf Ostern ein Auto, damit<br />
du am Ostersonntae ausschlafen kannst<br />
UiaCkxiüeV<br />
Man kann die Herkunft des Osterfestes<br />
nicht ausschliesslich aus der jüdischen Religion<br />
herleiten. Denn man kannte es bereits<br />
lange vor dem Auszug der Juden aus Aegypten.<br />
Vor allem wurde es von den Aegyptern<br />
und Babyloniern gefeiert und nach ihrem<br />
Vorbild auch von den Juden (und zwar als<br />
Frühlingsfest), wobei die Gebete damals an<br />
die Naturgottheiten gerichtet, wurden und<br />
die Fruchtbarkeit bei Menschen und Tieren<br />
herbeiflehen sollten.<br />
Während die romanischen Völker den hebräischen<br />
Namen «Pascha» zur Bezeichnung<br />
des Osterfestes beibehielten, nannte man<br />
dieses Fest bei den Völkern germanischer<br />
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