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E_1949_Zeitung_Nr.019

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»Ji-Knn,<br />

7fafaAadüe*^iet£ dei jdufam0rft#-/&vt*e<br />

welchem ansehnliche Kirchdörfer liegen, mit<br />

grossartig flankierenden Hochgebirgszenerien<br />

aus. Nicht umsonst hat sich während der Schaffenszeit,<br />

die dem Abschluss seiner Laufbahn auf<br />

der Malojahöhe voranging, der Maler von Arco,<br />

Giovanni Segantini, hier, und zwar im Dorfe<br />

Savognin, niedergelassen; noch steht daselbst das<br />

Haus, das er bewohnt hat, durch eine Tafel gekennzeichnet.<br />

Zu stolzen Gipfelformen ragen zur<br />

Rechten des Julierfahrers der Piz Curver, zur<br />

Linken die Berge der Piz-d'Aela-Gruppe, im<br />

Vorblick die Pizzi d'Err und dellas Calderas<br />

empor.<br />

In kurzen Abständen folgen sich an der<br />

Route selbst Dorf um Dorf: Burvagn und Conters,<br />

denen gegenüber, am Westhang, Salux,<br />

Präsans und Reams entsprechen, Reams mit der<br />

wuchtigen Ruine einer mittelalterlichen, wohl<br />

im 12. Jahrhundert errichteten Burg. Wie Erwin<br />

Poeschel im dritten Bande seiner so verdienstlichen<br />

« Kunstdenkmäler des Kantons Graubünnur<br />

einen Stein. Nach Tschudi war 1538 ,die<br />

grosse steinin sul auf der höhe Julien umbgefallen<br />

und entzwey gebrochen'. Campell berichtet<br />

1571, dass zwei Teile am Boden liegen, der<br />

dritte noch aufrecht stehe. Fortunat Sprecher,<br />

bestätigt diese Angaben 1617. 1703 hat Johann<br />

Jakob Scheuchzer die Säulen so vorgefunden,<br />

wie sie heute noch dastehen. Sie sind also im<br />

Laufe des 17. Jahrhunderts aufgerichtet worden.<br />

» Konnte die zitierte Arbeit auf Grund von<br />

1935 gemachten Funden feststellen, dass der Julierpass<br />

Unzweifelhaft Römerboden sei und sich<br />

auf Münzen und Kleinbronzen des 3. und<br />

4. Jahrhunderts nach Christi Geburt berufen, die,<br />

man ausgegraben hatte, so konnte in einem Aufsatz<br />

mit gleichem Titel, in einer späteren Nummer<br />

der gleichen Zeitschrift, Ob.-Ing. H. Conrad,<br />

Chur, die hypothetische Frage der Form<br />

des Passheiligtums behandeln: nachdem man<br />

nämlich im Sommer 1937, ausser nunmehr Münzen<br />

aus der ersten Hälfte des 1. christlichen<br />

Jahrhunderts, Teile einer Jupiterstatue, den<br />

rechten Oberarm und das linke Knie freigelegt<br />

hatte. Der Verfasser gibt die Laur-Belart'sche<br />

Annahme wieder, « uf dem 1935 ausgegrabenen<br />

Von Tiefencastel zum Julier<br />

Eine Fahrt durchs Oberhalbstein<br />

Die Juliersäulen (nach Scheuchzers cRaetia»).<br />

Tinzen mit der St.-Blasius-Kirche.<br />

Tiefencastel.<br />

Tinzen. St.-Blaslu«-Kirche, Schnitzaltar von Jörg Kendal.<br />

von Dr. Willy Meyer, Genf.<br />

(Mit Aufnahmen des Verfassers)<br />

Jeder Engadinfahrer kennt Tiefencastel, diesen<br />

in seiner Lage magischen Ort, magisch, weil<br />

er fortwährend sein Aussehen zu ändern scheint,<br />

und doch bleibt er stets der gleiche, und nur die<br />

Windungen unserer Route täuschen seinen Wandel<br />

vor. Gleich wie der Reisende, der mit der<br />

Bahn gen Bevers strebt, in die mannigfaltigen<br />

Bilder hineinstaunt, die sich vor ihm auftun,<br />

fühlt sich auch der Passfahrer über Septimer<br />

oder Julier in überraschende Schauerlebnisse<br />

versetzt. Dasjenige des Oberhalbstein genannten<br />

Gebietes wird nie mehr vergessen, wer es<br />

empfangen hat! Es ist, wie die meisten, die<br />

Graubünden beschert, zwiefacher Art: landschaftlich<br />

und kulturell. Es ist bekannt, dass Julier-<br />

wie Septimerstrasse' schon zur Römerzeit<br />

benutzt wurden, dass zu verschiedenen Perioden<br />

bald die eine, bald die andere Strecke den Vorrang<br />

hatte, dass seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert<br />

die Reihe wieder an der Julierroute ist.<br />

Im übrigen datiert die Besiedlung dieser Gegenden<br />

keineswegs erst aus dem Altertum. Wie<br />

Funde ergeben haben, haben sich hier auch bereits<br />

in vorgeschichtlichen Epochen Menschen<br />

aufgehalten. Während es sich aber bei derartigen<br />

Fundstücken natürlich um Einzelgegenstände<br />

handelt, die, kaum dass sie entdeckt wurden,<br />

zu wissenschaftlichen Forschungs- und musealen<br />

Repräsentationsobjekten werden, ist diejenige<br />

Kultur, die sich dem Besucher als lebendiger<br />

Bestandteil noch an Ort und Stelle darbietet,<br />

wesentlich jüngeren Datums: sie stammt<br />

zum kleineren Teil aus dem Mittelalter, in der<br />

Hauptsache aber aus dem 17. Jahrhundert, d. h.<br />

der Zeit,, in welcher, besonders nach den Jahrzehnten<br />

der kirchlichen und politischen Wirren,<br />

die Baufreude wieder auflebte und ältere Monumente<br />

durch Um- oder Neubauten ersetzt wurden.<br />

In dieser Hinsicht ist von hervorragendem<br />

Interesse die unterste Stufe des Oberhalbsteins.<br />

Das von der Julia (oder Oberhalbsteiner<br />

Rhein) durchflossene Oberhalbstein beginnt<br />

beim Crap Ses, dem Conterser Stein, da, wo es<br />

vor dem entzückten Blicke zum erstenmal als in<br />

sich geschlossenes Tal auftaucht. Es zeichnet<br />

sich in seinen niederen Partien durch die ästhetisch<br />

reizvolle Verbindung eines weiträumigen,<br />

lieblich gewellten, fruchtbaren Ackerlandes, in<br />

den » bemerkt, wird « Reams — als .villa Riamio'<br />

im karolingischen Urbar (um 831) erstmals genannt,<br />

war Zentrum der königlichen Fiskalverwaltung<br />

und später der bischöflichen Herrschaft<br />

im Oberhalbstein. Vermutlich die älteste Pfarrei<br />

der Talschaft. • Präsans war die Heimat Benedikt<br />

Fontanas, des Helden der Calvenschlacht<br />

von 1499.<br />

Ist heute das nächste Dorf, durch das wir<br />

kommen, das schon erwähnte Savognin, der<br />

Hauptort des Oberhalbsteins, so war ehedem das<br />

ihm folgende, an der Val-d'Err-Einmündung erbaute<br />

Tinzen von besonderer Wichtigkeit. Es<br />

spielte mindestens schon zur Karolingerzeit eine<br />

Rolle, dann im Mittelalter als Umschlagplatz, in<br />

dem eine der « Porten » (von lateinisch portare<br />

= tragen), der Verkehrsgenossenschaften, die<br />

Oberhalbsteiner Porte, ihre zentrale Niederlassung<br />

hatte. Von der Wohlhabenheit in vergangenen<br />

Jahrzehnten, die auch die Begüterung'adeliger<br />

Geschlechter bekundet, zeugt noch heute<br />

ein grossangelegtes Kunstwerk in der St.-Blasius-Kirche,<br />

ein 1512 von Jörg Kendel aus Biberach<br />

geschaffener spätgotischer Flügelaltar mit<br />

einer Fülle ornamentaler wie figürlicher Schnitzereien,<br />

die sogar das Antependium einbegreifen.<br />

Um die Mutter Gottes mit dem Jesusknaben<br />

gruppieren sich viele Heilige, darunter<br />

selbstverständlich St. Blasius als Kirchenpatron,<br />

und zwischen zart geschnitztem Laubwerk des<br />

Aufsatzes stehen die Hauptpersonen der Kreuzigung:<br />

Christus, Maria und Johannes.<br />

Etwa bei Tinzen etadet die Unterstufe des<br />

Oberhalbsteins, die höhenmässig von 1184 m (bei<br />

Buvagn) bis 1240 m reicht. Mit Juliakaskaden<br />

und Felsengen schliesst sich ein abwechslungsreiches<br />

Wegstück um Roffna an. Die Steigung<br />

wird stärker: der beliebte •Sommerfrisch- und<br />

Touristenstandort Mühlen erfreut sich bereits<br />

eineir Höhe von 1461 m. Die Landschaft nimmt<br />

noch an Romantik zu, und zwei. Ruinen, Splüdatsch<br />

und, vorm gleichnamigen N Dorf, Marmels<br />

^Erinnerung an eine mächtige Dynastenfamilie<br />

defs, Oberhalbsteins) vermitteln auch noch den<br />

• histiejr. ischen Akzent. Weitere "Seitentäler münden<br />

his vjfaupttal: bei Mühlen Val da Faller, bei<br />

Mar|nels Val Natons. In Bivio, schon auf 1776 m<br />

Höhe, gabeln sich Julier- und.. Septimer^trasse.<br />

BiviOj (oder Stalla) ist das oberste Obefhalbsteinei;pari.<br />

*<br />

Viele Kehren bilden von da ab die Route zum<br />

Julierpass, die in den Jahren 1820—1826 ihre<br />

jetzige Ausgestaltung erfuhr. Sie erreicht, nur<br />

1 km hinter Hospiz und Wetterdienststation, bei<br />

2287 m die Passhöhe. ... ,<br />

Ernst und wildschön ist der Eindruck-des Julierpasses,<br />

zwischen Piz Julier~(3385 m) im Norden<br />

und Piz Polaschin (3017 m) im Süden, mit<br />

seinem kleinen, Forellen, beherbergenden See.<br />

Besonderen Reiz aber verleiht dieser Passlandschaft<br />

das Vorhandensein zweier Römerzeugen,<br />

der. sogenannten Juliersäulen. Wir sagen « sogenannte<br />

», weil diese zwei Säulen vor Zeiten zu<br />

einer einzigen gehört haben. In einem Aufsatz<br />

über « Das römische Passheiligtum auf dem Julier<br />

» (Bündnerisches Monatsblatt 1936) sagt<br />

Dipl.-Ing. H. Conrad, Samaden: « Urkunden vom<br />

21. Oktober 1396 und 25. Januar 1407 kennen<br />

Savognin gegen Piz d'Err;<br />

Fundament habe eine kleine Kapelle aus Serpentinquadern<br />

mit abgetrappten Gesimsen gestanden,<br />

darin das Kultbild, davor ein Altar mit<br />

Inschrift und daneben die Säule als Wegezeichen<br />

», und lässt daneben auch die andere Möglichkeit<br />

offen, die er mit triftigen Argumenten<br />

belegt, dass jene Säule (also unsere « zwei Juliersäulen<br />

») das Standbild des höchsten Römergottes<br />

unmittelbar getragen habe. Conrad begnügt<br />

sich mit der Aufzeigung der beiden Möglichkeiten,<br />

sieht aber in eine künftige Abklärung<br />

der zutreffenden von ihnen optimistisch: « Weitere<br />

Statuenteile könnten neue entscheidende<br />

Aufschlüsse bringen. Dass der Boden rings um<br />

die Juliersäulen noch solche enthält, scheint<br />

sicher zu sein. Es ist kaum anzunehmen, dass<br />

man im Arm- und Kniestück die beiden einzigen<br />

vorhandenen gefunden .hat.»...<br />

Hinterm Julierpass senkt sich die Strasse an<br />

der Julieralp vorbei einer völlig neuartigen Welt<br />

entgegen: Bald werden die Firnhäupter der Berninagruppe,<br />

bald das Seenparadies von Campfer<br />

und Silvaplana sichtbar.<br />

Staub und Sonne<br />

Kalifornien. Seidenblauer Himmel, Blendende<br />

Sonne. Schwarzblaue Autostrassen. Funkelnde<br />

Ketten von Autos. Hie und da ein Chevrolet<br />

oder ein Ford, die einen « Midget-Car » (Zwergrennwagen)<br />

nach sich ziehen. Blau oder rot oder<br />

gelb heben sich die niedrigen, fliessenden Karosserielinien<br />

der Boliden aus tlen Kolonnen im<br />

pfeilenden Sonnenlicht. Die eilig kreisenden<br />

Speichen der Räder blitzen. Sonntag für Sonntag,<br />

rollen diese Rennwagen, an die Chevrolets oder<br />

Fords ihrer jugendlichen Fahrer gekuppelt, zu<br />

verwegenem Kämpfen in Staub und Sonne. .<br />

John Farrell wischt die verölten Hände an<br />

einem Büqdel Putzfäden. Er fingert in die vomliegende.<br />

tiefe Tasche seiner blauen Cowboyhosen,<br />

zieht ein Päckchen Zigaretten heraus und<br />

fischt nach einem Streichholz in der Brusttasche<br />

des rot-schwarz gemusterten Buschhemdes. Seine<br />

kräftige Hand zittert. «Du darfst nicht schlapp<br />

werden. Du darfst nicht an das Rennen denken.<br />

Du musst fahren heut nachmittag.» John schiesst<br />

die kaum angerauchte Zigarette zu Boden und<br />

zertritt sie. Er streicht mit dem Handrücken die<br />

Haare aus der Stirn und prüft den Luftdruck in<br />

den Reifen. Federnd beugt er sich und checkt<br />

Rad um Rad der niedern, blauen Rennmaschine<br />

ab. Er lehnt sich halbwegs auf die langgezogene<br />

Motorhaube mit den Kühlschlitzen und stellt den<br />

einen Fuss auf das seitlich austretende Steuergestänge.<br />

«Herrgott, Jahn, dein wächsernes Ge- !<br />

sieht am verflossenen Sonntag im Rosebowl<br />

drunten in Los Angeles. > Wieder greift ihn ein<br />

Sinnieren, kalt und schaudernd. « Dein wächsernes<br />

Gesicht mit der blöde starrenden Brille im<br />

Spiegelbild des Tachometerglases,», als sich die<br />

Kiste um sich selbst drehte und Jackie Cogan um<br />

Haaresbreite an dir vorüberwischte mit 90 Meilen.<br />

Wie die Angst hochkroch, eisig und lähmend.<br />

Wie dich Patricias Schrei, klar erkennbar<br />

aus dem Geheul der Tribünen, packte... Du<br />

musst durchhalten heute. Du musst fahren, John!<br />

6000 Dollar Prämie stehen auf dem Spiel<br />

« John» perlt die helle Stimme. Die dunklen<br />

Locken fliegen. Die weissen Zähnchen blitzen.<br />

Die Sandaletten klingen über den Betonboden<br />

vor der Garage. Ein freudiges Aufleuchten<br />

huscht über die offenen Züge des Jungen. Die<br />

seidenweichen Wimpern sind so nah und fein.<br />

Die baumbestandene Vorstadtstrasse, geschmückt<br />

mit weissen Häuschen, träumt in den Sonnentag<br />

hinein. Die Blumen nicken in der Brise, die von.<br />

der San-Francisco-Bucht her ins Land streicht.<br />

Das tiefe Blau des Rennwagens spiegelt. Die<br />

dickgespinselten Nummern an der stromliniengeformten<br />

Karosserie leuchten weiss. Der braune<br />

Sturzhelm hängt geduldig am Kamm der kurzen<br />

Rückenflosse.<br />

« John » — der Ausruf ist samtweich und<br />

doch metallisch in Angst und Entschlossenheit.<br />

« John », wiederholt das Mädchen, «wirst du ...»<br />

Sie endet nicht; ihre Lippen sind ohne Lächeln<br />

nun. Sie wirft ein kurzes Nicken nach dem<br />

braunen Sturzhelm. Das Mädchen steht, den<br />

Kopf hochgeworfen, mit dem Rücken gegen die<br />

Hausmauer. Der goldene Ring an dem schlanken<br />

Finger blinkt unstet. John weiss in blitzhaftem<br />

Erkennen, dass er diese grünen Augen, die dun-

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