Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
— 76 —<br />
('harnklcr, dir ihr \valir(;s Wosen noch keineswegs ganz enthüllten<br />
und ihr auch noch nicht völlig entsprechen Jiei diesem discursiven<br />
Denken sucht die Se(>le zu entdecken, sie zweitelt und sucht zu<br />
lernen. Sie hedarf <strong>des</strong>selben , weil sie im Körper, ungewiss und<br />
verwirrt, weil ihre Vernunft geschwächt ist. Die Ueberlegung geht<br />
aus dem Mangel uinnittelbarei- Erkenntmss, aus dem Mangel an<br />
sicherm (ielühl und richtigem Takt, das Rechte zu treilen , hervor,<br />
in der idealen Welt erkennt die Seele Alles durch eine einfache<br />
Anschauung, ohne Erwägung und Ueberlegung, in Kraft eines einzigen<br />
Blickes. Ebenso bedarf die Seele in derselben nicht der<br />
Sprache und Worte, weil dort Alles unmittelbar ohne Sprache erkannt<br />
wird. Anders verhält es sich mit der Seele innerhalb der<br />
Bedingungen der sinnlichen Existenz.<br />
Das Wesen dieser Denkthätigkeit beschreibt <strong>Plotin</strong> an einer<br />
seiner<br />
•<br />
tielsinnigsten Stellen )? an der er die Denkprocesse mit dem<br />
Begrifle <strong>des</strong> Bewusstseins zu verknüpfen bemüht ist.<br />
Es ist Widersinnigkeit, sagt er, der Seele die Erkenntniss<br />
ihrer selbst abzusprechen, und es ist mehr als Widersinnigkeit, sie<br />
der Vernunft abzusprechen, denn es gäbe nicht Kenntniss und<br />
Wissenschaft anderer Wesen, wenn es nicht zuerst Kenntniss und<br />
Wissenschaft seiner selbst giebt. Bei der Vernunft besteht diese<br />
Selbsterkenntniss darin, dass sie die idealen Dinge betrachtet; indem<br />
sie dieselben erkennt, erkennt sie sich selbst.<br />
Zum Behuf der Beantwortung der Frage, wie die Seele Kenntniss<br />
ihrer selbst besitzt, durch welche Fähigkeit und wie sie dieselbe<br />
erlangt, nimmt <strong>Plotin</strong> die verschiedenen erkennenden Thätigkeiten<br />
der Seele durch.<br />
Die sinnliche Wahrnehmung beschäftigt sich nur mit äussern<br />
Gegenständen. Selbst dann, wenn sie empfindet, was im Körper<br />
vor sich geht, nimu)t sie Dinge wahr, die ihr äusserlich sind. Sie<br />
nimmt Empfindungen wahr, empfunden durch den Körper, welchem<br />
sie vorsteht. — Ferner besitzt die Seele Verstan<strong>des</strong>thätigkeit. Sie<br />
beurtheilt die sinnlichen Vorstellungen, sie combinirt und theilt dieselben,<br />
sie betrachtet die von der Vernunft stammenden Ideen unter<br />
der Form <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> und arbeitet über diesen Bildern, wie über<br />
den von der Sinnesempfindung stammenden Vorstellungen. Sie<br />
unterscheidet diese Bilder und combinirt die übereinstimmenden.<br />
Eiui. V, lib. III (XLIII. Kirchh.) zu Anfang.