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RegioBusiness April 2018

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06 Blickpunkt<br />

<strong>April</strong> <strong>2018</strong> I Jahrgang 17 I Nr. 190<br />

Wettlauf im<br />

weltweiten Netz<br />

Die Digitalisierung bringt viele Chancen, birgt gleichzeitig aber auch<br />

gewaltige Risiken: Cyberkriminalität entwickelt sich ständig weiter,<br />

verbessert die Methoden und greift an ungewohnten Stellen an. Wer<br />

seine Daten schützen will, darf in diesem komplexen Wettrennen<br />

keinesfalls stehen bleiben. VON MARIUS STEPHAN<br />

Hackerangriffe auf die Bundesregierung,<br />

mögliche<br />

Wahlmanipulationen in<br />

den USA durch Cyber-Feldzüge<br />

oder Datenleaks bei Facebook &<br />

Co: Wissen ist Macht, und wissen,<br />

wie man an Wissen herankommt,<br />

interessiert nicht mehr nur die Geheimdienste.<br />

Besonders der südostasiatische<br />

Raum steht im Ruf – Regierungen<br />

wie Firmen gleichermaßen – sich<br />

wertvolle Daten per angewandter<br />

Internetexpertise zu „besorgen“.<br />

Gegen den Datenklau gibt es zwar<br />

Schutzmechanismen, diese gestalten<br />

sich jedoch als Wettrennen gegen<br />

die Angreifer, die ihre Möglichkeiten<br />

ständig verbessern. Dabei<br />

geht es nicht nur um Wirtschaftskriminalität,<br />

sondern auch<br />

um Identitätsdiebstahl im Privatsektor.<br />

»Die Bedeutung<br />

eines speziellen<br />

Cyberrisikomanagements<br />

ist noch<br />

nicht überall in<br />

der ersten<br />

Führungsebene<br />

angekommen.«<br />

RISIKO Die aktuelle Studie „Cyber-Risiken<br />

im Maschinen- und<br />

Anlagenbau“ des Verbands Deutscher<br />

Maschinen und Anlagenbauer<br />

(VDMA) bestätigt die Gefahr,<br />

in der sich viele deutsche Unternehmen<br />

befinden: Knapp die<br />

Hälfte der rund 3200 Mitgliedsunternehmen<br />

arbeitet laut VDMA mit<br />

einem veralteten Schutz vor Angriffen<br />

aus dem Netz. Thomas Völker,<br />

Leiter des Ressorts Cyberversicherung<br />

des VDMA, zieht eine eindeutige<br />

Bilanz: „Es besteht akuter<br />

Handlungsbedarf.“<br />

Besonders in den Produktionshallen<br />

liefen die Rechner häufig mit<br />

Altsystemen, die nicht annähernd<br />

auf dem aktuellen Sicherheitsstand<br />

waren. Gerade diese Systeme<br />

sollen aber durch die Industrie<br />

4.0 vernetzt und produktionstechnisch<br />

„intelligent“ gemacht<br />

werden, was weitere Sicherheitslücken<br />

aufreißen kann. Befürchtet<br />

werden Betriebsunterbrechungen,<br />

die neben Ausfällen auch für<br />

Reputationsschäden sorgen. Ein<br />

Produktionsstopp kann die Auslieferung<br />

an Kunden verzögern. Den<br />

möglichen Schaden durch Cyber-<br />

Attacken schätzen die durch den<br />

Internet: Die Bedrohung durch Datendiebe wird in vielen Firmen noch unterschätzt.<br />

VDMA befragten Firmen mehrheitlich<br />

in Bereichen zwischen<br />

500 000 bis eine Million a ein.<br />

„Die Bedeutung eines speziellen<br />

Cyberrisikomanagements ist noch<br />

nicht überall in der ersten Führungsebene<br />

angekommen“, heißt<br />

es in der Studie.<br />

SCHUTZ Die deutliche Mehrheit<br />

– rund 88 Prozent – der vom<br />

VDMA befragten Unternehmen ist<br />

nicht einmal gegen die möglichen<br />

Auswirkungen einer Cyber-Attacke<br />

versichert. Viele Firmen begründen<br />

die bestehende Versicherungslücke<br />

mit der fehlenden<br />

Transparenz der am Markt erhältlichen<br />

Angebote. Insgesamt wurden<br />

244 Firmen mit einem Umsatz<br />

von bis zu 75 Millionen a jährlich<br />

durch den Branchenverband befragt.<br />

In der Region Heilbronn-Franken<br />

sind die Unternehmen sich des Risikos<br />

bewusst: Manche Firmen,<br />

die lieber ungenannt bleiben<br />

möchten, sprechen von mehreren<br />

Tausend Angriffen pro Woche gegen<br />

ihre Netzwerke. Die IT-Verantwortlichen<br />

befürchten, die Aufmerksamkeit,<br />

die eine Äußerung<br />

in der Presse generiere, könne zu<br />

vermehrten Angriffen führen.<br />

www.vdma.de<br />

Foto: NPG-Archiv<br />

Ausgereifte Konzepte werden benötigt<br />

Charles Kionga, Geschäftsbereichsleiter IT-Security bei Bechtle, über Gefahren der Cyberkriminalität und Lösungen.<br />

INTERVIEW VON FRANK LUTZ<br />

REGIOBUSINESS Laut einer aktuellen<br />

Studie von Bitkom Research<br />

sehen 74 Prozent der deutschen<br />

Unternehmen Nachholbedarf<br />

beim Thema IT-Sicherheit.<br />

Entspricht diese Einschätzung Ihren<br />

Beobachtungen?<br />

CHARLES KIONGA Wir teilen<br />

diese Einschätzung. Dies trifft insbesondere<br />

auf mittelständische<br />

Unternehmen zu. Hier lag das<br />

Thema lange Zeit nicht im Fokus.<br />

Die Situation hat sich nach den Angriffen<br />

der letzten Jahre aber geändert.<br />

Unternehmen sind heute stärker<br />

sensibilisiert.<br />

REGIOBUSINESS In den letzten<br />

Wochen und Monaten sorgten ein<br />

Hackerangriff auf das Datennetzwerk<br />

des Bundes sowie die Attacken<br />

des Trojaners „WannaCry“<br />

auf hunderttausende Rechner<br />

weltweit für Schlagzeilen. Nehmen<br />

Unternehmer in Deutschland das<br />

Thema IT-Sicherheit noch zu sehr<br />

auf die leichte Schulter oder<br />

wächst das Bewusstsein für Gefahren<br />

durch Cyberattacken?<br />

CHARLES KIONGA Sicherheitsexperten<br />

sind sich einig, dass wir<br />

hinsichtlich Cyberrisiken an einem<br />

Wendepunkt angelangt sind.<br />

Im Bechtle Blog berichteten wir<br />

2017 über „WannaCry“ und „Not-<br />

Petya“. Das waren Vorboten von<br />

Cyberangriffen der fünften Generation<br />

– großflächig angelegte und<br />

sich schnell ausbreitende Infektionen.<br />

Dabei wurde Infrastruktur in<br />

zahlreichen Ländern lahmgelegt.<br />

Die ersten Vorboten von „Cyberkriegswaffen“?<br />

Gut möglich. Die<br />

Technologien stammen ursprünglich<br />

aus Entwicklungsprogrammen<br />

von staatlichen Organisationen.<br />

Deshalb liegt die Effektivität<br />

erheblich höher als bei gewöhnlichen<br />

Hackerwerkzeugen.<br />

REGIOBUSINESS Wie sieht es in<br />

der Region im Vergleich zur bundesweiten<br />

Situation aus: Ist das Gefahrenbewusstsein<br />

eher stärker<br />

oder schwächer ausgeprägt?<br />

CHARLES KIONGA Regionale<br />

Unterschiede spielen hierbei<br />

kaum eine Rolle, sondern eher<br />

die Branchen. Banken und Versicherungen<br />

zum Beispiel sind gut<br />

aufgestellt. Sie haben IT-Sicherheit<br />

in der Unternehmensstrategie<br />

verankert.<br />

REGIOBUSINESS Gibt es auch<br />

Branchen, die besonders gefährdet<br />

sind?<br />

CHARLES KIONGA Besonders<br />

kritisch zu sehen sind Angriffe auf<br />

Infrastrukturbetreiber und Versorger.<br />

Solche Attacken können verheerende<br />

Auswirkung auf das gesellschaftliche<br />

Leben haben. Deshalb<br />

verpflichtet die KRITIS-Gesetzgebung<br />

– die Abkürzung steht<br />

für „Kritische Infrastrukturen“ –<br />

Experte: Charles Kionga sieht den Kampf gegen Cyberattacken an<br />

einem entscheidenden Punkt angekommen.<br />

Foto: Bechtle<br />

diese Unternehmen, hohe IT-Sicherheitsstandards<br />

zu implementieren.<br />

REGIOBUSINESS Wie hoch ist<br />

der wirtschaftliche Gesamtschaden<br />

durch Cyber-Attacken für Unternehmen<br />

in der Region?<br />

CHARLES KIONGA In Deutschland<br />

beläuft sich der Gesamtschaden<br />

durch Wirtschaftsspionage<br />

und Cyberkriminalität laut einer<br />

Studie des IT-Branchenverbands<br />

Bitkom jährlich auf mehr als 50<br />

Milliarden a. Für die Region liegen<br />

keine genauen Zahlen vor.<br />

REGIOBUSINESS Welche Art<br />

von Cyberattacken ist am häufigsten?<br />

CHARLES KIONGA Cyberkriminelle<br />

sind vor allem an wirtschaftlich<br />

verwertbaren Daten interessiert,<br />

wie Kreditkartendaten oder<br />

Zugangsdaten zu Bezahldiensten,<br />

beispielsweise Paypal. Die Angriffe<br />

durch Erpressungstrojaner<br />

haben abgenommen. Wir beobachten<br />

aber einen Anstieg der Angriffe<br />

durch Crypto Mining Malware.<br />

Diese neuartige Schadsoftware<br />

infiziert Fremdsysteme und<br />

benutzt die Rechenleistung im Hintergrund<br />

zur Generierung von sogenannter<br />

Krypto-Währung.<br />

REGIOBUSINESS Finden Unternehmen<br />

in der Region genug Anbieter,<br />

die sie beim Thema Cybersecurity<br />

beraten und unterstützen?<br />

CHARLES KIONGA Bundesweit<br />

besteht ein Mangel an Experten,<br />

um die vielen Sicherheitsherausforderungen<br />

im Zuge der Digitalisierung<br />

zu bewältigen. Unternehmen<br />

sollten sich genau informieren,<br />

welches Know-how ihr IT-<br />

Dienstleister abdecken kann.<br />

REGIOBUSINESS Sie leiten bei<br />

Bechtle ein Competence Center<br />

für IT-Security & Networking, das<br />

in dieser Form in der Region einzigartig<br />

ist. Was sind seine wichtigsten<br />

Dienstleistungen und wen<br />

unterstützen Sie damit?<br />

CHARLES KIONGA Unser Ziel<br />

ist es, Unternehmen und öffentliche<br />

Auftraggeber bei diesem<br />

Thema kompetent und ganzheitlich<br />

zu betreuen, deshalb haben<br />

wir vor Jahren unsere Expertise in<br />

Neckarsulm gebündelt. Durch die<br />

wachsende Komplexität der Materie<br />

benötigen die Kunden einen<br />

verlässlichen Berater, um ihre IT-<br />

Ressourcen zu schützen. Die Nachfrage<br />

nach Security-Dienstleistungen<br />

hat stark zugenommen. In unserem<br />

Global Network Operations<br />

Center in Neckarsulm betreiben<br />

wir zum Beispiel Sicherheitssysteme<br />

für weltweit agierende Kunden.<br />

REGIOBUSINESS Welche Maßnahmen<br />

halten Sie für besonders<br />

wichtig, um ein Unternehmen besser<br />

vor Cyberattacken zu schützen?<br />

CHARLES KIONGA Unternehmen<br />

benötigen ausgereifte, gesamtheitliche<br />

Lösungskonzepte,<br />

die keine offene Flanke bieten.<br />

Die Gesamtlösung muss rund um<br />

die Uhr überwacht werden. Zudem<br />

gilt es, IT-Sicherheitsprozesse<br />

im Unternehmen zu etablieren<br />

und auch die Mitarbeiter ausreichend<br />

zu sensibilisieren.<br />

www.bechtle.com

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