RegioBusiness April 2018
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<strong>April</strong> <strong>2018</strong> I Jahrgang 17 I Nr. 190<br />
Politik & Wirtschaft 09<br />
Starker Auftritt<br />
NEWSLINE<br />
Boxweltmeisterin Regina Halmich begeistert als Gastrednerin beim IHK-Frühjahrsempfang.<br />
Beim diesjährigen IHK-Frühjahrsempfang,<br />
der erstmals<br />
im Künzelsauer Carmen<br />
Würth Forum stattfand, begrüßte<br />
Prof. Dr. Dr. h. c. Harald Unkelbach<br />
etwa 500 Gäste als frisch wiedergewählter<br />
IHK-Präsident. Unkelbach<br />
betonte, dass es der regionalen<br />
Wirtschaft momentan hervorragend<br />
gehe. Doch dürfe die<br />
gute Situation, nicht den Blick auf<br />
die vielfältigen Herausforderungen<br />
der Zukunft „vernebeln“.<br />
Dazu zählten unverändert „Dauerbrenner-Themen,<br />
wie der Fachkräftemangel<br />
und die Digitalisierung“.<br />
Aber auch der nötige nachhaltige<br />
Ausbau der Hochschullandschaft,<br />
die schon lange überfällige umfassende<br />
Unternehmenssteuerreform<br />
und zu vermeidende Dieselfahrverbote<br />
sowie die Auswirkungen<br />
der von den USA verhängten,<br />
beziehungsweise angedrohten<br />
Schutzzölle sprach der IHK-Präsident<br />
an. Und er warnte: „Nationale<br />
Egoismen, Protektionismus<br />
und Provokationen nehmen zu.<br />
Politisches und wirtschaftliches<br />
Handeln wird zunehmend nur<br />
noch daran gemessen, ob man Gewinner<br />
oder Verlierer ist.“<br />
SCHLAGFERTIG Wie ähnlich<br />
sich der Schlagabtausch im Boxring<br />
und im Business sein können,<br />
zeigte anschließend die ehemalige<br />
Boxweltmeisterin Regina<br />
Kurzweilig: Harald Unkelbach, Regina Halmich und Elke Döring (v. li.) boten den rund 500 Gästen<br />
im Künzelsauer Carmen Würth Forum einen interessanten Abend.<br />
Foto: IHK Heilbronn-Franken<br />
Halmich auf. Authentisch, humorvoll<br />
und bisweilen mit Biss führte<br />
die bis heute erfolgreichste Boxerin<br />
aller Zeiten aus, mit welchen<br />
Widerständen sie zu Beginn und<br />
im Laufe ihrer Karriere in dieser<br />
Männerdomäne zu kämpfen<br />
hatte: „Es war schwer meine<br />
Träume und Visionen in die Tat<br />
umzusetzen. Ohne Leidenschaft,<br />
Leidensfähigkeit und ein gutes<br />
Team wäre das alles nicht möglich<br />
gewesen.“ Zahlreiche Gemeinsamkeiten<br />
machten letztlich den Unterschied<br />
zwischen Erfolg und Misserfolg<br />
aus: „Disziplin, Strategie,<br />
Mut, Ausdauer, Teamfähigkeit, ein<br />
unbändiger Wille und die Fähigkeit<br />
Rückschläge einzustecken,<br />
Fehler zu analysieren und immer<br />
wieder weiterzumachen, sind einige<br />
Eigenschaften, die erfolgreiche<br />
Unternehmer und Sportler<br />
gleichermaßen benötigen.“<br />
GENUGTUUNG Und IHK-Hauptgeschäftsführerin<br />
Elke Döring bemerkte<br />
mit einem Schmunzeln,<br />
dass Regina Halmich mit ihrer<br />
Lehre zur Rechtsanwaltsfachangestellten<br />
ein eindrucksvolles Beispiel<br />
sei, dass „man mit einer dualen<br />
Ausbildung auch Weltmeisterin<br />
werden kann“.<br />
In der anschließenden, von Döring<br />
moderierten Fragerunde<br />
wurde Halmich dann auch auf ihren<br />
viel beachteten Kampf gegen<br />
Moderator und Entertainer Stefan<br />
Raab angesprochen, bei dem sie<br />
diesem die Nase gebrochen hatte.<br />
Halmich: „Anfangs wollte ich den<br />
Kampf nicht, da ich als seriöse<br />
Sportlerin wahrgenommen werden<br />
wollte. Doch Raab wurde in<br />
seiner Show von Tag zu Tag immer<br />
frecher mit seinen Herausforderungen,<br />
sodass ich letztendlich<br />
zugesagt habe. Ihn dann zu schlagen<br />
war mir auch wirklich eine<br />
Genugtuung.“<br />
pm<br />
www.heilbronn.ihk.de<br />
www.regina-halmich.org<br />
Voith beruft Russwurm in<br />
Gesellschafterausschuss<br />
REGION. Professor Dr. Siegfried Russwurm, bis März<br />
2017 Mitglied des Konzernvorstands von Siemens, ist<br />
Ende März in den Gesellschafterausschuss des Voith-<br />
Konzerns berufen worden. Er folgt in dieser Funktion<br />
auf Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, die nach rund zehn<br />
Jahren planmäßig aus dem Gremium ausscheidet. Der<br />
1963 in Marktgraitz/Lichtenfels geborene Russwurm<br />
gilt international als einer der Wegbereiter der Digitalisierung<br />
der Industrie. „Mit Siegfried Russwurm gewinnt<br />
Voith einen der profiliertesten Pioniere der Industrie<br />
4.0 und erfahrenen Industrielenker für seinen Gesellschafterausschuss“,<br />
sagte Professor Dr. Hans-Peter<br />
Keitel, Vorsitzender des Gesellschafterausschusses und<br />
Aufsichtsrates des Voith-Konzerns. Als weitere neue<br />
Mitglieder wurden Ina-Maria Schweppenhäuser und<br />
Dr. Hubert Lienhard in den Ausschuss berufen. pm<br />
Zwei Buttersorten werden<br />
ausgezeichnet<br />
SCHWÄBISCH HALL. Als die Ergebnisse des aktuellen<br />
Buttertests der Stiftung Warentest verkündet wurden,<br />
war die Freude in der Hohenloher Molkerei riesig.<br />
Schließlich werden sowohl die am besten bewertete<br />
Butter als auch die drittplatzierte Sorte am Molkereistandort<br />
in Schwäbisch Hall hergestellt. Am besten hat<br />
die „Gut & Günstig Deutsche Markenbutter mildgesäuert“<br />
von Edeka beim Test abgeschnitten. Auf Rang drei<br />
landet die „Milfina Deutsche Markenbutter mildgesäuert“<br />
von Aldi Süd. Edeka und Aldi Süd werden seit Jahrzehnten<br />
mit frischer regionaler Deutscher Markenbutter<br />
von der Hohenloher Molkerei beliefert. Der geschäftsführende<br />
Vorstand der Hohenloher Molkerei,<br />
Martin Boschet, sieht in diesen beiden Spitzenplatzierungen<br />
einen in dieser Form bisher noch nicht erreichten<br />
Erfolg für die Genossenschaft.<br />
pm<br />
Gastkommentar<br />
„Es fehlt ein Mutmacher“<br />
Deutschland hat sieben Großbaustellen für ein besseres Morgen – Die „GroKo“ sollte nun endlich ran die Arbeit.<br />
Keine Frage: Deutschland<br />
geht es glänzend. Nahezu<br />
Vollbeschäftigung, aktuell<br />
sehr vorzeigbare Lohnabschlüsse<br />
und in vielen Branchen randvolle<br />
Auftragsbücher, die signalisieren:<br />
Wir bleiben auf Wachstumskurs.<br />
Meiner Einschätzung nach aber<br />
nicht so lange, wie es nötig wäre,<br />
um die reichlich teuren Pläne der<br />
GroKo für die nächsten vier Jahre<br />
finanzieren zu können. Damit jedoch<br />
alles gut bleibt, muss die<br />
GroKo nach Auffassung vieler Experten<br />
an die Arbeit und sich sieben<br />
„innerdeutschen“ Baustellen<br />
zuwenden; sie darf sich nicht in<br />
der „Wohlstandsfalle“ ausruhen.<br />
Die erste Baustelle machen die Zukunftsbranchen<br />
aus, in denen<br />
Deutschland zu wenig präsent ist.<br />
Gleich mehrere große Beratungsunternehmen<br />
warnen vor der<br />
Übermacht der amerikanischen<br />
Technologiekonzerne. Um künftig<br />
mit den USA und China mithalten<br />
zu können, muss die GroKo die Voraussetzungen<br />
dafür schaffen,<br />
dass disruptive Start-ups schneller<br />
als bisher zu namhaften Großunternehmen<br />
heranwachsen können.<br />
Zuletzt gelungen ist dies SAP<br />
– gegründet vor bald 46 Jahren.<br />
Die zweite Baustelle ist eine „alte<br />
Bekannte“: Es gibt vergleichsweise<br />
zu wenig Risikokapital für<br />
die deutschen Gründer. 2017 standen<br />
den Gründern in Deutschland<br />
4,3 Milliarden a an Venture Capital<br />
zur Verfügung. In den USA summierten<br />
sich die Investments der<br />
Wagniskapitalfinanzierer allein<br />
im vierten Quartal 2017 auf mehr<br />
als 23 Milliarden Dollar. So falsch<br />
wie die Aussage ist, dass Geld<br />
keine Tore schießt, so falsch ist<br />
die Aussage, für Gründungen<br />
spiele Geld keine Rolle; siehe Silicon<br />
Valley. Einziger Hoffnungsschimmer:<br />
Die KfW soll jetzt richtig<br />
Geld für Gründer in die Hand<br />
nehmen; wir sind gespannt.<br />
Dritte Baustelle: Die (sehr guten)<br />
Ergebnisse deutscher Grundlagenforschung<br />
kommen zu selten und<br />
zu langsam „auf den Markt“. Wir<br />
haben zwar sogenannte<br />
„Exzellenzuniversitäten“, aber<br />
keine Uni mit globaler Strahlkraft,<br />
„deren Ausgründungen“, so die<br />
Experten, die die Bundesregierung<br />
beraten, „das Potential dazu<br />
haben, zu neuen Konzernen heranzuwachsen“,<br />
die das eben Erforschte<br />
dann auch rasch „in den<br />
Markt bringen“. Vierte Baustelle:<br />
Unser Fachkräftepool schwindet:<br />
Im Januar meldeten 29 Prozent<br />
der Unternehmen aus unserer<br />
Schlüsselbranche Metall und Elektro<br />
„Produktionsbehinderungen<br />
wegen fehlender Arbeitskräfte –<br />
Aufgabenpensum: Auf die Große Koalition warten einige wichtige<br />
Baustellen, die es abzuarbeiten gilt.<br />
Foto: NPG-Archiv<br />
ein trauriger neuer Rekordwert“.<br />
Vor fast zehn Jahren hatte Kanzlerin<br />
Merkel die „Bildungsrepublik“<br />
ausgerufen; geschehen ist<br />
wenig: Noch immer verlassen jährlich<br />
etwa 50 000 Schüler die<br />
Schule ohne Abschluss. Und natürlich<br />
gilt nach wie vor: Ein Zuwanderungsgesetz<br />
nach kanadischem<br />
Vorbild könnte unserem Fachkräftearbeitsmarkt<br />
helfen.<br />
Als fünfte Baustelle nenne ich die<br />
mangelhafte digitale Infrastruktur.<br />
Enttäuschend und nicht nachvollziehbar<br />
ist hier, dass der Koalitionsvertrag<br />
vorsieht, diese jetzt<br />
schon nicht mehr akzeptable Lücke<br />
erst bis 2025 zu schließen.<br />
Auch auf eine zukunftssichere Sozialpolitik<br />
wartet man mit diesem<br />
Koalitionsvertrag vergebens. Bei<br />
der Sicherung des Lebensstandards<br />
im Alter rangiert Deutschland<br />
auf einem der hinteren Plätze<br />
im OECD-Vergleich. Konkret: Im<br />
Durchschnitt ersetzt die Altersversorgung<br />
nach dem jüngsten<br />
OECD-Vergleich in Deutschland<br />
nur 51 Prozent des letzten Nettolohns;<br />
im OECD-Durchschnitt<br />
sind es 63 Prozent. Hinzu kommt,<br />
dass sich die Rentenversicherung<br />
nahezu ausschließlich am abhängigen<br />
Beschäftigungsverhältnis<br />
orientiert, was zunehmend unzeitgemäß,<br />
ja geradezu „altmodisch“<br />
ist, da in Zukunft durch die Digitalisierung<br />
viele Menschen nicht<br />
mehr in traditionellen Arbeitsverhältnissen<br />
beschäftigt sein werden.<br />
Not tut eine „Erwerbstätigenversicherung“<br />
zur Verhinderung<br />
drohender Altersarmut. Immerhin<br />
plant die GroKo eine Vorsorgepflicht<br />
für Selbständige. Aber bis<br />
das wirkt, das dauert. Die siebte<br />
Baustelle hat mit der deutschen<br />
Mentalität zu tun: Es fehlt der<br />
Glaube an ein „besseres Morgen“,<br />
es mangelt an Zukunftszuversicht,<br />
schlicht an dem Mut, sich wie zu<br />
Kanzler Schröders Zeiten „noch<br />
einmal neu zu erfinden“. Ein „Redakteuren-Kollektiv“<br />
schrieb<br />
dazu im Handelsblatt vom 10. Februar<br />
<strong>2018</strong>: „Nun, 15 Jahre später,<br />
Dr. Walter Döring<br />
Der gebürtige Stuttgarter war lange eine<br />
der Gallionsfiguren der FDP. Er war Gemein-<br />
derat in Schwäbisch Hall, Vorsitzender der<br />
Landtagsfraktion und Wirtschaftsminister<br />
von Baden-Württemberg. Heute arbeitet<br />
der 64-Jährige als Consultant und hält Vor-<br />
lesungen an Hochschulen. Im Kreistag ist er<br />
für die Freien Demokraten politisch aktiv.<br />
Döring ist Initiator und Mitorganisator des<br />
Kongresses „Gipfel der Weltmarktführer“<br />
in Schwäbisch Hall und gründete die Akade-<br />
mie Deutscher Weltmarktführer.<br />
ist der Muff zurück, und die<br />
große Frage lautet, ob Deutschland<br />
ähnlich wie um die Jahrtausendwende<br />
noch einmal die Kraft<br />
besitzt, sich neu zu erfinden“. Es<br />
fehlt ein Mutmacher.<br />
Ein großer Schritt auf diesem Weg<br />
wäre es schon, wenn sich die<br />
GroKo an die Arbeit machte und<br />
dabei zum Beispiel einen Vorschlag<br />
von Emmanuel Macron aufgriffe,<br />
der die Gründung einer<br />
deutsch-französischen Innovationsagentur<br />
vorschlug. Warum<br />
denn nicht mit einem „guten Nachbarn“<br />
zusammenarbeiten, wenn<br />
es um das Anpacken von „innerdeutschen“<br />
Baustellen geht?<br />
Foto: Hans Kumpf