Gsungen&Gspielt 04/2017
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INT´RESSANTERWEIS<br />
(Foto: Ralph Kapavik)<br />
Ich bin äußerst religiös aufgewachsen,<br />
wogegen ich mich manchmal<br />
gewehrt habe. Meine Auflehnung gegen<br />
den Glauben war nichts anderes<br />
als der Versuch, genauer hinzusehen,<br />
wissen zu wollen, was ist die „große<br />
Wahrheit“ und generell immer alles<br />
zu hinterfragen. Neben Schuldgefühlen,<br />
die daraus resultierten, aber das<br />
ist eine andere Geschichte, gab es<br />
aber auch gute Erfahrungen, die ich<br />
machte. Diese Auseinandersetzung<br />
begleitet mich bestimmt schon mein<br />
ganzes Leben und findet sich so auch<br />
in meinen Texten wieder. Der Konflikt<br />
findet zwar nicht immer offen statt,<br />
aber er ist trotzdem da. Natürlich gibt<br />
es für mich auch sehr viele schöne Erinnerungen<br />
an religiöse Rituale in der<br />
Weihnachtszeit, wie zum Beispiel das<br />
Räuchern im Haus mit meinen Eltern<br />
und Geschwistern. Im Grunde geht<br />
es ja immer ums Leben. Und Religion<br />
und Glaube ist nichts anderes als<br />
die Verbindung zum Ursprung eines<br />
Menschen, zur eigenen Herkunft.<br />
Die Geschichte mit dem Engel ist ein<br />
möglicher Zugang.<br />
Dein beruflicher Weg hat dich nicht<br />
direkt zum Schauspiel geführt. Wie<br />
kam es dazu?<br />
Eigentlich wollte ich etwas mit Musik<br />
machen – Tanz wäre ursprünglich<br />
mein großer Traum gewesen, aber in<br />
meinem Umfeld hatte ich dazu keine<br />
Möglichkeiten. Neben meiner Ausbildung<br />
als Medizinisch Technische<br />
Fachkraft in Innsbruck wurde ich im<br />
Tiroler Landeskonservatorium für das<br />
Fach Gitarre bei Reinhard Schöpf aufgenommen,<br />
konnte es aber nicht weiterverfolgen.<br />
Nachdem ich mein Diplom<br />
als MTF hatte, kam ich zufällig<br />
ins Landestheater und erfuhr, dass es<br />
dort auch eine Schauspielschule gab,<br />
wo ich nach meinem Vorsprechen<br />
auch genommen wurde. Niemand aus<br />
meiner Familie hatte etwas mit der<br />
Schauspielerei zu tun, ich erlernte<br />
diesen Beruf also von Null auf.<br />
Nach Stationen in München und Zürich<br />
beschloss ich, meinen Beruf in<br />
der Klinik aufzugeben und erhielt<br />
mein erstes Engagement als Schauspielerin.<br />
Es war ein Stückvertrag im<br />
Treibhaus, „Häuptling Abendwind“<br />
von Nestroy. Ich arbeitete viel freiberuflich,<br />
in ganz Österreich, Südtirol,<br />
Süddeutschland, auch in Zürich<br />
und zuletzt viel in Innsbruck. Nach<br />
der Geburt meiner Tochter kam ich<br />
zurück nach Scheffau. Es kamen einige<br />
Workshops im Bereich Stimme,<br />
Sprache, Kommunikation zu meinen<br />
Aufgaben dazu, auch im Film war ich<br />
tätig und jetzt nimmt das Schreiben<br />
immer mehr Platz in meinem Leben<br />
ein. Als „Vorleserin“ erarbeite ich literarische<br />
Programme, sehr oft auch<br />
gemeinsam mit Musikern.<br />
Obwohl das Leben in einem „normalen“<br />
Beruf vielleicht oft einfacher<br />
wäre, bin ich sehr erfüllt von meiner<br />
Arbeit, weil es mir große Freude<br />
macht, Menschen zu zeigen, dass sie<br />
keine Angst vor Literatur haben müssen.<br />
Sie macht eine Welt auf, die unglaublich<br />
bereichernd und erhellend<br />
ist – egal ob sie berührt, bewegt, aufrüttelt<br />
oder unbequem ist. Alles gehört<br />
dazu.<br />
Weihnachten ist nicht mehr weit.<br />
Was bedeutet Weihnachten für dich?<br />
Weihnachten verbinde ich mit Momenten,<br />
die ich mit meiner Familie<br />
verbringe, vor allem mit meinem<br />
Mann und meinen Kindern, die mich<br />
auch in jeder Hinsicht unterstützen. –<br />
Eine ältere Dame, die allein ist und<br />
in unserem Haus wohnt, verbringt<br />
seit den letzten Jahren Weihnachten<br />
mit uns. Menschen in dieser Zeit<br />
nicht allein zu lassen, auch das ist<br />
Weihnachten für mich. – Wenn ich an<br />
Weihnachten meiner Kindheit denke,<br />
kommen mir die Weihnachtsabende<br />
in den Sinn, wo Gäste, die bei uns<br />
untergebracht waren, wichtiger waren<br />
als unsere eigene Familie. Dieses<br />
Zurückstecken habe ich noch in Erinnerung<br />
und hat mich auch geprägt.<br />
Heute genieße ich die Weihnachtszeit<br />
im Kreis meiner Familie dafür umso<br />
mehr!<br />
G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 43. JAHRGANG | HEFT <strong>04</strong> | DEZEMBER <strong>2017</strong> 7