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Das blühende, weibliche Leben wird zu totem Holz. Dieses memento mori - ein barockes<br />
Gefühl in einem barocken Gebäude - zeigt <strong>Dietrich</strong> <strong>Klinge</strong> in anderen Bezügen der Skulptur<br />
ebenso deutlich. Es ist ein Torso, eher noch ein Fragment eines Körpers, der vor uns steht.<br />
Ein Fragment ohne Kopf, ohne Arme, ohne Beine, beraubt aller Möglichkeiten - trotz all der<br />
Schönheit des Körpers - mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Der Rumpf muss erlei<br />
den, muss passiv geschehen lassen, betrachtet zu werden, kann keinen Dialog führen, mit<br />
niemandem! Ist "nur" schön als Qualität, als Beschaffenheit. Eine Beschaffenheit, die dem<br />
Diktat der Zeit sichtlich und stets unterworfen ist und sein muss.<br />
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ln seinem "Lehrbuch nach Kantischen Grundsätzen" hat Johann Friedrich Christoph<br />
Graeffe 17 1799, dem Jahr in dem Goyas Tantalo entstand, in lapidarem Dialog formuliert:<br />
"L. Gesetzt nun, daß jemand würklich Schönheit hätte, wie lange wird er sie denn behalten?-<br />
K. Nicht lange." 18 Und weiter: "L. Worin verwandelt sich denn die blühendste Schönheit? - K.<br />
ln Hässlichkeit." 19<br />
Dieses ”nicht lange“ finden wir nochmals und nochmals im Aufbau dieser klingeschen Arbeit.<br />
Zum einen sockelt der Künstler die Arbeit und hebt sie damit hervor, erhebt sie, macht<br />
sie bedeutender, herrscherlicher 20 . Und zugleich zeigt er dialektisch das Gegenteil.<br />
Der Sockel ist nicht etwa ein wohlgeformter feiner Block mit gestalteter Plinthe und Deckplatte,<br />
sondern eine rohe, zusammengezimmerte Kiste, die das Thema der Erhebung über<br />
17 Johann Friedrich Christoph Graeffe, Vollständiges<br />
Lehrbuch der allgemeinen Katechetik<br />
nach Kanntischen Grundsätzen, Band 3, Göttingen<br />
1799<br />
18 Graeffe aaO. S. 217<br />
19 Graeffe aaO. S. 218<br />
20 <strong>Dietrich</strong> Kl inge, Sitzbilder- eine Genealogie,<br />
S. 34 ff.