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Dietrich Klinge – Orte

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Im Hofgarten<br />

Leonhart Fuchs berichtet uns erstmals über eine Gartenanlage dort im Jahre 1545 in seinem<br />

“New Kreüterbuch / in welchem nit allein die ganze histori / das ist / namen / gestalt / statt und<br />

zeit der wachsung / natur / krafft und würckung / des meysten theyls der Kreüter so in Teutschen<br />

und anderen Landen wachsen / mit dem besten vleiß beschrieben.“ 1<br />

Ob Friedrich der Große, als er im September 1743 Schwester und Schwager 2 besuchte, Orangerie<br />

und Hofgarten schon vollendet sah, wissen wir nicht. Dass die Gärten nach ihrer Zerstörung<br />

durch den zweiten, großen Krieg des 20. Jahrhunderts im barocken Stil wiederhergestellt wurden,<br />

wissen wir. Dass der berühmte Kaspar Hauser, am 14. Dezember des Jahres 1833 tödlich im<br />

Garten verwundet wurde, wissen wir. Von wem, wissen wir nicht.<br />

Auf dem kleinen gotisierenden Pfeiler abseits im Gebüsch, steht<br />

Hic Occultus<br />

Occulte<br />

Occisus est.<br />

Äinschl Alba<br />

Ein Geheimnisvoller ist hier auf geheimnisvolle Weise getötet worden. Und auf hoher Säule<br />

thront gülden und lorbeerbekränzt der Ansbacher Dichter Johann Peter Uz 3 der fröhlich und klar<br />

(obwohl er 15 Jahre unbesoldet als Justizratssekretär am markgräflichen Hofe gearbeitet hatte)<br />

konstatierte:<br />

“Nur Wein und freye Zärtlichkeit<br />

Begeistern mich gefällig, wenn ich dichte“. 4<br />

59<br />

1 Leonhart Fuchs, New Kreüterbuch , Basel<br />

1543, Titelblatt der Ausgabe<br />

2 Eugen Schöler, Markgraf Carl Wilhelm Friedrich,<br />

Der Fürst und der Mensch, Sonderdruck<br />

Nr. 2 des Vereins der Freunde Triesdorf und<br />

Umgebung e.V. , 1986, s.p.<br />

3 Johann Peter Uz (1720-1796), ein damals<br />

weithin bekannter Anakreontiker (verkürztes<br />

Motto: Wein, Weib und Gesang); vgl. Michael<br />

Reinhart, Peter Zeitler, Zwischen Tradition<br />

und Fortschritt, 175 Jahre Sparkasse Ansbach,<br />

Stuttgart 1998, S. 23 dort Plan des Uz-Denkmals<br />

von 1824<br />

4 Johann Peter Uz, Die fröhliche Dichtkunst in:<br />

Sämmtliche poetische Werke, 2. Auflage, Ansbach<br />

1754, 3. Buch, S. 85<br />

5 Johann Bernhard Fischer, aaO., S. 195<br />

6 Johann Bernhard Fischer, aaO., S. 195<br />

7 Wilhelm Baumann, Die Orangerie zu Ansbach,<br />

Sonderdruck aus dem 79. Jahrbuch des<br />

Historischen Vereins für Mittelfranken, Ansbach<br />

1960, S. 10<br />

Als letzte der illustren Persönlichkeiten im Hofgarten sei Wilhelm Friedrich von Benkendorff,<br />

“Hofbanquier“ 5 genannt, dessen Halbrelief, nach mancherlei Umzügen, nun die Backsteinmauer<br />

ziert, die Hofgarten und Retti-Palais trennt.<br />

Von Benkendorff war erster Präsident der “Hochfürstlich-Brandenburg-Anspach-Bayreuthischen<br />

Hofbanco“, die 1780 “zu mehrerer Ausbreitung des Kommerciums errichtet“ 6 wurde.<br />

An diesem Ort, im markgräflichen Hofgarten, am Rande des Rasenparterres, vor den Lindenhochhecken<br />

und in den Lindensälen, deren erste Stämmchen schon 1723 aus Holland, den<br />

Rhein aufwärts, nach Ansbach kamen 7 , sitzen, liegen, stehen nun <strong>Klinge</strong>sche Figuren dreizehn<br />

an der Zahl.<br />

Sie wachsen in den Gartenhimmel, wie ‘Ailanthya‘. Sie recken und strecken sich, wie dem Boden,<br />

im Wortsinne, entwachsene Pflanzen und heißen ‘Entwurf für eine große Figur‘. Sollen dies auch<br />

sein, “Entwürfe“. Auch wenn sie mehr als zwei, manche fast drei Meter an Höhe messen. Maquetten<br />

in solchen Dimensionen? Schwer vorstellbar? Ja, und doch liegt dies in des Künstlers Absicht.Die<br />

aus den “kleinen Modellen“ heraus entwickelten großen Figuren, wären größer als manches Haus!<br />

Und ‘Äinschl Alba‘ breitet ihre pralle Weiblichkeit, einem barocken Engel gleich, Raum greifend,<br />

ihren Raum ausfüllend und definierend, vor dem Rasenparterre aus. Ein munteres aber auch<br />

ernsthaftes Volk, wie geschaffen für die Pracht der Orangerie und ihres Hofgartens.

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