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Dietrich Klinge – Orte

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Stiftsprobst Gebhardus longus, der große Gebhard, im 12. Jahrhundert ein Riese mit einhundertundneunzig<br />

Zentimetern Körpergröße ist dort unter einer sandsteinernen Deckplatte<br />

beerdigt worden. Als Einziger! 8<br />

Ein zerbrochener Wachskelch, den er in den Knochenfingern der rechten Hand hielt, wenige<br />

Zentimeter messend, zeigte an, dass er als Priester das Abendmahl an die Gläu-bigen austeilen<br />

durfte. 9<br />

Mit der Linken umklammerte Gebhard zwei Brakteaten 10 , dünne flache Silberscheiben, so<br />

dünn, dass sie nur einseitig geprägt werden konnten 11 , Schwäbisch Haller Heller. Ge-nauer<br />

Händles-Heller, weil sie eine flache Hand dem Betrachter zeigen. Damals als Geb-hardus<br />

longus beigesetzt wurde, waren es wertige Grabbeigaben (Fährgeld für einen christianisierten<br />

Charon?).<br />

Die durch “böse“ Heller 12 - also bewusst wertlosere, weil von geringerem Gewicht oder weniger<br />

Silber – von Spekulanten hervorgerufene Krise der Währung 13 ließ ihn unbe-rührt.<br />

34<br />

Gordian I,<br />

Tangere<br />

8 Hermann Dallhammer, in 1250 Jahre Ansbach,<br />

aaO. , S. 21<br />

9 Hermann Dallhammer, Werner Bürger, Ansbach,<br />

Geschichte einer Stadt, Ansbach 1993,<br />

S. 18<br />

10 Friedrich Wielandt, in: Badische Heimat 30,<br />

1950, S. 65<br />

Auf der mit einem schlichten Relief eines gesockelten Tatzenkreuzes 14 versehenen Grabplatte<br />

steht nun ‘Tangere‘.<br />

Der Corpus ein berindeter Stamm, der sie einhüllt, wie in ein fließendes, schützendes Gewand.<br />

Die demütig gesenkten Schultern scheinen unbekleidet. Der nach rechts geneigte<br />

Kopf, ein Stückwerk des Verlustes, verstärkt die ausstrahlende Trauer.<br />

Zwischen den acht Säulen der Krypta, die Gewölbe und Steine tragen, steht sie wie eine<br />

neunte Säule, geformt aus einem Stamm, eine Pfahlplastik und trägt ebenso! Nicht die körperliche<br />

Last als Säule, sondern die seelische Last von Trauer. Eine Säule, eine Stütze von<br />

Gefühlen.<br />

Maria Magdalena! 15<br />

Jene Maria von Magdala, die Sünderin, der Christus sieben Teufel ausgetrieben hatte 16 , die<br />

seine Füße mit ihren Tränen netzte, mit ihrem Haar trocknete und salbte 17 , die dessen Kreuzigung<br />

von ferne miterlebte 18 und ihn als Erste, vor seinen Jüngern, als Auferstandenen sah 19<br />

11 John Porteous, Münzen, Geschichte und<br />

Bedeutung in Wirtschaft, Politik und Kultur,<br />

Frankfurt am Main 1969, S. 78<br />

12 Friedrich Wieland, aaO., S. 65<br />

13 Kommt das bekannt vor? !<br />

14 vgl. die Zeichnung von Wilhelm Baumann,<br />

in: Hermann Dallhammer, Das St.<br />

Gumbertus Stift: Ansbachs harter Kern im<br />

Mittelalter, in 1250 Jahre Ansbach , Aufsätze<br />

zur Stadtgeschichte, 1998, S. 21<br />

15 zit. nach Christina Ossowski in: <strong>Dietrich</strong> <strong>Klinge</strong>,<br />

Neue Skulpturen, Nouvelles Sculptures,<br />

Köln 2007, S. 10<br />

16 aaO., S. 10<br />

17 aaO., S. 10<br />

18 vg l. Alfred Meyerhuber in: <strong>Dietrich</strong> <strong>Klinge</strong>,<br />

Paar: Konstruktionen !, 2013, S. 92 ff.<br />

19 Lukas Kundert, in: <strong>Dietrich</strong> Kl inge, Tangere,<br />

Skulpturen im Kreuzgang des Basler Münsters,<br />

2014, S. 10

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