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Dietrich Klinge – Orte

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Gordian V<br />

Gordian V<br />

Die Krypta romanisch, das Gruftgewölbe gotisch, die Sarkophage aus der Zeit des Barock und<br />

Rokoko und draußen: Unsere Zeit.<br />

In dieser Zeit und an dem Ort des Eingangs in diese vergangene Welt der Toten steht ein<br />

bronzenes Mahnmal, ein massiger Wächter, so scheint es, mit nahezu zweieinhalb Metern<br />

Höhe: ‘Gordian V‘. Geschaffen im Jahr 2007.<br />

Es muss ein mächtiger Baum, fest und stark, mit weit ausladender blätterbekränzter Krone<br />

gewesen sein, aus dem der Corpus der sitzenden Figur mit einem gewaltigen, ja brutalen<br />

Eingriff geformt ist.<br />

Ein tiefer vertikaler Schnitt, den Stamm fast im Kern zerteilend, dann zwei horizontale, versetzte<br />

Schnitte evozieren den Körper einer sitzenden Gestalt.<br />

Die jetzt Bronze gewordene feste Rinde ist wie ein Schutzmantel um Schultern und Rü-cken<br />

gelegt und zeigt wie frisch das Holz gewesen sein muss, als es <strong>Dietrich</strong> <strong>Klinge</strong> bear-beitete.<br />

Ganz im Eigentlichen ist die Vorderfront von ‘Gordian V‘ eine einzige, klaffende Wunde.<br />

Das fein gezeichnete Gesicht, aus altem Holz mit Spuren der Zeit, nämlich Käferfraß, geschnitten,<br />

lässt jedoch keinen Schmerz erkennen, die Lippen scheinen zu lächeln und die<br />

Augen freundlich zu blicken. Der Kopf will wohl die Wunden seines Körpers vergessen machen?<br />

Ein schier unauflöslicher Gegensatz? Dann nicht unauflöslich, wenn die Formensprache des<br />

Künstlers gelesen und zu ihrem Aussagegehalt geführt wird.<br />

‘Gordian V‘ ist eine Transformation von Geschehnissen, ist ein Modell. Ein körperliches Modell<br />

aus gedanklichen Bildern entwickelt, ein Modell des zerstörerischen Umgangs des Menschen<br />

mit der Natur: Das lebende Wesen, der Baum – pars pro toto – wird seiner Existenz<br />

beraubt, wird getötet, gefällt.<br />

Die gewaltsamen und harten Einschnitte zerreißen, legen bloß, machen, in dem sie ver-letzen,<br />

noch mehr verletzlich. Und die Gestalt die geformt wird, ist nur scheinbar stark und<br />

Beschützer, ist selbst Verwundeter und der Hilfe bedürftig.<br />

Nur aus dem Größenverhältnis zwischen Plastik und Betrachter leitet dieser, wie ein Kind<br />

gegenüber einem Erwachsenen, ab, einen Helfer, einen Wächter vor sich zu haben. Statt<br />

die Botschaft der uns umgebenden Natur, formuliert durch <strong>Dietrich</strong> <strong>Klinge</strong>, zu sehen und zu<br />

vernehmen, dass nämlich diese scheinbar unzerstörbare Natur der Hilfe bedarf! Dringend!<br />

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