Blickpunkt Musical Despesche - Spamalot in Salzburg
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Interview<br />
<strong>Blickpunkt</strong><br />
musical: Sie s<strong>in</strong>d<br />
festes Ensemblemitglied des <strong>Salzburg</strong>er<br />
Landestheaters. War es da<br />
von vornhere<strong>in</strong> klar, dass Sie auch <strong>in</strong> den<br />
<strong>Musical</strong>s hier am Haus spielen?<br />
Marco Dott: Ja, seit e<strong>in</strong> paar Jahren. Ich<br />
habe schon <strong>Musical</strong> gespielt, bevor ich an dieses<br />
Haus kam, und hier habe ich bis jetzt »La Cage<br />
aux Folles«, »Annie« und »Im weißen Rössl«<br />
gespielt.<br />
blimu: Werden Sie vom jeweiligen Regisseur<br />
direkt für e<strong>in</strong>e bestimmte Rolle angefragt,<br />
oder können Sie sich aussuchen, wen<br />
Sie spielen wollen?<br />
MD: Ich werde für Rollen angefragt. Andreas<br />
Gergen, der bisher <strong>in</strong> den Produktionen der<br />
Regisseur war, hat immer schon im Kopf, wen<br />
er <strong>in</strong> welcher Rolle sehen will. Gebucht b<strong>in</strong> ich<br />
meist eh auf die komischen Rollen.<br />
blimu: Demnach liegt Ihnen das besonders?<br />
MD: Offensichtlich, obwohl ich mich lange<br />
dagegen gewehrt habe, denn jeder Schauspieler<br />
will immer das spielen, was er nicht angeboten<br />
bekommt. Jahrelang habe ich mich auf<br />
die ernsthaften Rollen beworben – was ich<br />
auch immer noch tue –, aber mittlerweile habe<br />
ich begriffen, dass Komik auch e<strong>in</strong>e besondere<br />
Fähigkeit ist und e<strong>in</strong> Pfund, mit dem man<br />
wuchern kann. Ich mache es gerne, aber nicht<br />
ausschließlich, denn manchmal möchte man<br />
auch etwas anderes spielen.<br />
blimu: Wie Sie schon sagten, muss e<strong>in</strong>em<br />
Komik liegen, dazu gehört auch e<strong>in</strong> gewisses<br />
Tim<strong>in</strong>g. Muss man dieses mitbr<strong>in</strong>gen oder<br />
kann man sich das während der Proben erarbeiten?<br />
MD: Beides! Ich glaube, es gibt <strong>in</strong> diesem<br />
Beruf D<strong>in</strong>ge, die kann man nicht erlernen, die<br />
muss man mitbr<strong>in</strong>gen, genauso gibt es aber<br />
auch genug, was man erlernen kann. Das Tim<strong>in</strong>g<br />
<strong>in</strong> der Komik ist Handwerk. Wenn man<br />
sich Charlie Chapl<strong>in</strong>, Buster Keaton oder Stan<br />
Laurel & Oliver Hardy anschaut, wie präzise<br />
die gearbeitet haben und wie kle<strong>in</strong> diese Zeitfenster<br />
<strong>in</strong> der Komik s<strong>in</strong>d, kann man da schon<br />
viel lernen. Aber das Talent sollte man schon<br />
mitbr<strong>in</strong>gen.<br />
blimu: Kannten Sie vorher die Filme von<br />
»Monty Python« und ist das Ihr Humor?<br />
MD: Ja, natürlich, ich kenne alle ihre Filme<br />
und den »Fly<strong>in</strong>g Circus«. Ich mag die Anarchie,<br />
die dah<strong>in</strong>ter steckt, diese unglaubliche geistige<br />
Freiheit. Das war etwas ganz Neues, komplett<br />
anderes und etwas, das sich von Konventionen<br />
befreit hat. Es hat etwas Anarchisches, e<strong>in</strong> unkalkulierbares<br />
Moment – anders als zum Beispiel<br />
Loriot, bei dem es ke<strong>in</strong>e Sekunde gibt, die<br />
nicht genau durchdacht ist. Bei den »Monty<br />
Python« dagegen gibt es immer noch e<strong>in</strong>en<br />
Moment von Wildheit, der nicht planbar ist,<br />
der das Ganze aber auch so großartig macht.<br />
blimu: Ist dieser Humor auch nach 40 Jahren<br />
noch passend bzw. kann man darüber<br />
heute noch lachen?<br />
MD: Wie alles, was wirklich gut ist, ist auch<br />
dieser Humor zeitlos, weil er handwerklich gut<br />
gemacht und zudem nicht nur e<strong>in</strong>em Zeitgeist<br />
verhaftet ist, sondern über sich selbst h<strong>in</strong>aus<br />
weist. Genauso wie Buster Keaton oder Stan<br />
Laurel & Oliver Hardy zeitlos s<strong>in</strong>d. Es gibt<br />
D<strong>in</strong>ge, die werden<br />
nicht alt.<br />
blimu: Kannten Sie<br />
das <strong>Musical</strong> schon<br />
vom Broadway oder<br />
anderen Inszenierungen?<br />
MD: Ja, ich habe<br />
die deutschsprachige<br />
Erstaufführung<br />
<strong>in</strong> Köln im <strong>Musical</strong><br />
Dome gesehen, weil<br />
e<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> von<br />
mir da mitgespielt<br />
hat, habe aber nur<br />
noch e<strong>in</strong>e sehr verwaschene<br />
Er<strong>in</strong>nerung daran. Woran ich mich<br />
er<strong>in</strong>nere, ist, dass es nicht richtig funktioniert<br />
hat. Das war ja damals e<strong>in</strong>e riesige Produktion<br />
mit viel Aufsehen schon alle<strong>in</strong>e dadurch, dass<br />
Alfred Biolek den Historiker spielte. Ich weiß<br />
nur, dass ich fand, dass die Show irgendwie<br />
nicht abgehoben hat und ich mich gewundert<br />
habe, als ich dann hier <strong>in</strong> <strong>Salzburg</strong> das Buch <strong>in</strong><br />
die Hände bekam, und dachte: »Das ist doch<br />
aber eigentlich gut.« Das liegt vor allem an der<br />
neuen Textfassung, die ich wirklich großartig<br />
f<strong>in</strong>de. Diese neue Adaption ist sprachlich sehr<br />
gut gemacht und die Witze funktionieren hier.<br />
Daniel Große Boymann kann mit der etwas<br />
sperrigen deutschen Sprache sehr gut umgehen.<br />
Da gibt es viele D<strong>in</strong>ge, die ich persönlich<br />
sehr mag – »amerikanisch oder gar nisch« –, die<br />
e<strong>in</strong>fach gut s<strong>in</strong>d und sehr leicht daherkommen.<br />
Die Kollegen <strong>in</strong> Köln haben mir e<strong>in</strong>fach nur<br />
leid getan, weil man merkte, dass die Übersetzung<br />
wie e<strong>in</strong>e Bleiente auf dem Stück lag.<br />
blimu: Sie haben ja e<strong>in</strong>e Palette an verschiedenen<br />
Rollen zu meistern: vom noch-nichttoten<br />
Fred über Pr<strong>in</strong>z Herbert, Französische<br />
Wache, Fahrender Sänger, Bruder Maynard<br />
zum »seriösen« Historiker. Welche Rolle be<strong>in</strong>haltet<br />
die größte Herausforderung?<br />
Wie alles, was wirklich<br />
gut ist, ist auch dieser<br />
Humor zeitlos, weil er<br />
handwerklich gut gemacht<br />
und zudem nicht<br />
nur e<strong>in</strong>em Zeitgeist verhaftet<br />
ist, sondern über<br />
sich selbst h<strong>in</strong>aus weist.<br />
MD: Erst e<strong>in</strong>mal ist die größte Herausforderung,<br />
wenn man so viele verschiedene Rollen<br />
spielt, dass man deutliche Skizzen zeichnen<br />
muss. Ich muss jeder Rolle mit dem Kostümwechsel<br />
e<strong>in</strong>e andere Stimme und e<strong>in</strong>e andere<br />
Körperlichkeit geben.<br />
Das ist ja alles jetzt nicht Str<strong>in</strong>dbergh. Man<br />
kann diese Rollen nicht durchpsychologisieren,<br />
sondern man muss sie zuerst e<strong>in</strong>mal deutlich<br />
vone<strong>in</strong>ander unterscheiden. Dazu muss ich<br />
mich fragen, welche Farbe gebe ich welcher<br />
Rolle, mit welchem P<strong>in</strong>sel arbeite ich.<br />
Pr<strong>in</strong>z Herbert ist besonders, weil er mehrere<br />
Szenen hat und man dadurch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Geschichte<br />
erzählen kann. Er ist aber auch sehr<br />
überzeichnet und spielt mit den schwulen Klischees.<br />
Da merkt man, dass das Stück schon<br />
älter ist. Trotzdem funktioniert dieses Klischee<br />
auf der Bühne nach<br />
wie vor gut, wie auch<br />
der Butler Jacob <strong>in</strong><br />
»La Cage aux Folles«.<br />
Das s<strong>in</strong>d sehr dankbare<br />
Rollen – »Abstauberrollen«.<br />
Wenn<br />
man das handwerklich<br />
gut macht, hat<br />
man beim Publikum<br />
gewonnen, denn die<br />
Leute lieben das.<br />
blimu: Wie schafft<br />
man es, auf der<br />
Bühne bei so e<strong>in</strong>em<br />
Stück selbst ernst zu<br />
bleiben?<br />
MD: Das ist nicht leichter oder schwieriger<br />
als <strong>in</strong> jedem anderen Stück. Der Reiz zu lachen<br />
ist <strong>in</strong> ernsten Stücken oftmals sogar größer, weil<br />
das Tabu noch größer ist. In e<strong>in</strong>er Komödie<br />
kann man schon mal eher lachen, das Publikum<br />
mag das sogar. Das geht natürlich nicht<br />
<strong>in</strong> »Don Carlos«. Man lacht ja nicht, weil das<br />
Stück so komisch ist, sondern über D<strong>in</strong>ge, die<br />
zwischendurch passieren. E<strong>in</strong>e Perücke sitzt<br />
schief oder e<strong>in</strong> Kollege hat den Satz verdreht<br />
und du denkst: »Was hast du da gerade gesagt?«<br />
blimu: Gibt es etwas Besonderes, was Sie<br />
sich erarbeitet haben, um dann wieder ernst<br />
zu werden?<br />
MD: Also, ich muss sagen, je älter ich werde,<br />
desto schlimmer wird das bei mir, dass ich auf<br />
der Bühne lachen muss, weil man sich auch<br />
selbst nicht mehr so furchtbar ernst nimmt.<br />
Als junger Schauspieler denkt man eher: so was<br />
geht nicht. Wird man älter, sieht man vieles gelassener<br />
und denkt: »Das ist hier ke<strong>in</strong>e Operation<br />
am offenen Herzen, es ist nur Theater.«<br />
Tatsächlich versuche ich durchzuatmen, um<br />
me<strong>in</strong> Zwerchfell wieder zu beruhigen. Am<br />
schlimmsten ist es, wenn es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Song<br />
blickpunkt musical <strong>Spamalot</strong><br />
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