Blickpunkt Musical Despesche - Spamalot in Salzburg
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Interview<br />
<strong>Blickpunkt</strong> musical: Wie kam<br />
es zu Ihrem Engagement <strong>in</strong> »Monty<br />
Python's <strong>Spamalot</strong>« hier am<br />
<strong>Salzburg</strong>er Landestheater?<br />
Marc Seitz: Andreas Gergen hat bei mir<br />
angefragt. An sich war wohl e<strong>in</strong> anderer Kollege<br />
vorgesehen für die Rolle und als das nicht<br />
zustande kam, hat er an mich gedacht. Zeitlich<br />
war das sehr kurzfristig und die sommerlichen<br />
Theaterferien waren nah, bis dah<strong>in</strong> musste alles<br />
geklärt se<strong>in</strong>. Ich habe mich gefreut, dass das<br />
geklappt hat. Generell gehe ich nicht mehr zu<br />
Auditions, aber wenn Andreas (Gergen) oder<br />
andere Regisseure, die ich mag und mit denen<br />
ich gerne arbeite, mich anfragen, weil ich für<br />
e<strong>in</strong>e Rolle gerade passe und das Team gut ist,<br />
dann fühle ich mich natürlich sehr geehrt. In<br />
erster L<strong>in</strong>ie unterrichte ich an der Hochschule<br />
Osnabrück Gesang, an der Musikschule Paul<br />
H<strong>in</strong>demith im studienvorbereitendem Jahr<br />
und privat. Desweiteren b<strong>in</strong> ich als Komponist<br />
tätig. Wenn aber so e<strong>in</strong> Angebot kommt<br />
und das zudem e<strong>in</strong>e tolle Rolle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em tollen<br />
Stück ist, mache ich das natürlich gerne.<br />
blimu: Weil das auch e<strong>in</strong>e Ablenkung von<br />
Ihrem sonstigen Berufsalltag darstellt?<br />
MS: Es ist nicht nur e<strong>in</strong>e Ablenkung, sondern<br />
es ist das, um was es auch im Unterrichten<br />
geht. Ich unterrichte das, was ich selbst immer<br />
noch praktisch selbst auf der Bühne ausführe.<br />
Me<strong>in</strong> Unterricht ist dadurch viel lebhafter und<br />
viel näher dran an dem, was die Studenten alles<br />
wissen wollen und sollen.<br />
blimu: Können Sie Ihre Vorlesungszeiten<br />
dann so legen, dass Sie ohne Probleme immer<br />
hier nach <strong>Salzburg</strong> zu den Vorstellungen<br />
kommen können?<br />
MS: Ja, obwohl das schon e<strong>in</strong> riesengroßer<br />
Aufwand ist, aber für gewisse Stücke und Projekte<br />
ist es das auch wert.<br />
blimu: Kannten Sie vorher die Filme von<br />
»Monty Python« und hatten e<strong>in</strong>en Bezug<br />
dazu?<br />
MS: Ja, ich kenne die Filme seit me<strong>in</strong>er<br />
K<strong>in</strong>dheit und habe das Stück am Broadway gesehen,<br />
also wusste ich schon, worauf ich mich<br />
da e<strong>in</strong>lasse. (lacht)<br />
blimu: F<strong>in</strong>den Sie diesen Humor auch nach<br />
40 Jahren noch passend bzw. kann man darüber<br />
heute noch lachen?<br />
MS: Dieser Humor ist zeitlos. Das Ganze<br />
wird auch noch <strong>in</strong> 40 Jahren lustig se<strong>in</strong>, weil es<br />
auf Sachverhältnissen beruht, die immer witzig<br />
s<strong>in</strong>d, weil sie re<strong>in</strong> menschlicher Natur s<strong>in</strong>d.<br />
blimu: Den englischen Humor <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere<br />
Sprache zu übersetzen ist kaum möglich.<br />
Da Sie die Inszenierung am Broadway<br />
gesehen haben, f<strong>in</strong>den Sie die neue deutsche<br />
Adaption von Daniel Große Boymann gelungen?<br />
MS: Ich f<strong>in</strong>de die jetzige Version sehr passend.<br />
Man muss so e<strong>in</strong> Stück, das immer mit<br />
e<strong>in</strong>em regionalen Geschmack an die Sache herangeht,<br />
wie das eben auch am Broadway war,<br />
gut adaptieren, anstatt es e<strong>in</strong>fach s<strong>in</strong>nlos direkt<br />
zu übersetzen. Ich habe gehört, dass <strong>in</strong> Köln<br />
zum Beispiel me<strong>in</strong>e Rolle des Rob<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />
»Broadway-Szene« genau e<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>s übersetzt<br />
war aus der Broadwayproduktion. Den Sachverhalt<br />
dar<strong>in</strong>, dass die Theater <strong>in</strong> New York und<br />
das ganze <strong>Musical</strong>- und Kunst-Bus<strong>in</strong>ess sehr<br />
jüdisch s<strong>in</strong>d, kennen<br />
die Menschen hierzulande<br />
überhaupt<br />
nicht. Darüber e<strong>in</strong>e<br />
ganze <strong>Musical</strong>nummer<br />
zu schreiben hat<br />
für hier null Witz<br />
und auch ke<strong>in</strong>en<br />
Charme. Das funktioniert<br />
am Broadway,<br />
weil die Zuschauer<br />
das dort so<br />
kennen und sie sich totlachen. Bei uns wirkt<br />
das fast schon antisemitisch, obwohl es das ja<br />
gar nicht ist. In Köln g<strong>in</strong>g die Rechnung daher<br />
nicht ganz auf und ich f<strong>in</strong>de unsere Übersetzung,<br />
so gesehen, entscheidend gelungener. In<br />
dieser wurde der Sachverhalt dah<strong>in</strong>gehend verändert,<br />
dass wir als Aufgabe haben »e<strong>in</strong> <strong>Musical</strong><br />
mit Erfolg <strong>in</strong> Österreich auf die Bühne br<strong>in</strong>gen<br />
zu müssen. Das ist aber aussichtslos, denn dafür<br />
müsste es vom Broadway se<strong>in</strong>, sonst <strong>in</strong>teressiert<br />
es hier ke<strong>in</strong>e Sau«. Das verstehen die<br />
Zuschauer hier und f<strong>in</strong>den es lustig, wie man<br />
an den Reaktionen im Publikum spürt.<br />
blimu: Sie schlüpfen <strong>in</strong> zwei verschiedene<br />
Rollen, nämlich Sir Rob<strong>in</strong> und Pr<strong>in</strong>z Herberts<br />
Wache. Die Szene mit Pr<strong>in</strong>z Herberts<br />
Wache ist wirklich urkomisch.<br />
MS: (lacht) Wir haben den Text dazu tatsächlich<br />
während der Proben jeden Tag m<strong>in</strong>destens<br />
20 Mal »runtergeleiert«, damit dieser<br />
irrs<strong>in</strong>nige Wortwechsel e<strong>in</strong>fach nur flüssig wird,<br />
weil es sehr schwer ist, e<strong>in</strong>en Dialog, der nur<br />
auf Missverständnissen beruht, so authentisch<br />
h<strong>in</strong>zukriegen, dass man diesen merkwürdigen<br />
Gedankenprozessen folgen kann. Das zu lernen<br />
ist echt schwer, weil die Szenen von »Monty<br />
Python« auf ke<strong>in</strong>e »Punch L<strong>in</strong>e« h<strong>in</strong>arbeiten,<br />
sie beruhen durchweg auf Missverständnissen<br />
oder auf e<strong>in</strong>em andauernden »Ane<strong>in</strong>andervorbei-reden«<br />
und das macht den Humor aus.<br />
blimu: Schwierig wird es wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
Man sagt nicht ohne<br />
Grund, dass Comedy das<br />
schwerste Genre ist <strong>in</strong><br />
unserem Geschäft.<br />
dann, wenn e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> diesen Dialogen den<br />
Satz verwechselt.<br />
MS: So ist es, und das ist uns wahns<strong>in</strong>nig oft<br />
passiert <strong>in</strong> den Proben. Darum haben wir diese<br />
Szene so häufig geprobt, weil wir alle gesagt<br />
haben: »Das darf uns nicht passieren«, denn bei<br />
e<strong>in</strong>em Fehler geht es nicht mehr weiter.<br />
blimu: Dazu kommt noch die wahns<strong>in</strong>nige<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>in</strong> den Dialogen.<br />
MS: Die Geschw<strong>in</strong>digkeit ist <strong>in</strong> der Comedy<br />
sehr wichtig, sonst wirkt es viel zu schwerfällig<br />
und nimmt die Energie nicht auf, die man<br />
braucht, um dem Zuschauer soweit voraus zu<br />
se<strong>in</strong>, dass dieser h<strong>in</strong>terherkommen muss und<br />
deshalb lacht.<br />
blimu: Wie können<br />
wir uns so e<strong>in</strong>en<br />
witzigen Dialog vorstellen?<br />
Reagieren<br />
Sie auf e<strong>in</strong> Stichwort<br />
<strong>in</strong> dem Satz, bevor<br />
Sie wieder antworten<br />
müssen? Oder<br />
hören Sie Ihrem<br />
Spielpartner schon<br />
sehr bewusst zu?<br />
MS: Ich höre zu – def<strong>in</strong>itiv –, ansonsten<br />
wirkt das alles überhaupt nicht. Das ist ja auch<br />
e<strong>in</strong>e gewisse Schauspieltechnik, dass man die<br />
ganze Zeit zuhört und DESHALB antwortet.<br />
blimu: Also ist Comedy Schwerstarbeit auf<br />
der Bühne?<br />
MS: Man sagt nicht ohne Grund, dass Comedy<br />
das schwerste Genre ist <strong>in</strong> unserem Geschäft.<br />
Es funktioniert nur, wenn man extrem<br />
präzise ist, wenn man ganz genau weiß, was<br />
man da tut und e<strong>in</strong> F<strong>in</strong>gerspitzengefühl hat<br />
für Nuancen, Intentionen und Tim<strong>in</strong>g, mit denen<br />
die Sachen geliefert werden müssen. Es ist<br />
wie S<strong>in</strong>gen und wehe du triffst die Töne nicht,<br />
dann kl<strong>in</strong>gt die Melodie nicht. Und genauso ist<br />
Comedy, man muss die Töne perfekt <strong>in</strong>tonieren,<br />
und so muss man auch die Sätze vom Inhalt<br />
und der Intuition perfekt <strong>in</strong>tonieren und<br />
vom Tim<strong>in</strong>g präzise setzen, sonst ist es nicht<br />
witzig. Comedy erfordert ebenso e<strong>in</strong> Talent wie<br />
Gesang und Tanz.<br />
blimu: Die komische Wirkung erreicht<br />
man nur, <strong>in</strong>dem man selbst gar nicht komisch<br />
ist, oder?<br />
MS: Ja, genau. Für mich war <strong>in</strong> den Proben<br />
besonders wichtig, dass ich die ganze Zeit<br />
über für »SIR Rob<strong>in</strong>« e<strong>in</strong>e britische Haltung<br />
e<strong>in</strong>nehme, die e<strong>in</strong>e gewisse Noblesse hat, um<br />
genau mit dieser Noblesse so e<strong>in</strong>en Nonsens zu<br />
blickpunkt musical <strong>Spamalot</strong><br />
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