Blickpunkt Musical Despesche - Spamalot in Salzburg
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Interview<br />
dann kurz und dann ist es auch wieder gut.<br />
blimu: Wie war die Arbeit mit Regisseur<br />
Andreas Gergen? Gab es viele Freiheiten, was<br />
die Ausarbeitung der Charaktere betrifft,<br />
oder eher strenge Vorgaben, um möglichst<br />
nahe am Film zu bleiben?<br />
Julian Looman als Dennis Galahad (2.v.r.)<br />
JL: Andreas kenne ich ja schon länger. Die<br />
Arbeit war sehr entspannt, offen und lustig.<br />
Se<strong>in</strong>e große Idee war, im Unterschied zu den<br />
Aufführungen im West End und am Broadway,<br />
dass Pia und ich die Nibelungen auf diesem<br />
Schwan darstellen sollen. Da war es auch logistisch<br />
schwierig, zu entscheiden, wann drehen<br />
wir um, und so weiter. Wir spielten dann e<strong>in</strong>fach<br />
diese Nummer und währenddessen stellten<br />
wir fest, was lustig ist und was nicht. Zum<br />
Beispiel hielt ich das Schwert e<strong>in</strong>e ganze Zeit<br />
lang hoch, f<strong>in</strong>g an zu zittern und Andreas sagte:<br />
»Ja, das ist lustig. Zitter mehr!« Dann musst du<br />
das Schwert aber irgendwann auch wieder ablegen<br />
und du überlegst: »Wo?« Das alles muss<br />
gesetzt se<strong>in</strong> und <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander greifen, das ist sehr<br />
wichtig. Wenn es nicht <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander greift, dann<br />
ist das Ganze gleich wieder weniger lustig. Das<br />
hat mit Tim<strong>in</strong>g und mit Rhythmik <strong>in</strong>nerhalb<br />
der Szene zu tun. E<strong>in</strong> Problem ist zum Beispiel<br />
auch diese Hubbühne, weil du schon vor dem<br />
Song vom Publikum gesehen wirst. Damit<br />
muss man dann was machen. Ich kann nicht<br />
rausfahren und warten, bis es anfängt, sondern<br />
ich muss mit dem spielen, was ich <strong>in</strong> diesem<br />
Moment habe. Authentizität ist sehr wichtig.<br />
Man muss e<strong>in</strong>e Rolle ernst nehmen, sich »re<strong>in</strong>schmeißen«<br />
und es e<strong>in</strong>fach machen. Aber man<br />
muss immer man selbst se<strong>in</strong>. Wenn du e<strong>in</strong>e lustige<br />
Seite hast, dann hast du auch e<strong>in</strong>e traurige.<br />
Ich mag diese Vielseitigkeit sehr gerne. Das<br />
E<strong>in</strong>fachste ist oft das, was am weitesten von<br />
e<strong>in</strong>em selbst entfernt ist, f<strong>in</strong>de ich: Ich habe vor<br />
kurzem e<strong>in</strong>en deutschen Nazigeneral der SS <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Film <strong>in</strong> Holland gespielt. Das war e<strong>in</strong>erseits<br />
sehr <strong>in</strong>teressant, aber andererseits auch<br />
sehr spannend zu spielen, weil es etwas komplett<br />
anderes ist. Gerade wenn e<strong>in</strong> Charakter so<br />
weit von der eigenen Person entfernt ist, kann<br />
man sich da total<br />
»re<strong>in</strong>schmeißen«. Alles,<br />
was sehr nah an<br />
e<strong>in</strong>em selbst ist, ist<br />
sehr persönlich, und<br />
man br<strong>in</strong>gt dann<br />
auch sehr viel von<br />
sich mit e<strong>in</strong>. Neben<br />
der Authentizität<br />
ist auch die Uneitelkeit<br />
sehr wichtig.<br />
Die Eitelkeit ist der<br />
größte Fe<strong>in</strong>d der<br />
Komödie. Wenn ich<br />
als Schauspieler sage:<br />
»Ich will lustig se<strong>in</strong><br />
und trotzdem gut<br />
ausschauen«, dann<br />
ist es sofort nicht<br />
mehr lustig und wird<br />
schnell pe<strong>in</strong>lich.<br />
Mut zur Hässlichkeit<br />
und sich selbst nicht so wichtig nehmen,<br />
das ist entscheidend und gilt genauso auch für<br />
schwerere Stücke.<br />
blimu: Comedy funktioniert nur durch gutes<br />
Tim<strong>in</strong>g. Kann man das lernen oder muss<br />
man e<strong>in</strong> gewisses Talent dafür bereits besitzen?<br />
Comedy ist e<strong>in</strong>e sehr<br />
präzise Arbeit. Jeder Blick<br />
macht e<strong>in</strong>en riesigen<br />
Unterschied, man baut<br />
darauf auf. Zu Beg<strong>in</strong>n<br />
hast du immer mal kle<strong>in</strong>e<br />
Lacher und zum Schluss<br />
dann den Riesenlacher.<br />
Und das möchte man erreichen.<br />
JL: Es gibt alles: Es gibt grundlustige Menschen,<br />
die gar nicht wissen, weshalb sie lustig<br />
s<strong>in</strong>d, die dann auch <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktiv e<strong>in</strong> besseres<br />
Tim<strong>in</strong>g haben. Man kann es bis zu e<strong>in</strong>em gewissen<br />
Grad auch lernen, es wird aber immer<br />
e<strong>in</strong> bisschen hölzern se<strong>in</strong>. Die meisten Menschen,<br />
die auf der Bühne lustig s<strong>in</strong>d, haben, wie<br />
ich festgestellt habe, auch privat e<strong>in</strong>en gewissen<br />
Humor. Es gibt auch Kollegen, die etwas weniger<br />
»humorbegabt« s<strong>in</strong>d und das Tim<strong>in</strong>g weniger<br />
spüren – diese gehen dann anders an die<br />
Sache heran und brauchen klare Anweisungen.<br />
Ich er<strong>in</strong>nere mich sehr gerne an me<strong>in</strong>en allerersten<br />
Job im Kabarett Simpl <strong>in</strong> Wien – das ist so<br />
ähnlich wie Schmidts Tivoli <strong>in</strong> Hamburg – wo<br />
die ganzen großen Kabarettisten Wiens gespielt<br />
haben. Man spielt dort auch viele unterschiedliche<br />
Rollen und Sketche. An diesem Ort hatte<br />
ich me<strong>in</strong>en ersten Job mit Werner Sobotka,<br />
dem K<strong>in</strong>g of Comedy <strong>in</strong> Österreich. Ich habe<br />
da e<strong>in</strong>e Persiflage auf Arm<strong>in</strong> Ass<strong>in</strong>ger <strong>in</strong> »Die<br />
Millionenshow« gespielt, das heißt <strong>in</strong> Deutschland,<br />
glaube ich: »Wer wird Millionär?« Ich<br />
b<strong>in</strong> auf die Bühne gekommen und habe mich<br />
gefragt: »Warum lachen die Leute nicht?« Werner<br />
Sobotka sagte dann zu mir: »Du musst erst<br />
<strong>in</strong>s Publikum schauen.« Als ich fragte: »Warum?«,<br />
sagte er nur: »Mach's e<strong>in</strong>fach.« Und ich<br />
g<strong>in</strong>g raus, schaute <strong>in</strong>s Publikum und die Leute<br />
lachten. Ich fragte ihn dann, weshalb das so ist,<br />
und er sagte: »Die Leute müssen sehen, dass du<br />
der Arm<strong>in</strong> Ass<strong>in</strong>ger bist.« Daraus habe ich viel<br />
gelernt. Man muss dem Publikum die Chance<br />
geben, sehen zu können, wer man ist. Comedy<br />
ist e<strong>in</strong>e sehr präzise Arbeit. Jeder Blick macht<br />
e<strong>in</strong>en riesigen Unterschied,<br />
man baut<br />
darauf auf. Zu Beg<strong>in</strong>n<br />
hast du immer<br />
mal kle<strong>in</strong>e Lacher<br />
und zum Schluss<br />
dann den Riesenlacher.<br />
Und das möchte<br />
man erreichen.<br />
Wenn du e<strong>in</strong> Haus<br />
baust und e<strong>in</strong>en<br />
Ziegelste<strong>in</strong> vergisst,<br />
wird das Dach nie<br />
richtig halten. Und<br />
genauso ist es hier<br />
auch. Ich merke zum<br />
Beispiel, wenn ich<br />
bei Dennis Galahad<br />
etwas auslasse oder<br />
mir etwas weniger<br />
gel<strong>in</strong>gt, dass dann<br />
zum Schluss die letzte<br />
Po<strong>in</strong>te viel weniger lustig ist. Letzten Endes<br />
entscheidet der Regisseur, was funktioniert.<br />
Man selbst hat natürlich auch e<strong>in</strong> Gespür dafür,<br />
aber wenn man mit e<strong>in</strong>em Regisseur arbeiten<br />
kann, der e<strong>in</strong>en ausprobieren lässt, dann<br />
greift e<strong>in</strong>s <strong>in</strong>s andere.<br />
blickpunkt musical <strong>Spamalot</strong> 55