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Fast die Hälfte der insgesamt<br />
128 in Vorarlberg ansässigen<br />
Zimmerei-Betriebe stammen<br />
aus dem Bregenzerwald. Holz ist eine<br />
der reichen, ständig nachwachsenden<br />
Ressourcen in Vorarlberg.<br />
Es scheint also naheliegend, dass<br />
Ingo Lang Tischler wurde. Obwohl er<br />
das zunächst gar nicht wollte.<br />
Sein Großvater hatte Holzräder für<br />
Fuhrwerke hergestellt, sein Vater arbeitete<br />
in einer Tischlerei. Eigentlich<br />
konnte Ingo keinen anderen Beruf<br />
ergreifen, als irgendwas mit Holz zu<br />
machen. Doch damals hatte er Sorge,<br />
nach einer Nullachtfünfzehn-Ausbildung<br />
in einem x-beliebigen Industriebetrieb<br />
zu landen. »Das wäre nichts<br />
für mich gewesen«, sagt er heute mit<br />
ruhiger Stimme. Etwas Kreatives<br />
musste es sein. Etwas, wo Handwerk,<br />
Holz und vielleicht sogar ein bisschen<br />
Kunst zusammenfinden.<br />
kantem Bregenzerwälder Dialekt.<br />
Er nahm Unterricht bei Kunstmaler<br />
Christian Ludwig Attersee, schuf<br />
Skulpturen, schnitzte Akte aus den<br />
unterschiedlichsten Holz-Arten.<br />
»Hier fand ich, wonach ich suchte.«<br />
Trotzdem ging er vor Vollendung<br />
seiner Ausbildung fort von dort. Die<br />
Salzburger Festspiele lockten mit<br />
einem Angebot als Bühnenbildhauer.<br />
»Ich war damals zum ersten Mal am<br />
Theater, und ich war sofort angezogen.«<br />
Denn auch hier ging es um<br />
Skulpturen und Formen, wenn auch<br />
in größeren Dimensionen. Vor allem<br />
aber: Der Holzanteil am Opern-Kulissenbau<br />
ist hoch, durchschnittlich<br />
zur Hälfte bestehen Bühnenbilder<br />
aus dem traditionellen Werkstoff.<br />
Die anderen Materialien sind Stahl,<br />
Kunststoff und Textilien. Ingo blieb<br />
also seinem Metier Holz treu und<br />
konnte dennoch Neuland betreten.<br />
Jede Opern-Kulisse ist neu – neu erdacht,<br />
neu geplant, neu erbaut – und<br />
das genaue Gegenteil von industrieller<br />
Serienfertigung. »Das bedeutet<br />
jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung,<br />
mein kreatives inneres Ich<br />
wird dabei angesprochen. Wie beim<br />
Holzschnitzen«, erläutert Ingo. Das<br />
skulpturale Denken, das Planen in<br />
der dritten Dimension und nicht nur<br />
in Millimetern, Bauplänen und rechten<br />
Winkeln kommt ihm zugute. »Ich<br />
stelle mir vor, wie das Bühnenbild in<br />
seiner Gesamtheit wirken soll, wie die<br />
einzelnen Teile am besten zueinander<br />
passen. Danach lege ich die Fertigung<br />
aus, und nicht umgekehrt.« Ingo lässt<br />
eine Art Mosaik der architektonischen<br />
Körper entstehen.<br />
1990 startete Ingo bei den Bregenzer<br />
Festspielen, zunächst als Techniker<br />
im Kulissenbau. Seit 2007 leitet<br />
er die Tischlerei des Kulturunterneh-<br />
DER TRAUM-SCHNITZER<br />
Augenscheinlich erfüllt der 1969<br />
geborene »Wälder-Bub« kein Handwerker-Klischee:<br />
keine blaue Arbeits-Latzhose,<br />
keine mit Werkzeug<br />
vollgestopften Hüfttaschen, keine<br />
industrienormkonforme Schutzbrille,<br />
die in der Brusttasche eines<br />
Karohemds steckt. Ingo ist nonkonform.<br />
Das sieht man, das spürt man.<br />
Ein ausgewaschener Kapuzenpulli<br />
verhüllt seinen schlanken Oberkörper,<br />
an seinen drahtigen Beinen<br />
schlabbern Bluejeans. In den ersten<br />
Berufsjahren trug er sein Haar in<br />
Hippie-Länge.<br />
Für die berühmte Tiroler Bildhauerschule<br />
Elbigenalp schaffte er 1984<br />
die Aufnahmeprüfung. »Ein Traum<br />
ging in Erfüllung«, sagt Ingo in mar-<br />
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