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Thomas Larcher hat im<br />
Auftrag der Bregenzer<br />
Festspiele die Oper<br />
Das Jagdgewehr komponiert.<br />
Das Libretto<br />
stammt von Friederike<br />
Gösweiner.<br />
Der Komponist und die<br />
Autorin erzählen von<br />
ihrer Zusammenarbeit,<br />
vom Zusammenspiel von<br />
Text und Musik, vom<br />
dramatischen Potenzial<br />
einer lyrischen Prosavorlage<br />
und von der<br />
Bewunderung für die<br />
»tiefe Einsicht eines<br />
Dichters«.<br />
Yasushi Inoues Novelle Das<br />
Jagdgewehr handelt zunächst<br />
von einem Schriftsteller,<br />
der ein Gedicht über einen<br />
Jäger verfasst, dem er flüchtig begegnet<br />
ist. Wochen nach Erscheinen<br />
des Gedichts in einer Zeitschrift<br />
meldet sich ein Mann namens<br />
Josuke Misugi bei ihm, der sich in<br />
den Versen wiedererkannt hat. Um<br />
sich dem Autor näher mitzuteilen,<br />
schickt er ihm drei Briefe mit: von<br />
seiner Nichte, seiner Geliebten und<br />
seiner Ehefrau.<br />
Diese Briefe nehmen fast den<br />
ganzen Umfang des Buchs ein. Es<br />
sind die Abschiedsworte dreier<br />
Frauen: Shoko, die Nichte, hat vom<br />
Verhältnis ihrer Mutter mit Josuke<br />
erfahren, und sie beklagt sich nun<br />
über die Geheimnisse und Lügen der<br />
Erwachsenenwelt. Ein weiterer Brief<br />
ist von ihrer Mutter selbst, Saiko. Sie<br />
kündigt darin ihren Selbstmord an,<br />
weil ihr Liebesverhältnis zum Mann<br />
ihrer Cousine Midori aufgeflogen<br />
ist. Midori wiederum bittet um die<br />
Scheidung. Sie erzählt von ihrem<br />
Umgang mit einer Affäre, von der sie<br />
von Anfang an gewusst hat. Die Konflikte<br />
des Textes sind sehr verhalten<br />
geschildert. Es gibt wenige direkte<br />
Begegnungen zwischen den Figuren.<br />
Die ganze Tragik dreier Leben verdichtet<br />
sich erst nachträglich in den<br />
Briefzeilen.<br />
WIE EIN VIELSCHICHTIGER<br />
HIMMEL<br />
»Der gehaltene, ruhige Ton des<br />
Buches hat einen besonderen Reiz«,<br />
so Friederike Gösweiner. »Die<br />
ganze Erzählung arbeitet mit einer<br />
schlichten Sprache, zugleich mit<br />
starken Bildern, mit Vergleichen,<br />
in denen die Gemütszustände der<br />
Frauen plastisch werden und die<br />
zeigen, wie intensiv die Figuren<br />
empfinden.« »Das ist ein hochdramatischer<br />
Stoff«, ergänzt Thomas<br />
Larcher. »Bei den Figuren geht es ja<br />
wirklich um Leben und Tod.«<br />
Er habe sich für die Oper einen<br />
klaren, verständlichen Text<br />
gewünscht, dem man gut folgen<br />
könne. »In zeitgenössischen Opern<br />
passiert es oft, dass das Libretto<br />
ähnlich abstrakt ist wie die Musik.<br />
Als Zuhörer und auch als Interpret<br />
hat man dann nichts mehr, woran<br />
man sich festhalten kann. Friederike<br />
hat nah am Buch gearbeitet. Ihr<br />
Libretto verwendet seine Sprache.<br />
Es filtert aus den vielen Prosaseiten<br />
ohne Umweg das ganze dramatische<br />
und lyrische Potenzial heraus,<br />
das darin steckt.« Diese Eindeutigkeit<br />
gebe ihm beim Komponieren<br />
einen starken Halt. »Der Text ist<br />
wie ein Magnet, ein fixer Punkt, um<br />
den herum ich meine Musik baue.«<br />
Er arbeite mit wiedererkennba-<br />
DAS JAGDGEWEHR<br />
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