Nicht nur einfach draufhauen - fraulich Online
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Eine Wohnung zu klein für zwei<br />
Trotzdem: Im ersten halben Jahr war ich mehr als<br />
hundert Mal soweit, Kara eigenhängig ins Tierheim<br />
zu bringen. Sie pieselte auf den Teppich, zerkratze<br />
das neue Sofa und schmiss die Glasvase vom<br />
Regal. Jedes Mal, wenn ich einen Raum betrat,<br />
ging sie. Nein. Sie schritt hinfort. Der Versuch, sie<br />
loszuwerden, scheiterte allein daran, dass ich sie in<br />
einer sehr schwachen Minute nicht unter dem<br />
Kleiderschrank erwischen konnte.Würde sie reden<br />
können, hätte sie gesagt: „Die Wohnung ist zu<br />
klein für uns beide, Baby!“ Okay, also auf die harte<br />
Tour. Ich ignorierte sie (Katzenratgeber: „Geben<br />
Sie ihrem neuen Hausbewohner Zeit“). Sie ignorierte<br />
mich. Ich starrte sie an („Nehmen Sie<br />
Blickkontakt auf“). Sie starrte zurück. Ich rauchte<br />
die Friedenspfeife und streichelte sie („Stellen Sie<br />
vorsichtig Körperkontakt her.“). Die Pfeife rauchte<br />
ich alleine. Sie war empört! Nie werde ich die<br />
Kommentare von Freunden, Bekannten und<br />
Kollegen vergessen, die meine in Streifen gekratzten<br />
Arme in dieser Zeit begutachteten. „Aha, eine<br />
Katze hast du? Ich steh ja mehr auf Hunde.“ „Du<br />
musst sie richtig erziehen!“ „Lies doch mal einen<br />
Katzenratgeber.“… Danke schön!<br />
Die Ruhe, die Größe und der Instinkt<br />
Und dann? Eines Tages lag Tiger auf meinem<br />
Bett. Ich konnte nicht widerstehen. Zögerliches<br />
Streicheln. Es sch<strong>nur</strong>rte aus dem Fell.Waffenstillstand!<br />
Die folgende Annäherungszeit war zaghaft,<br />
mitnichten ein Feuerwerk der Gefühle. Kara<br />
bestimmte den Rhythmus der Annäherungen, ich<br />
passte mich demütig an. Jetzt, fünf Jahre nach<br />
unserem ersten Zusammentreffen, hänge ich an<br />
diesem Vieh. Manchmal habe ich den Eindruck,<br />
auch sie ist nicht ganz abgeneigt. Ich muss mit ihr<br />
nicht Gassi gehen – was meinem bewegungsresistenten<br />
Temperament sehr entgegen kommt. Ich<br />
kann in Ruhe ein Buch lesen – sie bellt nicht. Sie<br />
quatscht mich in der Frühe nicht voll – ich bin ein<br />
ausgesprochener Morgenmuffel. Sie ist groß genug,<br />
um nicht versehentlich draufzutreten. Wenn<br />
sie sich geschmeidig im Sonnenlicht streckt, sich in<br />
meine Armmulde kuschelt und wie ein kleiner<br />
Heizofen auch in kältesten Nächten Wärme ausstrahlt,<br />
dann ist für mich die Welt in Ordnung.<br />
Kurt Tucholsky war der Ansicht, dass die Katze das<br />
einzige vierbeinige Tier sei, das dem Menschen<br />
eingeredet habe, er müsse es erhalten, es brauche<br />
dafür aber nichts zu tun. Ob er damit Recht hat?<br />
Stecken Sie im Kopf einer Katze? Mich jedenfalls<br />
plagen in meinen vier Wänden keine Fliegen,<br />
Mücken oder Spinnen mehr. Selbst die faulste<br />
Katze kann sich dem Jagdfieber nicht entziehen.<br />
Schnell, zielsicher, elegant: ökonomischer geht es<br />
nicht.<br />
Ich muss schließen – Tiger hat Hunger…<br />
Die tierische Geschichte 21