Nicht nur einfach draufhauen - fraulich Online
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Waren das Zeiten, als es <strong>nur</strong> drei öffentlich-rechtliche<br />
Fernsehprogramme gab. Da saß man gemeinsam<br />
entspannt auf dem Sofa und schaute<br />
Hänschen Rosenthal beim Hüpfen oder Rudi<br />
Carrell beim Laufenden Band zu. Die ganze<br />
Familie friedlich vereint in den seichten Niederungen<br />
der harmlosen Samstagabend-Show.<br />
Garantiert jugendfrei! Streit gab es höchstens dann<br />
mal, wenn Papa Sportstudio und die Kinder<br />
Bonanza oder Raumschiff Enterprise schauen<br />
wollten. Das lief nämlich leider parallel.<br />
Zum Umschalten musste man aufstehen. Und im<br />
Abendprogramm gab es keine Werbung. Mit dem<br />
Einzug des technischen Fortschritts und den zahllosen<br />
Fernsehkanälen war jedoch Schluss mit<br />
lustig. Und Schluss mit der abendlichen Harmonie<br />
beim Programmkonsum. Die gab es nämlich<br />
plötzlich nicht mehr.<br />
Die Schuld daran liegt einzig und allein <strong>nur</strong> an<br />
einem Objekt: der Fernbedienung. Dieses harmlose,<br />
flache, unscheinbar daherkommende technische<br />
Hilfsmittel zerstörte auf Dauer die Feierabendharmonie.<br />
Die menschliche Evolution reagierte<br />
übrigens prompt auf das Erscheinen der Fernbedienung,<br />
und zwar mit dem Hervorbringen einer<br />
neuen Spezies: den Couch-Potatoes – zu deutsch:<br />
Sofa-Kartoffeln. Und diese Bezeichnung ist nicht<br />
einmal unpassend. Plötzlich musste man nicht<br />
mehr aufstehen, um Programm oder Lautstärke<br />
per Knopfdruck oder Knopfdreh zu verändern –<br />
man konnte <strong>einfach</strong> sitzen bleiben und die<br />
Knöpfchen auf der Fernbedienung drücken.<br />
Stundenlang. Tagelang. Eben so lange, wie eine<br />
Kartoffel zum Keimen braucht.<br />
Das ist der eine furchtbare Aspekt der Fernbedienung:<br />
selbst gewählte Katatonie. Die andere,<br />
schreckliche Wahrheit ist, dass weibliches und<br />
männliches Fernsehverhalten nicht in Einklang zu<br />
bringen sind. Sie waren es wahrscheinlich nie, <strong>nur</strong><br />
ist das vorher mangels Möglichkeiten nicht aufgefallen.<br />
Frauen sind treu: ihren Sendeplätzen, ihren<br />
Sendern, ihren Lieblingsserien. Ob Desperate<br />
Housewives oder Daily Soap: Frau kennt die Sender<br />
und die Sendezeiten, strukturiert ihren Tagesablauf<br />
um wichtige Sendungen herum und hält<br />
von Anfang bis Ende durch. Sogar einer Rosamunde-Pilcher-Verfilmung,<br />
deren Konsum sich<br />
wegen des extremen Schmalzgehaltes ungünstig<br />
auf die Blutfettwerte auswirken kann, folgt sie tapfer<br />
bis zum Abspann. Bei Männern ist das ganz<br />
anders: 10 Minuten ohne Hand an der Fernbedienung,<br />
ohne Finger auf den Knöpfchen, machen sie<br />
nervös. Rauf- und runterschalten – wer braucht<br />
schon Programmzeitschriften – je schneller, je lieber.<br />
Die blöden Zahlentasten braucht Mann übrigens<br />
auch nicht. Das hieße ja, gezielt ein Programm<br />
anzusteuern. Nein, im Grunde reicht es, unablässig<br />
die Kanäle zu wechseln. Bei Werbung wird sowieso<br />
umgeschaltet, davor scheinen Männer regelrecht<br />
Angst zu haben. Frauen nutzen die Werbepausen zu<br />
etwas Sinnvollem, Männer zappen sie <strong>einfach</strong> weg.<br />
Und zappen und zappen und zappen: Krimi, 20<br />
Sekunden, langweilig – Telekolleg Algebra, 3 Sekunden,<br />
war ein Versehen – asiatische Meisterschaften<br />
im Hallendart, 5 Minuten, ist ja immerhin<br />
so eine Art Sport – Sabine Christiansens Polittalk,<br />
2 Minuten, „die Alte kann ich nicht ertragen –<br />
und: Aaaah, endlich, Fußballländerspiel“. Da wird<br />
<strong>nur</strong> während der Halbzeitpause gezappt. Aber<br />
pünktlich wieder zurück.<br />
Männer brauchen den schnellen Bild- und<br />
Themenwechsel (außer bei Sportübertragungen)<br />
ganz offensichtlich, um sich wohl zu fühlen. Sich<br />
an schnell wechselnden, zusammenhanglosen, bunten<br />
Bildern zu berauschen – ein legaler LSD-Trip?<br />
Nur: richtig genießen können sie den Trip ins<br />
bunte Bilder-Nirwana eher selten. Irgendwann<br />
wird ihnen mit sanfter Hand von der genervten<br />
Gattin die arg strapazierte Fernbedienung aus der<br />
schweißnassen Faust herausgedreht. Die Strafe folgt<br />
auf dem Fuße: 90 Minuten Rosamunde Pilcher.<br />
Ohne Umschalten.<br />
Typisch Mann 27