26 Typisch Mann Text: Stefanie Neumann Zappen, bis der Arzt kommt Oder: Der Geschlechterkampf um die Fernbedienungshoheit
Waren das Zeiten, als es <strong>nur</strong> drei öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme gab. Da saß man gemeinsam entspannt auf dem Sofa und schaute Hänschen Rosenthal beim Hüpfen oder Rudi Carrell beim Laufenden Band zu. Die ganze Familie friedlich vereint in den seichten Niederungen der harmlosen Samstagabend-Show. Garantiert jugendfrei! Streit gab es höchstens dann mal, wenn Papa Sportstudio und die Kinder Bonanza oder Raumschiff Enterprise schauen wollten. Das lief nämlich leider parallel. Zum Umschalten musste man aufstehen. Und im Abendprogramm gab es keine Werbung. Mit dem Einzug des technischen Fortschritts und den zahllosen Fernsehkanälen war jedoch Schluss mit lustig. Und Schluss mit der abendlichen Harmonie beim Programmkonsum. Die gab es nämlich plötzlich nicht mehr. Die Schuld daran liegt einzig und allein <strong>nur</strong> an einem Objekt: der Fernbedienung. Dieses harmlose, flache, unscheinbar daherkommende technische Hilfsmittel zerstörte auf Dauer die Feierabendharmonie. Die menschliche Evolution reagierte übrigens prompt auf das Erscheinen der Fernbedienung, und zwar mit dem Hervorbringen einer neuen Spezies: den Couch-Potatoes – zu deutsch: Sofa-Kartoffeln. Und diese Bezeichnung ist nicht einmal unpassend. Plötzlich musste man nicht mehr aufstehen, um Programm oder Lautstärke per Knopfdruck oder Knopfdreh zu verändern – man konnte <strong>einfach</strong> sitzen bleiben und die Knöpfchen auf der Fernbedienung drücken. Stundenlang. Tagelang. Eben so lange, wie eine Kartoffel zum Keimen braucht. Das ist der eine furchtbare Aspekt der Fernbedienung: selbst gewählte Katatonie. Die andere, schreckliche Wahrheit ist, dass weibliches und männliches Fernsehverhalten nicht in Einklang zu bringen sind. Sie waren es wahrscheinlich nie, <strong>nur</strong> ist das vorher mangels Möglichkeiten nicht aufgefallen. Frauen sind treu: ihren Sendeplätzen, ihren Sendern, ihren Lieblingsserien. Ob Desperate Housewives oder Daily Soap: Frau kennt die Sender und die Sendezeiten, strukturiert ihren Tagesablauf um wichtige Sendungen herum und hält von Anfang bis Ende durch. Sogar einer Rosamunde-Pilcher-Verfilmung, deren Konsum sich wegen des extremen Schmalzgehaltes ungünstig auf die Blutfettwerte auswirken kann, folgt sie tapfer bis zum Abspann. Bei Männern ist das ganz anders: 10 Minuten ohne Hand an der Fernbedienung, ohne Finger auf den Knöpfchen, machen sie nervös. Rauf- und runterschalten – wer braucht schon Programmzeitschriften – je schneller, je lieber. Die blöden Zahlentasten braucht Mann übrigens auch nicht. Das hieße ja, gezielt ein Programm anzusteuern. Nein, im Grunde reicht es, unablässig die Kanäle zu wechseln. Bei Werbung wird sowieso umgeschaltet, davor scheinen Männer regelrecht Angst zu haben. Frauen nutzen die Werbepausen zu etwas Sinnvollem, Männer zappen sie <strong>einfach</strong> weg. Und zappen und zappen und zappen: Krimi, 20 Sekunden, langweilig – Telekolleg Algebra, 3 Sekunden, war ein Versehen – asiatische Meisterschaften im Hallendart, 5 Minuten, ist ja immerhin so eine Art Sport – Sabine Christiansens Polittalk, 2 Minuten, „die Alte kann ich nicht ertragen – und: Aaaah, endlich, Fußballländerspiel“. Da wird <strong>nur</strong> während der Halbzeitpause gezappt. Aber pünktlich wieder zurück. Männer brauchen den schnellen Bild- und Themenwechsel (außer bei Sportübertragungen) ganz offensichtlich, um sich wohl zu fühlen. Sich an schnell wechselnden, zusammenhanglosen, bunten Bildern zu berauschen – ein legaler LSD-Trip? Nur: richtig genießen können sie den Trip ins bunte Bilder-Nirwana eher selten. Irgendwann wird ihnen mit sanfter Hand von der genervten Gattin die arg strapazierte Fernbedienung aus der schweißnassen Faust herausgedreht. Die Strafe folgt auf dem Fuße: 90 Minuten Rosamunde Pilcher. Ohne Umschalten. Typisch Mann 27