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Nicht nur einfach draufhauen - fraulich Online

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„Gewerbsmäßige Ausübung sexueller Handlungen“<br />

heißt es lapidar im Lexikon unter dem<br />

Stichwort Prostitution. Aber: Prostitution ist nicht<br />

gleich Prostitution. „Es gibt Frauen, die machen<br />

den Job freiwillig. Die meisten steigen allerdings<br />

ein, weil sie keinen anderen Ausweg sehen.<br />

Besonders sorgen wir uns um Kinder und<br />

Jugendliche, drogenabhängige Prostituierte und<br />

Opfer von Menschenhandel“, so Jutta Geißler-<br />

Hehlke, Leiterin der Mitternachtsmission e.V., der<br />

Dortmunder Beratungsstelle für Prostituierte und<br />

Opfer von Menschenhandel.<br />

Seitdem der Verein 1918 gegründet wurde, beraten<br />

und betreuen Mitarbeiterinnen Frauen in den<br />

unterschiedlichsten Prostitutionsbereichen. Ganz<br />

handfest heißt das u.a. zuhören, Unterschlupf<br />

bereitstellen, in juristischen Auseinandersetzungen<br />

gegen Peiniger beistehen, Kontakte zu Ämtern<br />

erleichtern sowie über Geschlechtskrankheiten<br />

aufklären. Seit ca. 20 Jahren kommt der Kampf für<br />

die sozialrechtliche Gleichstellung und gegen die<br />

Kriminalisierung und Ausgrenzung von Prostituierten<br />

hinzu. Eine enorme Bandbreite für den<br />

kleinen Verein. Immer wieder stoßen die Mitarbeiterinnen<br />

an Grenzen, weil Geld fehlt. Die<br />

Zahl der Prostituierten steigt in Zeiten magerer<br />

Arbeitsperspektiven. Über 1.500 Klientinnen<br />

betreut „Mimi“ zurzeit.<br />

Gradmesser Prostitution<br />

Prostitution funktioniert wie der Seismograf einer<br />

Gesellschaft: „Geht es wirtschaftlich bergab, entscheiden<br />

sich Frauen eher dazu, den Widerwillen<br />

zu überwinden, um an das vermeintlich schnelle<br />

Geld zu kommen“, erklärt die Leiterin. Ein Trugschluss.<br />

Nach der gelegentlichen Aufbesserung der<br />

Kasse, der ersten Euphorie über das „leicht verdiente“<br />

Geld, den rauschartigen Kompensationskäufen,<br />

kommt die Ernüchterung. Die Frauen geraten<br />

in kaum überschaubare, finanzielle und emotionale<br />

Abhängigkeiten. Um den wieder aufkeimenden<br />

Ekel zu unterdrücken, gesellt sich oft<br />

Drogenmissbrauch hinzu. Die gesellschaftliche<br />

Isolierung treibt die Frauen tiefer in das Milieu.<br />

Die Mitternachtsmission leistet zunehmend<br />

Schuldnerberatung. Jutta Geißler-Hehlke: „Um<br />

eine neue Lebensperspektive zu schaffen, muss die<br />

Entschuldung geregelt werden.“<br />

Oder sie werden Opfer von Zuhältern und organisierten<br />

Banden: Diese locken Frauen und Mädchen<br />

aus Osteuropa, Asien, Afrika ins „goldene“<br />

Deutschland mit falschen Versprechungen: Angeblich<br />

sollen hier legale Arbeit, Ehe oder ein Studium<br />

warten. Kaum angekommen, zwingen diese Organisationen<br />

mit psychischem oder physischem<br />

Druck die Frauen zur Prostitution. Die Methoden<br />

sind perfide und brutal zugleich,Vergewaltigungen<br />

und Folter keine Seltenheit. Die Konkurrenz einheimischer<br />

Frauen, der nicht versiegende Strom<br />

von – unfreiwilligen – Neuankömmlingen, sinkende<br />

Preise, steigende Freier-Wünsche treiben viele<br />

Frauen zwischen 8 und 14 Stunden bis zu 7 Tagen<br />

in der Woche zur Arbeit an.<br />

Gelingt der Mitternachtsmission der Kontakt über<br />

Streetworker oder die Polizei, greifen sofort die<br />

Hilfen: Nach einer Mahlzeit und der ersten<br />

Wundverpflegung kontaktieren die Mitarbeiterinnen<br />

Ärzte, kümmern sich um sichere Unterbringung<br />

und um psychische Betreuung. Der Verein<br />

versteht seine Aufgabe ganzheitlich: unbürokratischer<br />

Beistand rund um die Uhr. Ohne Solidarität<br />

ginge das nicht. Jede Mitarbeiterin kann jede<br />

Kollegin, egal wann, anrufen. Z. Zt. arbeiten 12<br />

Die Reportage 9

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