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Prozessorientierte Sicht - Midrange Magazin

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Doch jetzt kommt plötzlich eine<br />

E-Mail mit dem Inhalt „Auf Grund der<br />

Urlaubssituation über Weihnachten<br />

müssen wir die Dienstleistungen im<br />

Projekt XYZ leider auf Januar verschieben.“<br />

Diese E-Mail geht an max.mustermann@xyz.de.<br />

Damit kommen gleich<br />

mehrere Herausforderungen auf uns<br />

zu: Die E-Mail geht nicht an „Einkauf“<br />

oder „Firma XYZ“, sondern an Max<br />

Mustermann. Es ist somit eine persönliche<br />

Mail, die auch möglicherweise<br />

privaten Charakter haben könnte. Wie<br />

andere Formen von Briefen auch, unterliegt<br />

sie dem Briefgeheimnis, welches<br />

in Deutschland im Grundgesetz verankert<br />

ist (§10). Statt an zentraler Stelle<br />

der Firma XYZ für Firma XYZ kommt<br />

die Post also bei Max Mustermann an.<br />

Statt in der Poststelle mit Stempel und<br />

Verteilung an die zuständige Stelle liegt<br />

diese E-Mail nun bei Max Mustermann<br />

im Posteingang.<br />

Im besten Fall ist der zuständige<br />

Mitarbeiter Max Mustermann kurzfristig<br />

anwesend, bearbeitet den Vorgang<br />

und legt die E-Mail ordnungsgemäß<br />

in der Projektmappe ab. Dann setzt er<br />

die Aufbewahrungsfrist für die Projektmappe<br />

um ein Jahr herauf. Im schlechtesten<br />

Fall passiert das nicht …<br />

Briefgeheimnisausschluss<br />

erfordert Kontrolle<br />

Aber fangen wir mal vorne an: Sie können<br />

in Ihrer Firma durchaus das Briefgeheimnis<br />

für E-Mails ausschließen,<br />

indem Sie die private E-Mail-Nutzung<br />

untersagen. Dieses kann per Betriebsvereinbarung<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

dem Betriebsrat geschehen. Allerdings<br />

zwingt Sie das auch dazu, die Einhaltung<br />

dieses Verbotes regelmäßig zu<br />

kontrollieren. Sie müssen also Stichproben<br />

machen, ob sich auch alle daran<br />

halten. Wenn Sie diese Stichproben<br />

nicht durchführen und die Durchführung<br />

dokumentieren, ist dieses Verbot<br />

unwirksam. Dann greifen das Briefgeheimnis<br />

und das Telekommunikationsgeheimnis<br />

und Sie dürften noch nicht<br />

einmal einen Virenscanner oder einen<br />

Spamfilter einsetzen, weil diese ja auf<br />

den Inhalt der möglicherweise privaten<br />

E-Mails zugreifen.<br />

Wäre also Max Mustermann gerade<br />

für drei Wochen im Urlaub, gäbe<br />

es ohne Betriebsvereinbarung keine<br />

(legale) Möglichkeit, in seinen Posteingang<br />

zu sehen. Dieses kann auch<br />

Auswirkungen auf ein zweites Feld haben:<br />

Die stillschweigende Zustimmung<br />

unter Kaufleuten. Bekomme ich einen<br />

Vertrag per Mail zugeschickt, so gilt er<br />

u. U. gemäß stillschweigender Zustimmung<br />

als angenommen, wenn ich nicht<br />

innerhalb einer Frist widerspreche.<br />

Falls aber Max Mustermann im Urlaub<br />

ist, kann er ggf. gar nicht widersprechen.<br />

Hat er dann noch „vergessen“, eine<br />

automatische Abwesenheitsnotiz zu<br />

verschicken, kann die Gegenpartei u. U.<br />

auf Vertragserfüllung bestehen.<br />

Und noch etwas ist wichtig: Die<br />

Aufbewahrungsfristen. Aufbewahrt<br />

werden muss ggf. aus unterschiedlichen<br />

Gründen. An dieser Stelle will ich<br />

einmal nur die steuerliche Aufbewahrungspflicht<br />

herausnehmen: Aufbewahrt<br />

werden muss erst einmal alles,<br />

was steuerliche Relevanz hat. Das kann<br />

ggf. recht viel sein. Seit 2002 müssen<br />

auch digitale Unterlagen auswertbar<br />

aufbewahrt werden. Das bedeutet:<br />

Auch eine Excel-Datei im Anhang einer<br />

E-Mail, die Aufschluss über die<br />

geleisteten Arbeitsstunden gibt, wäre<br />

aufbewahrungspflichtig, falls daraus<br />

Lohnansprüche abgeleitet würden (Einkommensteuer).<br />

In unserem Beispiel oben (Sie erinnern<br />

sich: Weihnachten steht vor der<br />

Tür und das Projekt wird verschoben)<br />

kommt noch hinzu, dass Dienstleistungen<br />

in das Geschäftsjahr abzugrenzen<br />

sind, in dem sie geleistet werden. Falls<br />

das Geschäftsjahr gleich dem Kalenderjahr<br />

ist, wäre somit diese Mail steuerlich<br />

relevant, da ggf. die Rechnung bereits<br />

gestellt wurde. Somit ändert sich<br />

die (steuerliche) Aufbewahrungsfrist<br />

für die Projektakte.<br />

Über die gesetzlichen Anforderungen<br />

hinaus gibt es noch den Fall, dass<br />

aufgrund von Mängeln gehaftet werden<br />

muss. Da ist es ggf. sehr wichtig, durch<br />

einen Schriftverkehr beweisen zu können,<br />

dass der Kunde informiert wurde<br />

und sich gegen eine Maßnahme entschieden<br />

hat. Wenn das im Nachgang<br />

zu einem Schaden führt, so ist diese<br />

E-Mail vermutlich der entscheidende<br />

Punkt, wer für den Schaden zu haften<br />

hat. Sie sollten also schon aufpassen,<br />

was Sie wie lange und wofür aufbewahren.<br />

Eine „lückenlose Dokumentation“<br />

eines Vorgangs ist in diesem Fall<br />

notwendig, um ggf. Ihre „Unschuld“<br />

beweisen zu können. Mit Unterlagen<br />

aus Papier (Brief, Fax, …) hätten Sie das<br />

vermutlich gemacht, weil alles zu einem<br />

Projekt in einer Projektakte abgelegt<br />

wird. Diese steht im Schrank und<br />

ist später im Archiv zu finden. Aber wie<br />

viele E-Mails werfen Sie aus Unwissenheit<br />

weg, obwohl diese steuerliche oder<br />

Haftungsrelevanz haben?<br />

„Unified Messaging“ gar nicht<br />

so „Unified“<br />

Sie sehen also, dass der Prozess – in<br />

diesem Beispiel der Posteingangsprozess<br />

– trotz Trend zu „Unified Messaging“<br />

gar nicht so „Unified“ ist und<br />

auch nicht sein kann. Alle Arten der<br />

modernen Kommunikation können<br />

wichtig für das Geschäft sein. Und alle<br />

Arten haben ihre Berechtigung.<br />

Doch bevor Sie Ihren Kunden ermöglichen,<br />

Bestellungen per E-Mail<br />

abzugeben, sollten Sie sich über den<br />

Prozess Gedanken gemacht haben.<br />

Andreas Ahmann ó<br />

Ceyoniq Technology gmbH, Bielefeld<br />

www.ceyoniq.com<br />

01/2009 · MIDRANGE MAgAZIN<br />

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