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9-2018

Fachzeitschrift für Industrielle Automation, Mess-, Steuer- und Regeltechnik

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Editorial<br />

Von Luft und Liebe<br />

Die Digitalisierung ist in aller Munde. Kleidungsstücke werden „intelligent“,<br />

Küchengeräte „reden“ mit einander, der menschliche Körper wird zur Optimierung<br />

dauerüberwacht und das Internet ist zum Zentrum des Lebens geworden. Aber<br />

sind wir mal ehrlich: Der Mensch ist doch ein durch und durch analoges Wesen. Als<br />

symptomatisches Beispiel: Es ist natürlich schön, Musik in immer gleichbleibender<br />

Qualität zu streamen. Aber der Hörgenuss funktioniert halt erst, wenn die digitalen<br />

Daten per D/A-Wandler wieder als Analog-Signal aus Kopfhörer oder Lautsprecher<br />

ertönen.<br />

Vor allem ist es doch so, dass hier das Pferd mal wieder von hinten aufgezäumt<br />

wird: Es erscheint erst mal am wichtigsten, dass der Toaster einen WLAN-Anschuss<br />

bekommt. Grundsätzliche Aspekte wie Sicherheit im IoT oder ganz prinzipiell die<br />

flächendeckende, schnelle Internetanbindung per Glasfaser kommen irgendwann später.<br />

Klar: Wird der Toaster mit WLAN gekauft, bringt das dem Hersteller schnelles Geld.<br />

Ernst Bratz, Marketingleiter bei<br />

Meilhaus Electronic GmbH<br />

Der Ausbau des Glasfasernetzes und ein akkurater Umgang mit der Sicherheit<br />

hingegen kosten erst mal. Auch was mit Menschen geschehen soll, die - aus welchen<br />

Gründen auch immer - nicht jedem Trend folgen und zum Beispiel kein Smartphone<br />

besitzen, ist unklar. Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der<br />

Mensch, dem das Ganze ja eigentlich dienen soll und dem das Leben erleichtert werden<br />

soll, dabei nicht immer im Mittelpunkt steht. Die mögliche Technik, der schnelle „Hype“<br />

und das Geld bestimmen, was zu tun ist.<br />

Es wurde vor kurzem in den Medien von einer App für Obdachlose berichtet, mit der<br />

diese nachschauen können, wo es Schlafplätze und eine warme Mahlzeit gibt. Sicher<br />

eine gute Idee und sehr menschlich gedacht. Setzt aber voraus, dass jeder Obdachlose,<br />

der ja einerseits um Essen betteln muss andererseits aber ein Smartphone besitzt, am<br />

besten mit Vertrag. Nun ja, vielleicht ist das heute wirklich so, dass das Smartphone<br />

wichtiger geworden ist, als die Nahrungsmittelaufnahme. Früher hieß es so schön „von<br />

Luft und Liebe leben“ – heute heißt es dann wohl „von Web und Smartphone“. Die<br />

Digitalisierung wird Arbeitsplätze vernichten und sie wird neue schaffen. Die Frage ist<br />

nur, ob sie auch Arbeitsplätze schaffen wird für Menschen, die schon heute zu wenig<br />

qualifiziert sind, die also nicht Programmierer, Webdesigner, Techniker und Ingenieure<br />

werden können.<br />

Parallel zur Digitalisierung wären also auch zwei andere gesellschaftliche<br />

Entwicklungen wichtig, die - genau wie Sicherheit und der Ausbau der Netze - leider<br />

immer wieder vernachlässigt werden, obwohl auch sie in aller Munde sind: Bildung und<br />

die Aufwertung sozialer und „dienstleisterischer“ Berufe wie Alten- und Krankenpfleger.<br />

Natürlich wäre es weder sinnvoll noch überhaupt möglich, sich gegen die Digitalisierung<br />

zu stellen. Nur sollte man den Menschen dabei nicht aus den Augen verlieren – auch<br />

die Menschen, die man schon heute ganz selbstverständlich als die „abgehängten“<br />

bezeichnet.<br />

Ein erster Schritt wäre vielleicht ein bisschen mehr Gelassenheit statt ständig<br />

neuer, übertriebener „Hypes“. Denn es wird doch ständig eine neue sprichwörtliche<br />

„Sau durchs Dorf getrieben“: IoT, Kryptowährungen, Blockchain, Cloud und so weiter.<br />

Eigentlich geht es aber immer um Geld und die schnelle, kurzlebige Sensation.<br />

Medien und Experten, die zum Beispiel den Bitcoin grenzenlos bejubeln, berichten<br />

einige Monate später genauso triumphierend aber hämisch negativ, wie der Kurs der<br />

Kryptowährung einbricht oder wieviel Energie das ganze verbraucht. Am sinnvollsten<br />

sind doch immer ein kritischer Umgang und der „goldene Mittelweg“, der zum Glück im<br />

praktischen Leben dann auch oft von alleine das Rennen macht.<br />

PS: Anfang März traf ein Schneesturm die Ostküste der USA und hat zum Beispiel<br />

weite Bereiche der Region um Boston lahmgelegt. Websites unserer US-Zulieferer aus<br />

dieser Region waren zeitenweise „down“ weil der Strom ausgefallen und Leitungen<br />

unterbrochen waren. Vielleicht sollte man sich nicht immer nur noch ausschließlich auf<br />

das Internet verlassen - es kann auch mal ausfallen.<br />

Ernst Bratz, Meilhaus Electronic GmbH, www.meilhaus.de<br />

PC & Industrie 9/<strong>2018</strong> 3

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