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blu September 2018

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FILM<br />

Sie sind inzwischen achtzig Jahre<br />

alt und scheinen so gut beschäftigt<br />

wie nie zu sein. Wie stehen Sie<br />

dieses Arbeitspensum eigentlich<br />

durch?<br />

Manchmal frage ich mich das selbst. Das<br />

Wichtigste für mich ist auf jeden Fall,<br />

dass ich fast jede Nacht neun Stunden<br />

schlafen kann. Ist das nicht herrlich?<br />

Würde ich mein Bett mit jemandem<br />

teilen, wäre das sicherlich nicht so ohne<br />

Weiteres möglich. Gesund sein und<br />

genug schlafen, das verleiht jedenfalls<br />

reichlich Energie. Aber ich kneife mich<br />

fast täglich, weil ich es nicht glauben<br />

kann, wie meine Karriere gerade verläuft.<br />

Immerhin hatte ich mich schon einmal<br />

15 Jahre lang komplett aus dieser Branche<br />

verabschiedet.<br />

Bereuen Sie diese Frührente inzwischen?<br />

Nein, denn ich hatte ja Gründe dafür. Ich<br />

habe die Schauspielerei nicht, wie oft<br />

geschrieben wird, für meinen damaligen<br />

Mann Ted Turner aufgegeben, sondern<br />

weil ich keinen Spaß mehr daran hatte.<br />

Heute liebe ich meinen Job wieder, und<br />

ich genieße es, eine alte Frau zu sein, die<br />

noch ganz gut aussieht und etwas zu sagen<br />

hat. Deswegen gehe ich auch sobald<br />

nicht wieder in Rente. Zumal ich es mir<br />

dann nicht nach 15 Jahren wieder anders<br />

überlegen könnte. Mit 95 Jahren muss<br />

ich in Hollywood schließlich wirklich<br />

nicht mehr um die Ecke kommen.<br />

Dass Sie noch „ganz gut“ aussehen,<br />

ist natürlich eine Untertreibung ...<br />

Danke schön. Vielleicht haben Sie recht.<br />

Schließlich mache ich immer noch Werbung<br />

für L’Oréal. Welche Frau über achtzig<br />

kann das schon von sich behaupten?<br />

Lassen Sie uns noch über „Book<br />

Club“ sprechen – und über Ihre<br />

Kolleginnen Diane Keaton, Candice<br />

Bergen und Mary Steenburgen ...<br />

Ich glaube, der Regisseur und die Crew<br />

hatten im Vorfeld echt Angst, denn wir<br />

vier kannten uns vor dem Film nicht<br />

wirklich. Also wusste niemand so recht,<br />

ob nicht die eine oder andere eine fürchterliche<br />

Diva sein würde. Stellen Sie sich<br />

vor, wir alle vier wären es gewesen und<br />

hätten uns ständig angezickt, wer mehr<br />

Nahaufnahmen und/oder mehr Dialoge<br />

hat. Aber dann verlief gleich unsere erste<br />

Szene ganz wunderbar, in der die anderen<br />

sich um mich kümmern müssen,<br />

weil ich betrunken und hysterisch im<br />

Bademantel einen großen Fehler bereue.<br />

Dass ich noch nie das geringste Problem<br />

damit hatte, auf der Leinwand furchtbar<br />

auszusehen, und ich deswegen wirklich<br />

sehr hysterisch und fertig war, half vermutlich,<br />

das Eis zu brechen.<br />

Sie alle trinken im Film jede Menge<br />

Wein, nur Sie dürfen sich ab und zu<br />

auch mal einen Wodka genehmigen.<br />

Genau wie in „Grace and Frankie“.<br />

Zufall?<br />

Oh, vermutlich nicht, denn ich selbst<br />

liebe Wodka sehr. Ohne Frage die größte<br />

Gemeinsamkeit, die ich mit meinen<br />

Figuren habe. Ich bevorzuge Wodka, die<br />

meisten meiner Freunde Tequila. Kein<br />

Wunder, dass ich zu Hause eine ziemlich<br />

gut ausgestattete Bar habe.<br />

Und wie steht es mit Büchern?<br />

Lesen Sie so gerne wie die Frauen in<br />

„Book Club“?<br />

Sogar mehr. Bücher sind mein Leben.<br />

Ich lese im Durchschnitt zwei oder drei<br />

die Woche. Zuletzt zum Beispiel „When<br />

they call you a terrorist“ von Patrisse<br />

Khan-Cullors, einer der Gründerinnen der<br />

Bewegung Black Lives Matter. Und „Make<br />

Trouble“ von Cecile Richards, die lange die<br />

Organisation Planned Parenthood geleitet<br />

hat. Ich lese am liebsten Sachbücher,<br />

einfach weil ich so wissbegierig bin und<br />

lernen will.<br />

Sind Sie denn, wo Sie gerade die<br />

Bücher solcher Aktivisten erwähnen,<br />

optimistisch, was die Zukunft<br />

angeht?<br />

Was wir gerade erleben, sind „the best<br />

of times and the worst of times“, um<br />

mal Dickens und sein „Eine Geschichte<br />

aus zwei Städten“ zu zitieren. Man muss<br />

sich entscheiden, welche Perspektive<br />

man einnimmt. Was aktuell passiert, ist<br />

sehr gefährlich, nicht nur in den USA,<br />

sondern auf der ganzen Welt. Überall<br />

steigen sogenannte starke Männer an die<br />

Macht auf. Das ist ja immer so: Sobald auf<br />

der Welt Chaos herrscht – für das zum<br />

Beispiel die globale Erwärmung verantwortlich<br />

ist – stärkt das solche Tyrannen.<br />

Gleichzeitig rüttelt das allerdings auch<br />

alle anderen auf, und dieser Tage sind die<br />

Menschen so wachsam und engagiert wie<br />

lange nicht. Deswegen ist das der Aspekt<br />

unserer gegenwärtigen Situation, auf den<br />

ich mich konzentriere.<br />

*Interview: Jonathan Fink

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