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FILM<br />
Sie sind inzwischen achtzig Jahre<br />
alt und scheinen so gut beschäftigt<br />
wie nie zu sein. Wie stehen Sie<br />
dieses Arbeitspensum eigentlich<br />
durch?<br />
Manchmal frage ich mich das selbst. Das<br />
Wichtigste für mich ist auf jeden Fall,<br />
dass ich fast jede Nacht neun Stunden<br />
schlafen kann. Ist das nicht herrlich?<br />
Würde ich mein Bett mit jemandem<br />
teilen, wäre das sicherlich nicht so ohne<br />
Weiteres möglich. Gesund sein und<br />
genug schlafen, das verleiht jedenfalls<br />
reichlich Energie. Aber ich kneife mich<br />
fast täglich, weil ich es nicht glauben<br />
kann, wie meine Karriere gerade verläuft.<br />
Immerhin hatte ich mich schon einmal<br />
15 Jahre lang komplett aus dieser Branche<br />
verabschiedet.<br />
Bereuen Sie diese Frührente inzwischen?<br />
Nein, denn ich hatte ja Gründe dafür. Ich<br />
habe die Schauspielerei nicht, wie oft<br />
geschrieben wird, für meinen damaligen<br />
Mann Ted Turner aufgegeben, sondern<br />
weil ich keinen Spaß mehr daran hatte.<br />
Heute liebe ich meinen Job wieder, und<br />
ich genieße es, eine alte Frau zu sein, die<br />
noch ganz gut aussieht und etwas zu sagen<br />
hat. Deswegen gehe ich auch sobald<br />
nicht wieder in Rente. Zumal ich es mir<br />
dann nicht nach 15 Jahren wieder anders<br />
überlegen könnte. Mit 95 Jahren muss<br />
ich in Hollywood schließlich wirklich<br />
nicht mehr um die Ecke kommen.<br />
Dass Sie noch „ganz gut“ aussehen,<br />
ist natürlich eine Untertreibung ...<br />
Danke schön. Vielleicht haben Sie recht.<br />
Schließlich mache ich immer noch Werbung<br />
für L’Oréal. Welche Frau über achtzig<br />
kann das schon von sich behaupten?<br />
Lassen Sie uns noch über „Book<br />
Club“ sprechen – und über Ihre<br />
Kolleginnen Diane Keaton, Candice<br />
Bergen und Mary Steenburgen ...<br />
Ich glaube, der Regisseur und die Crew<br />
hatten im Vorfeld echt Angst, denn wir<br />
vier kannten uns vor dem Film nicht<br />
wirklich. Also wusste niemand so recht,<br />
ob nicht die eine oder andere eine fürchterliche<br />
Diva sein würde. Stellen Sie sich<br />
vor, wir alle vier wären es gewesen und<br />
hätten uns ständig angezickt, wer mehr<br />
Nahaufnahmen und/oder mehr Dialoge<br />
hat. Aber dann verlief gleich unsere erste<br />
Szene ganz wunderbar, in der die anderen<br />
sich um mich kümmern müssen,<br />
weil ich betrunken und hysterisch im<br />
Bademantel einen großen Fehler bereue.<br />
Dass ich noch nie das geringste Problem<br />
damit hatte, auf der Leinwand furchtbar<br />
auszusehen, und ich deswegen wirklich<br />
sehr hysterisch und fertig war, half vermutlich,<br />
das Eis zu brechen.<br />
Sie alle trinken im Film jede Menge<br />
Wein, nur Sie dürfen sich ab und zu<br />
auch mal einen Wodka genehmigen.<br />
Genau wie in „Grace and Frankie“.<br />
Zufall?<br />
Oh, vermutlich nicht, denn ich selbst<br />
liebe Wodka sehr. Ohne Frage die größte<br />
Gemeinsamkeit, die ich mit meinen<br />
Figuren habe. Ich bevorzuge Wodka, die<br />
meisten meiner Freunde Tequila. Kein<br />
Wunder, dass ich zu Hause eine ziemlich<br />
gut ausgestattete Bar habe.<br />
Und wie steht es mit Büchern?<br />
Lesen Sie so gerne wie die Frauen in<br />
„Book Club“?<br />
Sogar mehr. Bücher sind mein Leben.<br />
Ich lese im Durchschnitt zwei oder drei<br />
die Woche. Zuletzt zum Beispiel „When<br />
they call you a terrorist“ von Patrisse<br />
Khan-Cullors, einer der Gründerinnen der<br />
Bewegung Black Lives Matter. Und „Make<br />
Trouble“ von Cecile Richards, die lange die<br />
Organisation Planned Parenthood geleitet<br />
hat. Ich lese am liebsten Sachbücher,<br />
einfach weil ich so wissbegierig bin und<br />
lernen will.<br />
Sind Sie denn, wo Sie gerade die<br />
Bücher solcher Aktivisten erwähnen,<br />
optimistisch, was die Zukunft<br />
angeht?<br />
Was wir gerade erleben, sind „the best<br />
of times and the worst of times“, um<br />
mal Dickens und sein „Eine Geschichte<br />
aus zwei Städten“ zu zitieren. Man muss<br />
sich entscheiden, welche Perspektive<br />
man einnimmt. Was aktuell passiert, ist<br />
sehr gefährlich, nicht nur in den USA,<br />
sondern auf der ganzen Welt. Überall<br />
steigen sogenannte starke Männer an die<br />
Macht auf. Das ist ja immer so: Sobald auf<br />
der Welt Chaos herrscht – für das zum<br />
Beispiel die globale Erwärmung verantwortlich<br />
ist – stärkt das solche Tyrannen.<br />
Gleichzeitig rüttelt das allerdings auch<br />
alle anderen auf, und dieser Tage sind die<br />
Menschen so wachsam und engagiert wie<br />
lange nicht. Deswegen ist das der Aspekt<br />
unserer gegenwärtigen Situation, auf den<br />
ich mich konzentriere.<br />
*Interview: Jonathan Fink