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MUSIK<br />
FOTOS: PAUL & MARTIN<br />
INTERVIEW<br />
JAIN: KIND DER WELT<br />
Es gibt wenige Künstler, für<br />
die ein plötzlicher Erfolg gar<br />
nicht so viel im Leben durcheinanderwirbelt.<br />
„Es erinnert mich vor allem daran, wie<br />
es war, jünger zu sein. Das erste Album<br />
hat eigentlich nur dahingehend etwas<br />
geändert, dass ich jetzt noch mehr arbeite<br />
– aber nicht an der Art, wie ich Musik<br />
mache oder reise.“ Und unterwegs war sie<br />
schon immer viel, denn wenn Jain etwas<br />
ist, dann ein Kind der Welt. Geboren wurde<br />
sie in Toulouse, doch aufgewachsen ist<br />
sie später in Dubai und der Republik Kongo<br />
(wo sie auch ihre ersten Demos aufgenommen<br />
hat), und dann ging es wieder<br />
nach Arabien, nach Abu Dhabi – alles,<br />
weil ihr Vater in der Ölindustrie arbeitete.<br />
Zu Hause ist für sie deswegen nicht mit<br />
Orten verbunden, Heimat kein Begriff, der<br />
etwas mit Grenzen oder Sprachen zu tun<br />
hat, sondern mit Menschen und dem, was<br />
man selbst tut. „In meinem Leben drehte<br />
sich immer alles um Musik. Wo Musik ist<br />
und wohin sie mich bringt – da bin ich zu<br />
Hause.“ So klang ihr Debüt „Zanaka“ auch:<br />
Sie verband die Einflüsse ihrer Lebenswelten<br />
mit modernem Pop.<br />
Es gibt ja Popmusik, die gut gelaunt<br />
und optimistisch ist, und andere, die es<br />
gerne sein will, aber bei der man nur den<br />
Gehirntod diagnostizieren kann – was<br />
ja leider bei der Mehrzahl der Fall ist.<br />
Darum waren schon damals Jains Tracks,<br />
die uns eben nicht für blöd verkaufen<br />
wollten, so willkommen. Doch ihr neues<br />
Album klingt noch optimistischer,<br />
positiver, noch befreiender – und wieder<br />
machen die arabischen und afrikanischen<br />
Einflüsse, gepaart mit diesem<br />
besonderen französischen Touch aus<br />
Avantgarde und Mut, den Unterschied.<br />
Es ist genau das, was wir in diesen<br />
Zeiten brauchen: Mit Jain kann man für<br />
eine halbe Stunde den ganzen Ballast,<br />
den die Nachrichten produzieren,<br />
abwerfen. „Wenn ich schreibe, muss ich<br />
mich selbst fühlen wie in einer Therapie,<br />
in der man mit seinen Träumen und<br />
Hoffnungen arbeitet. In meiner Musik<br />
ist alles so, wie ich mir die Welt wünsche<br />
– deswegen liebe ich Musik so sehr! Ich<br />
kann meine eigene kleine Menschlichkeit<br />
einbringen und meine Positivität<br />
weitergeben.“ So klingt „Souldier“, als<br />
würde Jain schon in ihrem Utopia leben<br />
– und nun lädt sie uns ein, endlich mal<br />
nachzukommen.<br />
Deshalb ist es fast schmerzhaft schade,<br />
dass das Album nur eine gute halbe<br />
Stunde lang ist. „Als ich jünger war, habe<br />
ich all die alten Popalben gehört, die aus<br />
nicht mehr als zehn, zwölf kurzen Liedern<br />
bestehen. Ich will auch nicht irgendetwas<br />
draufpacken, nur um es weiter zu füllen.“<br />
Jain verkauft hier keine Produkte, sondern<br />
sie bietet uns nur ihre Musik an. Lieder,<br />
die ihr am Herzen liegen. Das merkt man<br />
auch an dem Design der Cover und an<br />
ihren Videos. „Ich wollte früher Grafikerin<br />
sein und eigentlich in dem Bereich<br />
arbeiten. Darum gebe ich mir gern Mühe,<br />
denn da man Musik nicht sehen kann,<br />
geht es bei allem anderen darum, das<br />
irgendwie doch möglich zu machen.“ Was<br />
Jains Schaffen dann auch ganz schön<br />
zusammenfasst: Dinge möglich machen.<br />
Und das gelingt ihr. *fis