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GAB September 2018

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MUSIK<br />

INTERVIEW<br />

FOTOS: MAISIE COUSINS<br />

ANNA CALVI<br />

Ihr neues Album wird von<br />

einem Manifest begleitet, in<br />

dem sie die Freiheit beschwört, dass<br />

jeder jede Identität frei leben soll,<br />

dass Genderrollen zum Spielen da<br />

sind. In diesen Worten und in den<br />

neuen Liedern hört man, dass Anna<br />

Calvi sich selbst erforscht hat und<br />

seit Neustem selbst dieses Leben<br />

lebt.<br />

Dennoch ist es interessant, dass sie in<br />

diesem Manifest immer wiederholt, was sie<br />

will, es spricht neben einer Proklamation der<br />

Freiheit auch eine gewaltige Portion Gier<br />

daraus ... die fast ungesund klingt. Dieses<br />

maßlose Wollen führt gern ins Unglück.<br />

Loslassen wäre der Weg – das meint nicht<br />

nur Buddha. Aber Anna ist hungrig und es<br />

scheint, als fange sie erst an, diesen Hunger<br />

zu stillen. „Für einen so schüchternen Menschen<br />

wie mich ist allein die Idee zu sagen<br />

,Ich will‘ etwas Neues. Ich spürte immer,<br />

dass ein Teil des Lebens dieser Hunger ist.<br />

Auch wenn ich die buddhistischen Ideen<br />

verstehe – er ist da. Und solange dieser<br />

Hunger nicht auf Kosten anderer geht …“<br />

Was nicht so einfach ist, gerade wenn<br />

man mit seiner Sexualität spielt und sie<br />

Wer bin ich? Was will ich?<br />

auslebt. Wer ist dabei noch nicht zum<br />

Kollateralschaden geworden, wer hat<br />

noch nie welchen erzeugt? Aber es gibt<br />

Phasen im Leben, in denen solche Fragen<br />

zurückstehen. In der Musik geht es ihr<br />

sowieso um viel mehr: „Ich habe das Album<br />

,Hunter‘ genannt, weil Frauen oft als<br />

etwas angesehen werden, das gejagt wird.<br />

Und diese Geschichten drehen sich um<br />

Frauen, die jagen. Es geht um eine Suche<br />

nach Freude, nach Intensität, danach,<br />

die Protagonistin zu sein und nicht das<br />

Objekt, das auf die Handlungen eines<br />

Mannes reagiert. Je mehr Geschichten es<br />

gibt, in denen nicht der ,normale‘ Mann<br />

das aktive Element ist, desto besser.“<br />

Trotzdem nannte sie das Album „Hunter“<br />

und nicht „Huntress“. „Ich finde nicht,<br />

dass ,Hunter‘ gegendert werden sollte …<br />

wie das Wort ,Alpha‘. Wenn man ein ,weiblich‘<br />

an etwas hängen muss – oder davorstellen<br />

wie bei ,female artist‘ – werden<br />

Frauen als etwas anderes‘ definiert. ,Jäger‘<br />

und ,Jägerin‘ sind keine gleichwertigen<br />

Worte für mich. Wann hört man ,Jägerin‘<br />

schon in der englischen Sprache?“ Womit<br />

sie ja hätte anfangen können, um genau<br />

diese Diskrepanz zu beleuchten. Aber:<br />

„Ich finde es wichtig, diese Worte, die<br />

eigentlich nur in die männliche Sphäre<br />

gehören, so zu benutzen.“<br />

Sie trug seit ihrem letzten Album viele<br />

solche grundsätzlichen Gedanken in sich,<br />

inklusive der größten Fragen: „Wer bin ich?<br />

Was will ich?“ Die Antwort darauf fand sie<br />

nach einer Trennung und mit einer neuen<br />

Freundin sowie ihrem neuen Ausleben.<br />

Und das nicht zu Hause in London,<br />

nicht in Berlin oder New York – sondern<br />

ausgerechnet in Straßburg. „Straßburg ist<br />

sehr konservativ – deswegen gibt es einen<br />

sehr intensiven Untergrund. Aber als ich<br />

und meine Freundin dort eine Wohnung<br />

suchten, fragte uns die Vermieterin, ob<br />

wir Studentinnen wären. ,Nein, wir sind<br />

Lebenspartner.‘ Sie verließ geschockt den<br />

Raum und als sie zurückkam, erklärte sie,<br />

dass sie keine Räume hätte. In London<br />

würde das nie passieren. Da hätte ich sie<br />

verklagt. Aber es ist gut, daran erinnert zu<br />

werden, dass – während ich von meinen<br />

freien Künstlerfreunden umgeben bin –<br />

da draußen trotzdem noch eine Welt ist,<br />

in der nichts gleichgestellt ist.“ *fis

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