FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 1|2018 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung
FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 1|2018 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ERLOT<br />
AGIE<br />
Axel Heinz ist seit 2005<br />
der Önologe der Tenuta<br />
Ornellaia e Masseto. Der<br />
gebürtige Münchner setzt<br />
auf die Erfahrung, die er<br />
zuvor in drei Bordelaiser<br />
Châteaus sammeln konnte.<br />
MASSETO<br />
Nahezu tausend Teilnehmer saßen dort, und als der Moment kam, den 2001er Masseto zu verkosten, wurde<br />
das sonst recht lebhafte Publikum plötzlich sehr still. Und staunte: Der Wein wollte im Abgang einfach nicht<br />
enden. Niemand erhob Einwände gegen die 100 Punkte, die James Suckling, Redakteur des Wine Spectator,<br />
vergab. Dies war die Zeit, als Masseto seinen großen inter nationalen Durchbruch feierte und es eine ganze<br />
Reihe solcher Momente gab. Seither steht Masseto ganz oben in der ersten Liga italienischer Rotweine und<br />
der noch exklusiveren Liga der großen Merlots der Welt. Diese ganz besondere Stellung spiegelt auch sein<br />
Preis: Der aktuelle Jahrgang 2013 kostet etwa 600 Euro. Dagegen ist der andere Spitzenwein der Tenuta<br />
Ornellaia e Masseto für »nur« 160 Euro zu haben – der Ornellaia, eine Cuvée auf der Basis von Cabernet<br />
Sauvignon (mit Merlot sowie etwas Cabernet Franc und Petit Verdot). Dieser Kontrast spricht Bände.<br />
Es war einer dieser magischen Momente, die sich tief in mein Wein-Gedächtnis eingraviert haben. In diesem Fall<br />
ging es um den Jahrgang 2001 des Masseto aus dem toskanischen Bolgheri. Er war der Höhepunkt einer Vertikalverkostung<br />
im Oktober 2005 des damals einzi gen berühmten italienischen Rotweins aus der Merlot- Traube: Schon<br />
nach vier Jahren zeigte sich der opulente, kräftige Wein ausgesprochen samtig. Die Verkostung fand im riesigen<br />
Ballsaal des Marriott Marquis Hotel am Times Square statt im Rahmen der New York Wine Experience des Wine<br />
Spectator, damals die luxuriöseste Wein veranstaltung der Welt.<br />
Von STUART PIGOTT<br />
Fotos THILO WEIMAR<br />
Um die wahre Bedeutung und die Leistung des Masseto zu verstehen,<br />
muss man die allgemeine Situation der Merlot-Traube<br />
kennen. Ihr Ruf ist gespalten wie der kaum einer anderen<br />
bedeutenden Rotwein-Traube der Welt. Das Image von Pinot Noir<br />
etwa ist durch und durch positiv, obgleich dies wegen der enormen<br />
qualitativen Schwankungen nicht unbedingt verdient ist. Genau das<br />
Gegenteil ist das Problem des Merlot.<br />
Auf der einer Seite werden in zahlreichen Weinländern, darunter<br />
auch in Italien, vor allem im Nordosten, große Mengen einfacher und<br />
günstiger Merlots erzeugt. Die tendenziell dunkle Farbe, die relativ<br />
sanften Tannine und der mäßige Säure gehalt begründen ihre Beliebtheit.<br />
Quantitativ belegt Merlot weltweit Platz zwei, knapp hinter Cabernet<br />
Sauvignon, der am meisten angepflanzten Sorte. Merlot wird oft als<br />
Cuvée- Partner genutzt, etwa um die härteren Tannine des Cabernet<br />
Sauvignon abzurunden oder um die grüne Note minderer Cabernets<br />
zu verdünnen. Doch das degradiert ihn zur zweiten Geige eines ziemlich<br />
banalen Duos.<br />
Auf der anderen Seite steht Château Petrus in Pomerol, quasi ein<br />
inoffzieller Premier Grand Cru Classé der kleinen Appellation. Es<br />
handelt sich um einen reinen Merlot (oder einen fast reinen, mit etwas<br />
Cabernet Franc in den reiferen Jahr gängen) und den teuersten aller<br />
Bordelaiser Rotweine. Seine vier stelligen Preise haben sicher etwas<br />
mit der knappen Menge zu tun (vor allem im Vergleich zu den weitaus<br />
größeren der Premiers Grands Crus Classés der Klassifizierung von<br />
1855 in Médoc und Graves). Aber ohne die verführerische Duftigkeit,<br />
die enorme Geschmeidigkeit und Finesse der großen Petrus- Jahrgänge<br />
wären sie nie zustande gekommen. Kein Wunder, dass diese Weine<br />
allgemein als Ideal eines großen Pomerol betrachtet werden, selbst<br />
wenn etwa La Conseillante, L’Eglise- Clinet, La Fleur-Pétrus, Lafleur<br />
oder Trotanoy jeweils ihre eigene Version eines Pomerol-Ideals liefern.<br />
Wie viele Weinfreunde haben jemals einen guten Jahrgang von<br />
Château Petrus oder eines der anderen Spitzen gewächse des<br />
Pomerol getrunken? Den einen oder anderen der zahl reichen<br />
»Premium«-Rotweine aus der Merlot-Traube, mit sattem Körper und<br />
süßlich weichem Geschmack, kennen zweifel los weitaus mehr Menschen.<br />
Doch das ist etwas ganz anderes als ein hochwertiger Pomerol. Sicher<br />
spielte die Vorliebe des einflussreichen Weinkritikers Robert Parker<br />
für »gobs of fruit«, ein Maulvoll Frucht, eine wesentliche Rolle bei der<br />
Verbreitung dieser Weinstilistik. Aber ganz offensichtlich fanden sehr<br />
viele Konsumenten sehr großen Gefallen an Rot weinen aus überreif<br />
Die Rebstöcke der knapp sieben Hektar<br />
großen Lage Masseto wurden Anfang der<br />
1980er Jahre gepflanzt. Mitte Mai ist die<br />
Blütezeit vorüber, an den Rispen bilden sich<br />
schon die ersten zarten Beeren.<br />
22 <strong>FINE</strong> 1 | 2018 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 1 | 2018 23