FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL
FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 1|2018 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung
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CHÂTEAU<br />
SMITH HAUT<br />
LAFITTE<br />
Gigantisch: Der Hase, die langgestreckte<br />
Bronze-Skulptur des britischen Künstlers<br />
Barry Flanagan, ist zum Wahrzeichen des<br />
berühmten Bordelaiser Weinguts geworden.<br />
GROSSE<br />
WEINE<br />
<strong>FÜR</strong> DIE<br />
KUNST<br />
Von CHRISTIAN VOLBRACHT<br />
Fotos JOHANNES GRAU<br />
Für jeden großen Jahrgang von Château Smith Haut Lafitte belohnen sich Florence<br />
und Daniel Cathiard mit einem Kunstwerk. Über den Reben schwebt ein bronzener<br />
Hase, unweit davon ragt die »Venus von Bordeaux« des amerikanischen Künstlers<br />
Jim Dine in den Himmel. In einen Tisch am Schloss hat der Chinese Huang Yong<br />
Ping den sechs Meter langen Unterkiefer einer Riesenschlange aus Aluminium<br />
ein gebaut. Das Objekt stammt aus einer Installation, die er vor Jahren im Grand<br />
Palais in Paris präsentiert hatte.<br />
In fünfundzwanzig Jahren haben Florence und Daniel Cathiard das<br />
Weingut in der Appellation Graves südlich von Bordeaux zu neuem<br />
Erfolg geführt und ein gutes Dutzend Skulpturen in Auftrag gegeben.<br />
»1995, 1998, 2000, 2001, 2005, 2006, 2009, 2010, 2015, 2016«, zählt<br />
Florence Cathiard die großen Jahrgänge auf. Besonders vielsagend ist<br />
die Prämie für den Jahrgang 2005: eine mannshohe Bronze-Skulptur des<br />
Chinesen Wang Du im Innenhof des Gutes, die ein Papierknäuel darstellt.<br />
»Das ist eine zerknüllte Seite aus Robert Parkers Wine Advocate«, sagt<br />
sie. »Er hatte unseren Jahrgang 2005 nur mit 95 Punkten bewertet, da<br />
war ich so erbost, dass wir diese Plastik in Auftrag gegeben haben.« So<br />
drückt sich aus, was den Erfolg dieses Paars ausmacht, zweier ehemaliger<br />
Skirennläufer und Unternehmer, die als Quereinsteiger in die Welt der<br />
Bordelaiser Weine kamen: Kampfgeist, Ehrgeiz und Perfektionismus,<br />
gepaart mit Geschmack und viel Geld.<br />
Wir sitzen in der Küche der Chartreuse, dem flachen Wohnchâteau,<br />
das im 18. Jahrhundert unweit des Weinchâteaus zwischen Reben und<br />
Wald errichtet worden ist. Neben dem Esstisch steht ein alter Herd, im<br />
nächsten Raum ein ausgedienter hölzerner Schlachtertisch aus dem<br />
Feinkostladen von Daniel Cathiards Großvater. In den großzügigen<br />
Privaträumen mischen sich stilvolle Antiquitäten mit modernen Kunstobjekten.<br />
Der Blick nach draußen reicht über die Reben bis zum Weinchâteau<br />
mit seinen ver spielten Türmchen im Holzbalken-Stil des Départements<br />
Landes.<br />
Die zierliche, bald siebzigjährige Florence Cathiard führt engagiert<br />
das Wort, ihr drei Jahre älterer Mann checkt seine Mails, beobachtet und<br />
ergänzt den Redefluss. Sie stammt aus Béziers in Südfrankreich; den aus<br />
Grenoble kommenden Daniel hatte sie als Fünfzehnjährige im Trainingscamp<br />
des französischen Skiverbands kennengelernt. Der eher ruhige<br />
»Montagnard«, Mann der Berge, war französischer Studentenmeister<br />
in der Abfahrt. Später trainierte er im Nationalteam mit dem Superstar<br />
Jean-Claude Killy. Die quirlige Florence brachte es zur französischen<br />
Abfahrts-Jugendmeisterin.<br />
Von der Skipiste und nach dem Studium wechselten beide in die Wirtschaft:<br />
Daniel Cathiard hatte von seinem Vater eine regionale Supermarktkette<br />
geerbt, die er mit Sporthäusern zu einem Unternehmen mit fünfhundert<br />
Filialen erweiterte. Florence war mit eigenen Werbeagenturen<br />
erfolgreich, verkaufte sie aber 1985 an die amerikanische McCann-<br />
Gruppe. Vier Jahre später trennte sich auch Daniel für viele Millionen<br />
von seinem Unternehmen, weil er angesichts der Konzentrations welle<br />
bei den Hyper- und Supermärkten in Frankreich keine eigenen Erfolgschancen<br />
mehr sah.<br />
Was tun zwei erfolgreiche Unternehmer in den Vierzigern<br />
mit dem Rest ihres Lebens? Nach einem Jahr des Nachdenkens<br />
erwarben Daniel und Florence Cathiard 1990 das<br />
ehemals renommierte, nun aber aufs Mittelmaß gesunkene Château<br />
Smith Haut Lafitte. Ein Auslöser war, dass sich Daniel an seinen Großvater<br />
erinnerte, den Feinkost- und Wein händler aus Grenoble. »Ich<br />
wusste noch alles über den Geruch im Keller, das wurde wieder belebt<br />
wie beim Madeleine-Gebäck in dem Roman von Marcel Proust«, erzählt<br />
er und scherzt: »Ich wusste auch, dass im Winter beim Wein nicht viel<br />
zu tun ist, so konnten wir immer ausgiebig Ski laufen.«<br />
Die Weinnovizen begannen enorm viel zu lesen, er über das Weinmachen,<br />
sie über die Geschichte des Gutes und der Weine des Bordelais.<br />
»Aber ich habe mir gesagt«, erzählt Daniel, »ich bin zu alt, um noch<br />
einmal zur Schule zu gehen. So habe ich mir die besten Weinberater<br />
der Welt geholt, Michel Rolland und Stéphane Dérenoncourt.« Für<br />
das Weingut wurde es eine goldene Renaissance, das Anknüpfen an<br />
eine große Ver gangenheit.<br />
Das Weinbaugebiet Graves (zu deutsch Kies) ist das älteste von<br />
Bordeaux, in der welligen und waldigen Hügel landschaft hatten die<br />
Römer in unmittelbarer Nähe der Stadt den Weinbau begonnen. Die<br />
Kiesschichten des Geländes mit vielen halbedlen Steinen wurden in<br />
der Günz-Eiszeit vom Fluss Garonne aufgeschichtet. Die Wurzeln der<br />
Wein stöcke müssen hier mehr als sechs Meter in die Tiefe ein dringen,<br />
um in den sandigen und lehmigen Unterschichten Wasser und Mineralsalze<br />
zu finden. Die Rotweine von Graves stechen durch ihre besondere<br />
Finesse und ihr fruchtig-würziges Aroma mit oft rauchigen Noten hervor.<br />
Die eleganten Weißen sind besonders fruchtig und blumig mit einem<br />
langen Nachhall.<br />
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