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FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL

FINE DAS MAGAZIN FÜR GENUSS UND LEBENSSTIL - 1|2018 - Sonderbeilage in der Süddeutschen Zeitung

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ONLINE-PIONIER:<br />

SILKES WEINKELLER<br />

Der deutsche Online-Weinhändler Silkes Weinkeller wird zwanzig Jahre alt. Schon 1998, als das Internet noch langsam, teuer und<br />

kompliziert war, bot das Gründerehepaar Silke und Wolfgang Spruch auf seiner Website Wein an. Heute gehört das Unternehmen zu<br />

einem großen Konzern. Dennoch spielt Familie in dem einstigen Start-up nach wie vor eine Rolle.<br />

Von UWE KAUSS<br />

Fotos CHRISTOF HERDT<br />

Vor zwanzig Jahren war das Internet noch eine elitäre<br />

Angelegenheit. Nur etwa sechseinhalb Millionen<br />

Deutsche hatten Zugang zum weltweiten Netz über<br />

ein Modem oder eine ISDN-Verbindung. Dazu musste das<br />

richtige Kabel in der Telefondose stecken, an WLAN dachte<br />

damals noch niemand. Die Datenrate lag bei unvorstellbar<br />

langsamen sechsundfünfzig Kilobit per Modem oder vierundsechzig<br />

Kilobit per ISDN – heute surft man in den Großstädten<br />

und Ballungs räumen mit sechzig Megabit, der fast<br />

tausendfachen Geschwindigkeit. Und: Das Surfen kostete<br />

1998 nach mehreren Preissenkungen bei T-Online ab einundzwanzig<br />

Uhr noch sechs Pfennige pro Minute, zuvor hatten<br />

die Internet-Nutzer dreißig Pfennige gezahlt. Die Gründer<br />

des heute markt beherrschenden Internet-Weltkonzerns<br />

Alphabet aus dem Silicon Valley, Larry Page und Sergey<br />

Brin, starteten 1998 ihre Firma mit der Betaversion einer<br />

Suchmaschine. Sie nannten sie Google.<br />

Das Bestellen im Internet war eine Spielwiese für Freaks<br />

und Neugierige. Nur drei Prozent aller deutschen Händler<br />

pflegten 1998 eine Website, die seltenen Online-Shopping-<br />

Angebote wurden bestaunt und waren auf Bücher, Kleidung,<br />

Schuhe, Hotel- und Flugbuchungen beschränkt. Der Umsatz<br />

mit Wein lag nahe Null. Doch in jenem Jahr entwickelte<br />

das Ehepaar Silke und Wolfgang Spruch aus Velbert bei<br />

Wuppertal ein mutiges Geschäftsmodell: Der Ingenieur<br />

und die Krankenschwester starteten in ihrem Wohnzimmer<br />

die »Internet-Oase«. Unter der Adresse internetoase.de<br />

boten sie Elektronik an – und dazu selbst importierten<br />

Wein, zunächst aus Frankreich. Die Weinliebhaber hatten<br />

mit Freunden Sammelbestellungen organisiert und ihnen<br />

die jeweils passenden Flaschen empfohlen. Dann kam das<br />

Internet.<br />

Das Paar gehört damit zu den deutschen Pionieren des<br />

Online-Weinhandels. Das Geschäft mit Elektronik schleppte<br />

sich dahin, doch der Internet-Weinverkauf entwickelte<br />

sich mit rasender Geschwindigkeit. Schon wenige Jahre<br />

später hatten sich die beiden einen Ruf als zuverlässige und<br />

günstige Einkaufs quelle für spanische Weine erworben.<br />

Also mieteten sie in der Nähe einige Garagen als Lager<br />

und packten Kisten in der Küche. Silke Spruch ging nicht<br />

mehr ins Kranken haus, sondern an den PC oder in den bis<br />

zur Decke mit Wein kisten gefüllten Keller. Ihre drei Söhne<br />

halfen beim Packen.<br />

Bald vertrieben sie Weine der spanischen Top-Güter<br />

Ygay und Marqués de Murrieta sowie weiterer bekannter<br />

Betriebe exklusiv in Deutschland. Zudem kam Vega Sicilia<br />

ins Programm, ebenso der Pingus von Peter Sisseck und<br />

viele weitere berühmte Weine. »Wolfgang Spruch hat sich im<br />

Winter manchmal fast die Füße abgefroren, weil er in einer<br />

eiskalten Garage stundenlang auf einen Speditionslaster<br />

wartete, der im Stau steckte«, erzählt John-Philip Kautsch.<br />

Seit 2015 führt der Geisenheim- Absolvent gemeinsam mit<br />

der Betriebswirtin Elena Vollmer die Geschäfte des auf<br />

fünfundvierzig Mitarbeiter gewachsenen Unternehmens.<br />

Nach fünf Jahren zwischen Wein und Beruf gab 2003<br />

auch Wolfgang Spruch seinen Job als Ingenieur auf.<br />

Er und seine Frau gründeten die Silkes Weinkeller<br />

GmbH und mieteten im Industriegebiet eine Logistikhalle.<br />

Seither gehören sie zu den großen Online-Weinhändlern in<br />

Deutschland. Doch zum zwanzigsten Geburtstag ist nicht nur<br />

die damalige Adresse internetoase.de Vergangenheit: 2013<br />

kaufte Burda direct, eine Tochter des Münchner Medienkonzerns<br />

Hubert Burda Media, 74,9 Prozent an Silkes Weinkeller,<br />

und ein Jahr später auch die restlichen 25,1 Prozent.<br />

Das Ehepaar Spruch zog sich aus dem Unternehmen<br />

zurück. Nun entwickeln sie im Priorat gemeinsam mit dem<br />

renommierten Önologen Salus Alvarez das Spitzenwein-<br />

Projekt Terroir X aus einer Lage mit hundertzwanzig Jahre<br />

alten Rebstöcken. In Deutschland ist der Wein, wo sonst,<br />

bei Silkes Weinkeller zu haben.<br />

»Wir sind einerseits ein klassisches Start-up, andererseits<br />

ein echtes Familienunternehmen. Wir optimieren<br />

unseren Shop, verbessern die Benutzerführung und das<br />

Auffnden bei Google, vereinfachen Prozesse und arbeiten<br />

an neuen Ideen. Inzwischen führen wir dreizehnhundert<br />

Weine, in jedem Jahr kommen zweihundert neue hinzu. Und<br />

noch immer bestellen die ersten Kunden aus dem Jahr 1998<br />

bei uns. Manche rufen sogar an, weil sie ihre Order nur bei<br />

einer ganz bestimmten Mit arbeiterin aufgeben wollen, die<br />

sie seit Jahren kennen«, erzählt Elena Vollmer. »Im ersten<br />

Jahr habe ich hier als Interims managerin gearbeitet. Meine<br />

Aufgabe war es, die Kultur eines Familienunternehmens mit<br />

der eines Medienkonzerns zusammenzubringen.«<br />

Es hat funktioniert: Das sympathische junge Führungsduo<br />

trägt nun die Verantwortung. Kurz nach ihrem Start<br />

stellten Elena Vollmer und John-Philip Kautsch auch<br />

den Namen silkes- weinkeller.de zur Disposition: Er steht<br />

in scharfem Kontrast zu den Silbenkombinationen mit<br />

Wein-Assoziation der Wettbewerber wie Belvini, Vicampo,<br />

Hawesko oder Ebrosia. »Der Name wirkt im E-Commerce<br />

ein wenig befremdlich, aber er vermittelt Wärme. Zudem<br />

wird er durch eine authentische Geschichte getragen – den<br />

Weinkeller von Silke Spruch gab es schließlich. Wir haben<br />

mit dem Team diskutiert, mit Kunden gesprochen und<br />

beschlossen: Er wird nicht geändert.«<br />

Mit dem Start von Elena Vollmer und John-Philip<br />

Kautsch stand zugleich ein Umzug an. Die Halle<br />

in Velbert war für das steile Wachstum zu klein<br />

geworden. Nach langer Suche zog Silkes Weinkeller ins<br />

einige Kilometer entfernte Mettmann. Auf dem Areal der<br />

einstigen Fabrik für Gold-Zack- Gummibänder hat der<br />

Online-Händler nun genug Platz für alle Mit arbeiter – und<br />

Raum für knapp eine Million Flaschen. Die Halle liegt ein paar<br />

Autominuten außerhalb der Stadt zwischen grauen Flachbauten.<br />

Im Besprechungsraum im Obergeschoss steht ein<br />

Dutzend Flaschen auf dem langen Tisch zwischen Zweckmöbeln.<br />

Besucher blicken auf den Parkplatz, auf alte Garagen,<br />

Laderampen und hügeliges Ackerland. Ein paar Türen weiter<br />

sitzen junge Leute im ebenso schlicht eingerichteten Großraumbüro<br />

konzentriert an großen Bildschirmen. Nebenan<br />

in der Auftragsannahme telefonieren Mitarbeiter mit Headsets.<br />

Etwa hunderttausend Kunden seien in der Shop-Datenbank<br />

gespeichert, sagt Elena Vollmer.<br />

»Wir sind ein echter Händler und kein Vermittlungsportal«,<br />

betont die Geschäftsführerin, »was wir anbieten,<br />

liegt unten im Lager.« Mehr als eine Million Flaschen verlassen<br />

pro Jahr das Hochregallager im Erdgeschoss. Gabelstapler<br />

fahren Paletten durchs Neonlicht, in der Packstraße<br />

hinter der mit Auflebern verzierten Glastrennwand ist<br />

viel Betrieb. Dreihundert bis tausend Pakete kommen<br />

pro Tag in den Versand. Vor allem vor Weihnachten. »Da<br />

müssen auch John-Philip und ich und überhaupt jeder<br />

beim Packen helfen«, erzählt sie. Neben dem Lager ist<br />

ein kleiner Shop eingerichtet. Hier sieht es aus wie in einem<br />

alten traditionellen Weinladen mit Fässern, Holzregalen,<br />

Weinkisten und Glasvitrinen. Viele Kunden aus der Nachbarschaft<br />

holen ihre Bestellung am Tresen ab. Hier wird<br />

Mutiges Geschäftsmodell: Seit 2015 tragen Elena Vollmer<br />

und John-Philip Kautsch die Verantwortung für Silkes<br />

Weinkeller. In Stoß zeiten, wenn an die tausend Kisten<br />

pro Tag zu packen sind, legen sie selbst mit Hand an. Das<br />

Unternehmen, vor zwanzig Jahren von Silke und Wolfgang<br />

Spruch als Start-up gegründet, zählt heute zu den<br />

führenden Online-Händlern für Premium-Weine.<br />

probiert, ein Schwätzchen gehalten und ausgesucht. Die<br />

alte und die neue Zeit trennt nur eine Trockenbauwand.<br />

Die meisten Kunden seien männlich, über vierzig Jahre<br />

alt, stammten aus dem Umfeld einer Großstadt und verfügten<br />

über ein relativ hohes Einkommen, berichtet John-Philip<br />

Kautsch. Der Durchschnittspreis für eine im Weinfachgeschäft<br />

gekaufte Flasche liegt laut Zahlen des Deutschen<br />

Weininstituts (DWI) bei rund sechs Euro, bei Silkes Weinkeller<br />

sind es über dreizehn. »Unsere Bestseller kosten<br />

zwischen fünfzehn und dreißig Euro, da würde mancher<br />

Ladenbetreiber doch jubeln.«<br />

Und die Kunden lieben Rotwein: »Wir verkaufen<br />

zu achtzig Prozent Rot, zu zwanzig Prozent Weiß«, sagt<br />

Kautsch. Doch die Weine stammen längst nicht mehr<br />

nur aus Spanien: »2013 kamen fünfundneunzig Prozent<br />

unseres Angebots von dort. Das hatte einen guten Grund:<br />

Es gab damals in Deutschland nur wenige gute Quellen<br />

für spanische Weine. Nun sind es weniger als fünfzig Prozent.«<br />

Aktuell spielt Italien mit vielen Top- Barolos und<br />

Spitzen-Toskanern eine große Rolle, aber auch Frankreich,<br />

Deutschland mit einigen VDP-Betrieben, Österreich und<br />

Südafrika gehören zum Programm. Doch die Vorliebe für<br />

einen bestimmten Weintyp verbinde die Kunden von Silkes<br />

Weinkeller nicht, sagt der Geschäftsführer: »Sehr gut laufen<br />

zugängliche, modern gemachte Rotweine. Zugleich gehört<br />

La Rioja Alta zu unseren erfolgreichsten Spaniern, und<br />

der ist ein ganz traditionell erzeugter Wein.« Die Herren<br />

Kunden mögen vieles, aber nicht alles: »Prosecco geht bei<br />

uns überhaupt nicht, Pinot Noir funktioniert bei unseren<br />

Kunden nicht so recht und auch Monastrell will bei uns<br />

kaum jemand haben«, zählt John-Philip Kautsch auf.<br />

Wein gehört im E-Commerce zu einer lukrativen<br />

Nische: Laut Zahlen des DWI und der Gesellschaft<br />

für Konsum forschung (GfK) wurde 2014 –<br />

neuere Zahlen gibt es nicht – Wein im Wert von rund dreihundert<br />

Millionen Euro übers Netz bestellt, das sind etwa<br />

drei Prozent des gesamten deutschen Wein einkaufs mit<br />

einem Wert von knapp neun Milliarden Euro. Davon geben<br />

die privaten Haushalte etwa 5,7 Milliarden aus. Diese Zahlen<br />

ändern sich seit einigen Jahren nur wenig. Die stramm zweistelligen<br />

Wachstumsraten, die Silkes Wein keller und viele<br />

Wettbewerber jährlich vorweisen, stammen also nicht aus<br />

gestiegener Nachfrage, sondern aus einem Verdrängungswettbewerb.<br />

Dessen sind sich Vollmer und Kautsch bewusst:<br />

»Wir beobachten den Beginn einer Markt bereinigung unter<br />

den Onlinehändlern, da werden viele aufgeben. Zudem<br />

wird mehr Umsatz von den Weinläden ins Netz wandern«,<br />

beschreibt John- Philip Kautsch die mittel fristige Perspektive.<br />

Man könnte auch sagen: Es kommen harte Zeiten. Doch er<br />

ist sich auch sicher: »Der sympathische Weinhändler um<br />

die Ecke wird nie ersetzt werden. Doch seine Rolle wird<br />

sich verändern. Denn auch sehr wohlhabende Kunden vergleichen<br />

heute die Preise akribisch.«<br />

Silkes Weinkeller setzt mit sehr viel Erfolg daher neben<br />

Exklusiv- Vertrieb, Exklusiv-Füllungen und eigenen Cuvées<br />

auf eine Nische, die bislang den Läden vorbehalten war:<br />

Großflaschen. Ob Doppelmagnum, Jeroboam (fünf Liter)<br />

oder Goliath (achtzehn Liter) – die Auswahl ist groß, die Verkaufszahlen<br />

sind es auch. »Die Kunden müssen die schweren<br />

Flaschen nicht ins Auto hinein und wieder heraus wuchten,<br />

sie werden per Spedition auf einer Palette an die Haustür<br />

gebracht«, beschreibt Elena Vollmer den Online-Vorteil.<br />

2018 feiert Silkes Weinkeller seinen zwanzigsten<br />

Geburtstag. Dazu haben die beiden Geschäftsführer ein<br />

Programm geplant, das auch gut in die Pionierzeit des<br />

Unternehmens gepasst hätte: »Wir werden zum ersten Mal<br />

einen Papier katalog drucken lassen«, erzählt John-Philip<br />

Kautsch und lacht. Außerdem kommt der Online-Shop zu<br />

den Kunden: Schon seit vielen Jahren zieht Silkes Weinmesse<br />

in der Lagerhalle weit über tausend Besucher an. Sie<br />

können kosten, mit vielen Winzern reden und bestellen.<br />

Diese Hausmesse wird in diesem Jahr nicht nur in der Gold-<br />

Zack-Straße stattfinden, sondern zudem in München und,<br />

im Oktober, in Wiesbaden. Silkes Weinkeller bleibt damit<br />

auf seinem Weg: Zurück in die Zukunft.<br />

26 <strong>FINE</strong> 1 | 2018 <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>DAS</strong> <strong>MAGAZIN</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>GENUSS</strong> <strong>UND</strong> <strong>LEBENSSTIL</strong> <strong>FINE</strong> 1 | 2018 27

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