Leseprobe CONNEXI Kardiologie Ausgabe 4-2018
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THROMBO-INFLAMMATION<br />
Pathophysiologie des<br />
Reperfusionsschadens<br />
Das No-Reflow-Phänomen, eine Beeinträchtigung<br />
der Mikrozirkulation trotz Wiederherstellung<br />
des Blutflusses in den großen Gefäßen, wurde schon<br />
vor über 50 Jahren beschrieben und bezeichnet die<br />
überraschende Tatsache, dass Rekanalisation nicht<br />
zwingend zu einer Reperfusion führt, insbesondere<br />
im Bereich der kleinen Hirngefäße. Darüber hinaus<br />
induziert die Reperfusion selbst paradoxerweise<br />
eine Gewebeschädigung, die als Ischämie/Reperfusions-Schaden<br />
(I/R-Schaden) bezeichnet wird und<br />
alle Organe betrifft. Im Rahmen des SFB 688 haben<br />
wir uns mit der Frage beschäftigt, welche Mechanismen<br />
dem I/R-Schaden im Gehirn nach ischämischem<br />
Schlaganfall zugrunde liegen. Wir haben<br />
die menschliche Situation bei der Maus simuliert,<br />
in dem wir mit einem Faden die ACM für eine<br />
Stunde unterbunden haben. Trotz Rekanalisation<br />
nach Fadenzug entwickeln die Mäuse innerhalb der<br />
nächsten acht Stunden vollständige Mediainfarkte.<br />
Unter Einsatz molekularer und pharmakologischer<br />
Modelle der Thrombozytenfunktion konnten wir<br />
zeigen, dass die Blockade der frühen reversiblen<br />
Adhäsion über den thrombozytären Glycoproteinrezeptor<br />
(GP) Ib und dessen Bindungspartner Von-<br />
Willebrand-Faktor (vWF) vor dem einsetzenden<br />
Reperfusionsschaden schützt [2]. Ähnliche therapeutische<br />
Effekte ließen sich durch Hemmung des<br />
Kollagenrezeptors GPVI erzielen.<br />
Überraschenderweise war die Hemmung der<br />
Thrombozytenaggregation über GPIIb/IIIa therapeutisch<br />
wirkungslos und zudem mit massiven<br />
Hirnblutungen assoziiert. Dies entspricht den klinischen<br />
Erfahrungen mit GPIIb/IIIa-Inhibitoren<br />
beim Schlaganfall, selbst Aspirin erhöht die Blutungsgefahr,<br />
nicht aber eine GPIb/GPVI-Blockade<br />
im experimentellen Setting. Die unterschiedliche<br />
Blutungsneigung unterstreicht die Bedeutung<br />
einer Restthrombozytenfunktion für die Hämostase<br />
im ischämischen Gehirn. Wir konnten weiter<br />
zeigen, dass sich die Blutungsneigung in Organen<br />
wie dem Gehirn, der Lunge und der Haut unterscheidet<br />
und dass lokale Entzündungsprozesse das<br />
Auftreten von Spontanblutungen begünstigen und<br />
dabei andere Thrombozytenaktivierungswege die<br />
Blutstillung gewährleisten als nach Gewebetraumata<br />
[3].<br />
Zusammenfassend konnten wir einen entscheidenden<br />
Beitrag von Thrombozyten zum Reperfusionsschaden<br />
nach zerebralen Ischämien eindrücklich<br />
belegen, aber auch zeigen, wie wichtig dabei eine<br />
„residuelle“ Thrombozytenfunktion zur Prävention<br />
von Hirnblutungen ist. Die minimalen Erfordernisse<br />
an die Thrombozyten hierfür sind derzeit Gegenstand<br />
intensiver weiterer Untersuchungen.<br />
Thrombo-Inflammation<br />
Prof. Dr. med. Guido Stoll<br />
stoll_g@ukw.de<br />
Die Pathophysiologie des Reperfusionsschadens<br />
nach zerebraler Ischämie birgt aber weitere<br />
Überraschungen in sich: Entgegen der allgemei-<br />
CONFERENCES<br />
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