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Berliner Kurier 13.10.2018

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*<br />

POLITIK<br />

Erbe der CSU<br />

verzockt<br />

Nicht übermächtige<br />

Rechtspopulisten machen<br />

der CSU das Leben<br />

schwer. In Bayern dümpelt<br />

die AfD nämlich bei zehn<br />

Prozent. Und es gibt auch<br />

keine grüne Welle, die global<br />

über den Planeten<br />

schwappt und jetzt Bayern<br />

erreicht –sonötig das vielleicht<br />

wäre. Nein, die CSU<br />

wird die Verantwortung für<br />

das Wähler-Votum am<br />

Sonntag nicht wegschieben<br />

können. Horst Seehofer,<br />

Markus Söder, Alexander<br />

Dobrindt heißen die Männer,<br />

die das Image der Partei<br />

seit Jahren prägen. Und<br />

die das Erbe der einstigen<br />

„50 plus X“-Partei verzockt<br />

haben.<br />

Bayern geht es gut –nicht<br />

wegen, sondern trotz der<br />

CSU. Laptop und Lederhose<br />

–solautete einst die griffige<br />

CSU-Kurzumschreibung.<br />

Heute steht sie indes<br />

für so weltfremde und<br />

rückwärtsgewandte Ideen<br />

wie Herdprämie und Pkw-<br />

Maut, zudem für Brückenschläge<br />

zu Europas Autokraten.<br />

Vor allem hat sich<br />

die CSU einen Ruf als politischer<br />

Störenfried in Berlin<br />

erarbeitet. Mit Verlässlichkeit<br />

–einem Wert, mit dem<br />

Markus Söder gern hausiert<br />

–hat das alles nichts zu tun.<br />

Melania Trump<br />

MEINE<br />

MEINUNG<br />

FRAU DES TAGES<br />

Gegen Cyber-Mobbing und<br />

für gepflegtere Umgangsformen<br />

in sozialen Medien<br />

setzt sich die US-Präsidentengattin<br />

Melania<br />

Trump<br />

mit ihrer<br />

Initiative<br />

„Be Best“<br />

ein –erstaunlich<br />

angesichts<br />

der Tatsache,<br />

dass ihr Gatte einer der<br />

wüstesten Twitter-Pöbler<br />

ist. Ebenfalls Erstaunen löste<br />

die First Lady mit der<br />

Aussage aus, sie selbst sei<br />

„der am meisten gemobbte<br />

Mensch der Welt“.<br />

Foto: dpa<br />

Von<br />

Harald<br />

Stutte<br />

Das<br />

Bayern-<br />

Beben<br />

Ade CSU-Alleinherrschaft: Deutschlands letzter<br />

Volkspartei droht Ungemach. Fünf Gründe dafür<br />

München – Dunkle Gewitterwolken<br />

verdunkeln die blauweiße<br />

Herrlichkeit: Schon<br />

jetzt steht fest, dass die<br />

Landtagswahl Bayern und<br />

wohl auch Deutschland nachhaltig<br />

verändern wird. Denn<br />

nicht nur die CSU-Alleinherrschaft<br />

wird wahrscheinlich<br />

verloren gehen, auch die<br />

Partnersuche wird für die<br />

einstige Volkspartei zum<br />

Drahtseilakt –weil eine historische<br />

Schwäche droht.<br />

Wer hat es verbockt?<br />

Lächeln, egal was passiert: Bayerns<br />

Ministerpräsident Markus<br />

Söder wirkt bei Wahlkampfauftritten<br />

oder in Interviews wie<br />

jenem im gestrigen ZDF-Frühstücksfernsehen<br />

derzeit so gelassen,<br />

dass es schon wieder<br />

auffällt. Und ignoriert alles, was<br />

mit Blick auf den morgigen<br />

Wahltag nach Katastrophe<br />

klingt. Wie die gestrige Umfrage<br />

des ZDF-Politbarometers:<br />

Bei 34 Prozent liegt Söders CSU<br />

da derzeit, fast 14 Prozent weniger<br />

als noch 2013. Die Grünen<br />

kämen demnach auf 19 Prozent,<br />

nach 8,6 Prozent 2013. Die SPD<br />

fiele um über acht Prozent auf<br />

kaum noch wahrnehmbare<br />

zwölf Prozent. Freie Wähler<br />

und AfD liegen bei jeweils zehn<br />

Prozent, die Linke bei 4,4, die<br />

FDP bei 5,5. Es sind vor allem<br />

fünf Gründe, die für das<br />

schlechte Image und den drohenden<br />

historischen Abstieg<br />

der CSU verantwortlich sind.<br />

1. Störenfried Seehofer<br />

Er selbst sieht sich als mutigen,<br />

prinzipienfesten Streiter.<br />

Doch Horst Seehofers<br />

dauernde Störmanöver in der<br />

Koalition, seine Attacken gegen<br />

Angela Merkel und seine<br />

Quengelei in der Asylfrage<br />

haben dazu geführt, dass er<br />

selbst in der eigenen Partei<br />

von 46 Prozent als „Störenfried“<br />

wahrgenommen wird –<br />

in der Gesamtbevölkerung sehen<br />

das 62 Prozent so.<br />

2. Missglückte Stabübergabe<br />

Der eine (Markus Söder)<br />

wollte unbedingt die Macht im<br />

Freistaat –und demonstrierte<br />

Ungeduld. Der andere (Amtsinhaber<br />

Horst Seehofer) wollte<br />

nicht loslassen –und schon gar<br />

nicht dem ungeliebten „Kronprinzen“<br />

Söder Platz machen.<br />

Es kam zu einem würdelosen<br />

Gezerre um die Macht –und zu<br />

34%<br />

... für die CSU ergibt das ZDF-<br />

Politbarometer –eine historische<br />

Zäsur.Unter 40 Prozent lag die<br />

Partei zuletzt 1954.<br />

einer „Machtteilung“: Söder<br />

wurde „Landesvater“, Seehofer<br />

blieb CSU-Chef. Beide, charakterlich<br />

schwierig, arbeiten gegeneinander.<br />

3. Der Rücktritt vom Rücktritt<br />

Seehofers Tiefpunkt: Anfang<br />

Juli 2018 kündigte er überraschend<br />

an, den Parteivorsitz<br />

und sein Ministeramt in Berlin<br />

aufzugeben. Später ruderte er<br />

zurück –und gilt seitdem als<br />

„politisch Untoter“.<br />

4. Die CSU als billige AfD-<br />

Kopie „Asyltourismus“ (Söder),<br />

der „Spaß“ mit den 69<br />

Abschiebungen am 69. Geburtstag<br />

(Seehofer) –rhetorisch<br />

hat sich die CSU der<br />

AfD bereits angenähert. Doch<br />

wie so oft bevorzugt der<br />

Wähler dann doch das Original.<br />

5. Die magere CSU-Bilanz<br />

in der <strong>Berliner</strong> Koalition<br />

Die gescheiterte Pkw-Maut,<br />

die Herdprämie (Betreuungsgeld,<br />

vom Verfassungsgericht<br />

kassiert), dazu die politische<br />

Nähe zu Autokraten wie Wladimir<br />

Putin oder Viktor Orbán –<br />

es sind nur einige Beispiele für<br />

politisch fragwürdige Projekte,<br />

für die sich die CSU im Bund<br />

starkgemacht hat. Die meisten<br />

Bürger irritiert das. STU

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