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RE KW 42

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2019 mit kraftvollen Symbolen, gezielt<br />

eingesetzten Materialien – wie<br />

Mineralien, Holz, Gewebe, Textfragmenten<br />

sowie Edelmetallen zum<br />

Eintauchen und zeitlosen Innehalten<br />

ein. „In einer schnelllebigen<br />

Zeit möchte ich Schönheit und<br />

Stille vermitteln sowie Dinge aufzeigen,<br />

die im Verborgenen eines jeden<br />

schlummern und erweckt werden<br />

können“, erklärt Pfleghar ihre Exponate<br />

und fügt hinzu: „Die Bilder<br />

sollen einen Weg eröffnen, der uns<br />

selbst erkennen lässt und Ehrfurcht<br />

sowie Dankbarkeit spüren lassen<br />

möchte.“ Die gebürtige Münchnerin<br />

entwickelte sich aufgrund<br />

der vielfältigen künstlerischen und<br />

Lachen kann befreien. Es kann einem aber auch im Halse stecken<br />

bleiben: Diese Bipolarität konnte man am Samstag beim<br />

Gastspiel des Theaters im Wohnzimmer in der Reuttener Kellerei<br />

erleben. „Der Gott des Gemetzels“ war beste Unterhaltung, hinterließ<br />

aber auch eine gehörige Portion Ratlosigkeit.<br />

kunsthandwerklichen Erfahrungen,<br />

die sie in ihre Werken einbringt<br />

und vieler eigener experimenteller<br />

Mischtechniken, die sie auf unterschiedlichen<br />

Malgründen einsetzt.<br />

So kreiert Pfleghar in ihrem künstlerischen<br />

Gestalten nicht ausschließlich<br />

Gemälde auf Leinwand, Stoffen<br />

und Papier – sie wendet auch die<br />

klassischen Techniken der Lithographie<br />

an und gestaltet in aufwändiger<br />

Malerei kunstvolle Kerzen.<br />

Die freischaffende Künstlerin führt<br />

seit über 25 Jahren eine erfolgreiche<br />

Kunstschule und ist auf zahlreichen<br />

Einzelausstellungen zu Fachmessen<br />

im In- und Ausland vertreten. Näheres<br />

unter www.atelierpfleghar.de<br />

Jeder ist allein<br />

„Der Gott des Gemetzels“ in der Kellerei: eine Metapher über das menschliche Miteinander<br />

Von Jürgen Gerrmann<br />

Ob das zwölf Jahre alte Stück<br />

von Yasmina Reza, das den meisten<br />

wohl in erster Linie als Roman<br />

Polanski-Film (unter anderem mit<br />

Jodie Foster und Christoph Waltz)<br />

im Bewusstsein verankert sein dürfte,<br />

nun eine Komödie oder Tragödie<br />

ist – die Antwort auf diese Frage<br />

schwingt wohl ständig hin und her.<br />

Und zuweilen liegt das ja tatsächlich<br />

ganz, ganz eng beieinander. Da<br />

braucht das Pendel nur eine minimale<br />

Amplitude zu haben.<br />

EIN FUNKE <strong>RE</strong>ICHT. Nach<br />

einem etwas zähen Beginn (Schauspieler<br />

und Publikum mussten sich<br />

wohl erst aneinander gewöhnen),<br />

nahmen die Dinge dann doch Fahrt<br />

auf. Eine Funke reicht. Für eine<br />

Explosion der Emotionen von vier<br />

Leuten, die überzeugt davon sind,<br />

Konflikte zivilisiert lösen zu können<br />

und daran scheitern, die Fassade<br />

der Zivilisiertheit, ja der Zivilisation<br />

mühsam immer wieder zu flicken.<br />

Am Ende stürzt sie dann doch<br />

ein, bricht zusammen.<br />

Und dieser Funke sprang dann<br />

auch auf das Publikum über, in dem<br />

viele – im Laufe der Inszenierung<br />

von Markus Tavakoli, der, genau wie<br />

seine Mit-Akteure Christina Trefny,<br />

Daniela Kong und Johannes Rhomberg,<br />

mit zunehmender Dynamik<br />

auch zur Höchstleistung auflief) –<br />

gespürt haben dürften, dass sie nicht<br />

nur Zuschauer sind, sondern es auch<br />

um sie, ja im Grunde die ganze<br />

Menschheit geht. Denn das, was da<br />

geradezu exemplarisch abläuft, ereignet<br />

sich ja im Grunde nicht nur<br />

im trauten Wohnzimmer, sondern<br />

auch auf der großen weltpolitischen<br />

Bühne.<br />

17./18. Oktober 2018<br />

ALLE DÄMME B<strong>RE</strong>CHEN.<br />

Gewaltfreie Kommunikation, politische<br />

Korrektheit: Gilt das nur, solange<br />

es einem selbst nutzt? Wer hält<br />

den anderen, wer hält die anderen<br />

wirklich aus? Was brodelt in einem?<br />

Soll man es im Innersten behalten<br />

oder muss es „einfach mal raus“?<br />

So, wie im Stück ein Streit unter<br />

Schulbuben, bedarf es auch sonst<br />

oft (oder zumeist) nur Kleinigkeiten,<br />

um alle Dämme brechen zu lassen.<br />

Und dann lösen sich alle Fronten<br />

auf, dann läuft man zur Gegenseite<br />

über, dann heißt es: jeder gegen jeden<br />

und jeder mit jedem. Jeder fällt<br />

jedem in den Rücken. Jeder ist sich<br />

selbst der Nächste. Beziehungsweise:<br />

Jeder und jede ist sich selbst der<br />

oder die einzige.<br />

Gibt es überhaupt Verbündete?<br />

Gibt es überhaupt Verbundenheit?<br />

Ist die Heuchelei (sei es über den<br />

Kuchen, der gräßlich schmeckt, aber<br />

dennoch das Prädikat „wunderbar“<br />

erhält, sei es über die Gewaltlosigkeit)<br />

der einzige Kitt, der die Attrappe<br />

noch zusammenhält? Fragen<br />

über Fragen.<br />

LACHEN MIT SCH<strong>RE</strong>CKEN.<br />

Das Stück lässt einen lachen, aber<br />

das, was in einem schlummert und<br />

der Gott des Gemetzels im Streit<br />

so trefflich aus einem herauszukitzeln<br />

versteht, ist schrecklich, zum<br />

Erschrecken – auch für einen selbst.<br />

Und es lässt einen irgendwie ratlos<br />

zurück. Verschütteten Rum kriegt<br />

man nicht mehr in die Flasche zurück.<br />

Zerrupfte Rosen werden nie<br />

mehr eine Blume.<br />

Sollte es doch so sein, wie es Hermann<br />

Hesse in seinem herbstlichen<br />

Gedicht beschreibt? „Seltsam, im<br />

Nebel zu wandern. Leben ist Einsamsein.<br />

Kein Mensch kennt den<br />

andern. Jeder ist allein.“<br />

Auch das zählt zu den Fragen, die<br />

man nach dem offenen Ende dieses<br />

Dramas mit nach Hause nehmen<br />

konnte.<br />

AUSSERFERNER<br />

SEIT 1922<br />

NACHRICHTEN<br />

RUNDSCHAU<br />

Hier hält die Fassade noch. Aber schon bald schlägt der Gott des Gemetzels zu.<br />

Johannes Rhomberg, Christina Trefny, Markus Tavakoli (er fungierte auch als Regisseur)<br />

und Daniela Kong (v.l.) wurden mit zunehmender Dynamik immer besser.<br />

RS-Foto: Gerrmann<br />

Seite 35

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