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Berliner Kurier 26.10.2018

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10 BERLIN BERLINER KURIER, Freitag, 26. Oktober 2018*<br />

Kreuzberg:<br />

Die Cuvry-Brache ist noch<br />

immer nur teilbebaut.<br />

Zalando hatte sich vondort<br />

zurückgezogen.<br />

Warum haben<br />

die den<br />

Ärger vorher<br />

nicht mal<br />

Demonstranten ziehen<br />

vorden geplanten Google<br />

Campus. Einige vonihnen<br />

besetzen das Haus.<br />

gegoogelt?<br />

Nach dem Rückzieher von<br />

Google fürchten Politiker,dass<br />

der Szene-Bezirk eine No-Go-Area<br />

für Internet-Unternehmen wird<br />

Kreuzberg, Spielplatz<br />

der linksalternativen<br />

Szene und ein Risiko<br />

für Großinvestoren: Der<br />

Rückzug des Weltkonzerns<br />

Google schlug ein wie eine<br />

Bombe. Selbst Job-Motoren<br />

scheinen in Kreuzberg nicht<br />

erwünscht zu sein. Dort setzt<br />

man lieber auf soziale Projekte,<br />

gewinnorientierte Unternehmen<br />

werden vergrault.<br />

Proteste und Hausbesetzungen<br />

lohnen sich nirgends<br />

mehr als in dem rot-rot-grün<br />

regierten Bezirk. Dabei hätte<br />

der Internet-Gigant mit dem<br />

Ärger rechnen müssen. Hätte<br />

er einfach mal „Kreuzberg“<br />

und „Investoren“ gegoogelt.<br />

Der Rückzug von Google<br />

(KURIER berichtete) sorgt<br />

für Kopfschütteln. Der SPD-<br />

Innenexperte Tom Schreiber<br />

erklärte gestern: „Ich finde es<br />

bemerkenswert, wie Investoren<br />

gegen den Wohnungsbau<br />

in Berlin ausgespielt werden“.<br />

Schreiber findet es befremdlich,<br />

„wenn die politische<br />

Ideologie größer ist, als der<br />

Verstand“. Vor allem in Friedrichshain-Kreuzberg<br />

werden<br />

offenbar zahlreiche Vorhaben<br />

nicht realisiert. Weil Linksaktivisten<br />

mehr Gehör als Wirtschaftsexperten<br />

finden?<br />

Damit wird aber an potenzielle<br />

Investoren die Botschaft<br />

gesendet: „Kommt bloß nicht<br />

nach Berlin, erst recht nicht<br />

nach Kreuzberg!“ kritisierte<br />

FDP-Fraktionschef Sebastian<br />

Czaja. Es werde Milieuschutz-Fanatiker<br />

ermutigen,<br />

jegliche Veränderung radikal<br />

zu torpedieren“, so Czaja.<br />

Das Google-Aus sei ein<br />

„schmerzhafter Tiefschlag“<br />

für die Stadt, kritisierte Christian<br />

Gräff, wirtschaftspolitischer<br />

Sprecher der CDU-<br />

Fraktion. Selbst der angesehene<br />

Nachrichtensender BBC<br />

hatte sich gewundert, dass lokale<br />

Aktivisten gegen die Zukunftspläne<br />

Googles protestiert<br />

hatten. „Solche Berichte<br />

schrecken Investoren ab, sodass<br />

sie mit ihren innovativen<br />

Ideen künftig einen Bogen um<br />

unsere Stadt machen könnten“,<br />

sagte Gräff.<br />

Ein Dutzend Google-Feinde<br />

hatte im September das Gebäude<br />

am Paul-Lincke-Ufer.<br />

besetzt, etwa 100 Demonstranten<br />

tönten zeitgleich,<br />

Google solle sich aus Kreuzberg<br />

zurückziehen.<br />

Gegner des Konzerns wie<br />

die Initiative „Fuckoffgoogle“<br />

argumentierten wie folgt:<br />

„Steigende Mieten und Wohnungen<br />

als Spekulationsobjekte<br />

der Start-up-Industrie<br />

zerstören die Lebensgrundlage<br />

unserer Nachbarn.“ Menschen<br />

dürften nicht von Algorithmen<br />

kontrolliert werden.<br />

Zudem würde sich Google<br />

systematisch dem EU-Gesetz<br />

und den Steuern entziehen<br />

wollen, heißt es.<br />

Der Gegenwind durch die<br />

Anwohner wurde stärker, die<br />

Unterstützung immer weniger.<br />

Was folgte, war der weitere<br />

Verlust eines potenziellen<br />

Wirtschaftsriesen für die<br />

Hauptstadt. Dafür reichten<br />

ein paar Proteste und eine<br />

kurze Besetzung des Gebäudes<br />

im September. Zwei sozial<br />

engagierte Projekte sollen<br />

jetzt in das ehemalige Umspannwerk<br />

am Paul-Lincke-<br />

Ufer einziehen und im April<br />

2019 die Arbeit aufnehmen.<br />

Das Google-Aus ist kein Einzelfall,<br />

aber sicher das symbolträchtigste<br />

Beispiel für die<br />

Wirtschafts- und Wohnungspolitik<br />

in Friedrichshain-<br />

Kreuzberg. Unternehmer<br />

Christoph Gröner übte im August<br />

auf einem Plakat an seinem<br />

gekauften Hochhaus Kritik:<br />

„Hier verhindert Rot-Rot-<br />

Grün (Friedrichshain-Kreuzberg)<br />

623 Wohnungen, davon<br />

182 geförderte Einheiten und<br />

55 preisgedämpfte Wohneinheiten.“<br />

Er hatte nach dem<br />

Kauf des Postscheckamtes auf<br />

mehr Unterstützung vom Bezirk<br />

gehofft.<br />

Weitere Knirsch-Projekte:<br />

Seit Jahren gibt es Zoff um die<br />

Cuvry-Brache. Erst war ein<br />

Technologie-Zentrum geplant,<br />

dann sollten Hotels und<br />

Büros entstehen. Schließlich<br />

sprang sogar Zalando ab, was<br />

beim Bezirk sogar für Erleichterung<br />

sorgte. „Eine Ansiedlung<br />

hätte Verkehrsprobleme<br />

verursacht“, sagte Katrin<br />

Schmidberger (Grüne) damals.<br />

Ein weiteres Beispiel für<br />

jahrelanges Hickhack ist das<br />

RAW-Gelände an der Warschauer<br />

Straße. Auf dem Dragoner-Areal<br />

am Mehringdamm<br />

wurde ein Privatinvestor<br />

gezielt vergrault, weil es in<br />

den Besitz des Landes Berlin<br />

übergehen soll. Mit dieser<br />

Vorgehensweise soll Mietwucher<br />

verhindert werden. LEX

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