KEM Konstruktion 09.2017
Trendthemen: Digitalisierung, Windenergieanlagen im Fokus, Lösungen für die Werkzeugmaschine 4.0; Messe Composites Europe 2017; KEM Porträt: Jens Stadter, Vice President Cable Carrier Systems, Tsubaki Kabelschlepp Group; KEM Perspektiven: Werkzeugmaschine 4.0
Trendthemen: Digitalisierung, Windenergieanlagen im Fokus, Lösungen für die Werkzeugmaschine 4.0; Messe Composites Europe 2017; KEM Porträt: Jens Stadter, Vice President Cable Carrier Systems, Tsubaki Kabelschlepp Group; KEM Perspektiven: Werkzeugmaschine 4.0
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TRENDS<br />
PERSPEKTIVEN<br />
PERSPEKTIVEN<br />
„Mit der Digitalisierung<br />
entsteht ein neues Arbeitsfeld,<br />
das weit über<br />
die Maschine hinausgeht.<br />
“<br />
„Wesentliche Potenziale<br />
der Industrie 4.0 liegen<br />
in der Automatisierung<br />
des gesamten<br />
Auftragsdurchlaufs<br />
und der Behebung von<br />
Prozessstörungen.“<br />
Bild: Siemens<br />
Michael Brückner, Vice President<br />
Sales Machine Tool Systems,<br />
Siemens<br />
Bild: Trumpf<br />
Dr. Heinz-Jürgen Prokop,<br />
Vorsitzender des VDW in Frankfurt<br />
am Main und CEO des Geschäftsbereichs<br />
Werkzeugmaschinen bei<br />
Trumpf in Ditzingen<br />
tert er. Damit seien wirtschaftliche Lösungen für Prozess- und Condition<br />
Monitoring von der Einzelmaschine bis hin zur Fertigungszelle<br />
möglich. Das integrierte Diagnoselogbuch erlaube zudem eine<br />
Top-10-Fehleranalyse zur Optimierung der Maschinenverfügbarkeit.<br />
Digitalisierung bringt neue Geschäftsmodelle<br />
Doch nicht nur die sinnvolle Nutzung der anfallenden Datenflut gehört<br />
zu den Herausforderungen, denen sich die Werkzeugmaschinenbranche<br />
im Zeitalter von Industrie 4.0 gegenübersieht. „Mit Digitalisierung<br />
entsteht ein neues Arbeitsfeld, das weit über die Maschine<br />
hinausgeht. Das resultierende Geschäft mit Software und<br />
Services unterscheidet sich sehr deutlich vom klassischen Verkauf<br />
der Maschine“, nennt Michael Brückner, Vice President Sales im Bereich<br />
Machine Tool Systems bei Siemens eine dieser Herausforderungen.<br />
Zudem drehe es sich nicht nur um Anwendungen mit neuen<br />
Maschinen. „Vielfach suchen Kunden Lösungen, die den bestehenden<br />
Maschinenbestand (Brownfield) mit einbinden“, so Brückner.<br />
Dass mit den Chancen der Digitalisierung auch Risiken einhergehen<br />
sieht auch VDW-Chef Prokop: „Es werden neue Geschäftsmodelle<br />
entstehen, die erst durch Vernetzungstechnologien möglich<br />
werden und für den Kunden neue Dienstleistungsangebote erschließen.<br />
All das wird die Märkte, wie wir sie bisher kannten, verändern.<br />
Auch unser Verständnis von Arbeit und schließlich auch der<br />
Unternehmenskulturen wird sich einem Wandel unterziehen.“ Um<br />
den Anforderungen der Kunden in der vernetzten Welt von morgen<br />
gerecht werden zu können, müssen Mitarbeiter Prokop zufolge zunehmend<br />
in der Lage sein, schnell und flexibel die richtigen Entscheidungen<br />
dort zu treffen, wo sie benötigt werden. Es bedürfe daher<br />
einer Veränderung des Rollenverständnisses der Führungskräfte.<br />
Weiterhin müssten Fachbereiche gemeinsam an Lösungen arbeiten.<br />
„All dem steht das in den vergangenen 100 Jahren geprägte<br />
Denken in hierarchischen Organisationsstrukturen entgegen. Es benötigt<br />
daher einen kulturellen Wandel für dessen Zielzustand der<br />
Begriff „Agile“ geprägt wurde“, ist er überzeugt. Für Grob-Experte<br />
Frank besteht eine weitere Herausforderung in der „Schaffung einheitlicher<br />
Standards, um eine herstellerübergreifende Konnektivität<br />
und die Bildung einer gemeinsamen Plattformtechnologie zu erreichen“.<br />
Kommen wir zu den Chancen der Digitalisierung: Stichworte sind<br />
hier der digitale Zwilling oder die Integration der virtuellen in die reale<br />
Welt. Doch welchen Mehrwert bieten diese Ansätze den Werkzeugmaschinenbauern<br />
und -betreibern? „Die Arbeit mit Modellen<br />
und Simulationen ist unser tägliches Geschäft. Spannend wird es,<br />
wenn man diese Daten mit den in Echtzeit erhobenen Daten vergleicht“,<br />
nennt Schuler-Mann Werbs den Vorteil digitaler Zwillinge. Eine<br />
Abweichung zwischen Soll- und Ist-Zustand – beispielsweise bei<br />
der Temperatur oder dem Motorstrom – könne schon in einem frühen<br />
Stadium auf Fehler hinweisen. Dem kann Markus Frank vom<br />
Maschinenbauer Grob-Werke nur beipflichten: „Die Echtzeitdaten<br />
liefern ein direktes Feedback und unterstützen die Entwicklung zur<br />
selbstlernenden Maschine. Der digitale Zwilling erlaubt es, Verfahren<br />
zu testen und Abläufe durchzuspielen ohne dabei die laufende<br />
Produktion zu belasten. Weiter bildet sich hier ein enormer Kostenvorteil,<br />
da physikalische Anlagen nicht beeinflusst werden.“ Auch die<br />
Automatisierer sehen die Vorteile dieser Technologie darin, dass sich<br />
Abläufe risikofrei testen lassen. „Mit einem digitalen Zwilling können<br />
Konstrukteure ihre Anlagen vorab simulieren und testen. Maschinenhersteller<br />
werden die Steuerung zeitsparend vor oder parallel<br />
zur Maschinenmontage virtuell in Betrieb nehmen. Das spart Programmieraufwand<br />
und verkürzt die Time-to-Market“, betont Hansjörg<br />
Sannwald von Bosch Rexroth. Und für seinen Kollegen Brückner<br />
von Siemens macht der digitale Zwilling die Digitalisierung sichtbar.<br />
„Der digitale Zwilling der Maschine kann in mehreren Anwendungsfällen<br />
zum Einsatz kommen: zu Beginn beim Erstellen eines<br />
Maschinenkonzeptes, bei der virtuellen Inbetriebnahme, zur Vorführung<br />
beim Verkauf der Maschine, beim Einfahren von Teilen in der<br />
Produktion bis hin zum Umbau und Service. Damit ergeben sich<br />
deutliche Zeiteinsparungen, Verbesserungen im Konzept sowie der<br />
Qualität und der Ausbringung in der Produktion“, wird er konkret.<br />
Kostenvorteile durch virtuelle Werkzeugmaschine<br />
Die Integration von virtueller und realer Welt ist also in vollem Gange.<br />
Der VDW-Vorsitzende Prokop sieht die sich daraus ergebenden<br />
Vorteile darin, dass man „mit der virtuellen Werkzeugmaschine in<br />
der Arbeitsvorbereitung frühzeitig das reale Maschinenverhalten berücksichtigen<br />
und sogar hauptzeitparallel NC-Programme einfahren<br />
kann“. So ließen beispielsweise Kollisionsprüfungen durchführen<br />
und damit erheblich Zeit und Kosten einsparen sowie Maschinenstillstände<br />
und Ausschuss vermeiden. Auch helfe die Simulation, die<br />
optimale Fertigungsmaschine aus dem verfügbaren Maschinenpool<br />
zu finden. „In Verbindung mit der Vorabkenntnis der Bearbeitungsdauer<br />
kann so eine optimale Feinplanung aller Bearbeitungsschritte<br />
erfolgen und damit die Produktionskosten gesenkt und die Liefer-<br />
52 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> 09 2017