Berliner Zeitung 01.12.2018

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Berliner Zeitung · N ummer 281 · 1 ./2. Dezember 2018 – S eite 26 * ························································································································································································································································································· Sport Bayer 04 Leverkusen Ein Söckchen kommtselten allein in der Adventszeit. Aber es ist wohl Zufall,dass der „Adventskalender 18/19“ (29,90 Euro) genausoviele Söckchen hat wie die Mannschaft Gegentörchen. Irgendein Hintertürchen war immer offen. RB Leipzig Mit der„RBL-Christbaumspitze“ (12,95 Euro) will der Klub ganz nach oben. In Europa geht es abwärts. Dortist die Breite an der Salzburger „RBS-Christbaumspitze“ dichter geworden. Frohes Fest im Bullenstaat RB. VfB Stuttgart Mit dem „Kissen Winterlandschaft“ (14,95 Euro) kann man es sich so richtig gemütlich machen im Tabellenkeller. Antigefriertipp: WarmeGedanken im Schein der Roten Laterne. Hannover 96 Keine Frisbee- sondernein scheibe, „Weihnachtsteller“ h (12,96 Euro). Kennt man laut Produktbeschreibung „mit all den süßen Verführungen noch aus der Kindheit“. Ein Kind hat besonders gern genascht: Klubmäzen Martin. Heute bevorzugt er Präsentierteller. 1. FC Nürnberg Die „Mini-Litfaßsäule“ (6,50 Euro) ist mit „sechs feinsten schokolierten Mini- Elisen-Lebkuchen“ gefüllt. Lecker! Aber bitte nicht aufdie Zutatenachten: Hühnereitrockeneiweiß, Natriumhydrogencarbonat, Sojalecthine und das Feuchthaltemittel Sorbit. Dann lieber trocken feiern. Borussia Mönchengladbach Nichts ist mehr heilig im Fußball, nicht malWeihnachten, also auch nicht die„Weihnachtsschokolade“ (1,99 Euro). Dieses Wortspiel istein grobes Foul an derTradition. Bitte übernehmen Sie, Schiedsrichterchef Lutz Michael Fohlig,äh, Fröhlich. FSV Mainz 05 Eins, zwei, drei, Mainz! Die „Weihnachtskarte Tannenbaum“ Borussia Dortmund (2,95 Euro) ist voller „Abbildungen aus dem Bereich Fußball“. Ausdem Bereich Fußball- gleich der „BVB-Schneemann“ (6,95 Euro) „Dieser niedliche Weihnachtsmann“ ist zumarketing stammen wohl dieBegriffe „Goal“ und „Soccer“. One, LucienFavre gefällt das. Polyvalenter und geht auch als Knecht Ruprecht durch. two, three, Christmas tree. geht es kaum. Es vereinachtet sehr Advent, Advent, der Fanshop brennt! Zumindest laufen die Onlineportale der Bundesligaklubs heiß. Haben Sie noch kein Weihnachtsgeschenk gefunden? Müssen Sie noch ein leeres Söckchen füllen? Hier unsere 18 Vorschläge für jeden Geldbeutel, passend zu jedem schlechten Geschmack und unter Berücksichtigung strenger Wortspielregeln. Und jetzt viel Erfolg beim Shoppen. VonPaul Linke FC BayernMünchen Der „Weihnachtsbaum“ (14,95 Euro) mit Kugeln und Schleifen in Hoeneßrot „versprüht Vorfreude“. Aber worauf? Die Mannschaft hat sich doch zuletzt so viele Eier ins Nest gelegt, als wäre der Weihnachtsmann ein Osterhase. Werder Bremen Das Wauf dem Trikot steht für Weihnachten und der „Keksausstecher Raute“ (6,99 Euro) für „Fan-Nähe ohne aufdringlich zu sein“. Heißt: Hier findet noch jeder ein Plätzchen. VfL Wolfsburg Wergerne einen im Teelicht hat, braucht dieses Ding aus Birkensperrholz, natur.Mit hochprozentiger Vorbereitung ist das „Holzwindlicht Sterne-VfL“ (8,95 Euro) dann tatsächlich ein „Hingucker für die Weihnachtszeit“. Hertha BSC Über die „Schneekugel Weihnachten“ (13,95 Euro) heißt es: „Winzige, weiße Schneeflocken wirbeln durch die Luft und zaubernHerthinho in faszinierende Winterwelten.“ In Berlin kannst du alles sein. Auch härter im Nehmen vonDrogen. Ha, ho, ho, ho, he! 1899 Hoffenheim Der sogenannte Plastikklub geht mit einem„TSG Weihnachtskugeln 3er-Set“ (9,95 Euro) ins Geschenkerennen. Material: „100% Kunststoff“. Tradition verpflichtet. Fortuna Düsseldorf Killepitsch (18,95 Euro) ist„ön äschte Spezijalität met dä äschten Fortuna“. Die limitierte Klubedition („Deine Heimat, Dein Verein, Dein Likör“) enthält 98 Kräuter.Einen Sprachfehler gibt es gratis dazu. Eintracht Frankfurt „Der verrückte Weihnachts-Pullover (59,95 Euro) stellt alles in den Schatten!“ Bei Licht betrachtet hoffentlich auch die Schamgefühle. Warnung: „Rudi-the-red-nose“ ist mit einer LED-Nase ausgestattet, „die bei Bewegung anfängt zu blinken“. Wirklich nur für Verrückte. FC Schalke04 Wenn es rundläuft mit dem „Feuerkorb Eckig im Pott-Style“(179,95 Euro), dann „erstrahlt dein Garten mit Schalke-Logound Glück-Auf-Schriftzug in königsblauem Glanz“. Eignet sich auch zum Verbrennen vonSaisonwunschzetteln. FC Augsburg Der „Adventskalender 2018“ (4,95 Euro) eignet sich nach Klubangaben als „Geschenk oder als Präsent“. Die „120 gFairtrade Edel-Vollmilch Schokolade“ sind auch als Mitbringsel denkbar.Selbst in einem Jahr noch. So langeist Vollmilchschokolade haltbar.Erst dann wird sie zum Souvenir. SC Freiburg Die weihnachtlich hip frisierte Badeente „Santa“ (6,95 Euro) hat zwar keinen Jutesack. Mit ihrem natürlichen Duckface ist sie aber ein perfekter Selfiepartner.
Berliner Zeitung · N ummer 281 · 1 ./2. Dezember 2018 – S eite 27 ························································································································································································································································································· Feuilleton Die Höhepunkte der Französischen Filmwoche Seite 32 „Ängste sind flüchtig.“ Arno Widmannineinem Essay über das „Zeitalter der Angst“ Seite 30 Kasper der Macht „Macbeth“ am Berliner Ensemble: Michael Thalheimer vollstreckt die Shakespeare-Bearbeitung von Heiner Müller VonUlrich Seidler Die Silhouette des Königs von Schottland auf dem Wegandie Rampe: Ingo Hülsmann als Duncan. IMAGO So ein ritterliches Zweihandschwert aus Eisen wiegt ja ganz schön was: bei bis zu zwei MeternLänge gernmal sechs Kilogramm, steht im Internet. Der titelgebende Kriegsheld Macbeth (Sascha Nathan) und sein Mitstreiter und späterer Albtraumwidersacher Banquo (Tilo Nest) schleifen die Waffen hinter sich her, erschöpft vom Morden, klar. Aber die beiden eher unsportlichen Figuren im Berliner Ensemble wirken nicht so, als würden sie das Werkzeug im Kampf für Schottlands Krone (Achtung symbolisches Alarmverb:) hochkriegen. Sie müssten erst einmal ziemlich viel Eigengewicht in Schwung bringen, um irgendjemanden aufzuschlitzen „als wärs ein Händeschütteln, vom Nabel hoch ans Kinn“. So heißt es in der Shakespeare-Bearbeitung von Heiner Müller aus dem Jahr 1971, und weiter: „Die gingen los, geladen/ Wie zwei Kanonen mit doppeltem Gepäck/ Und räumen auf mit Feind und Feind vierhändig/ Als ob sie baden wolln in denWundlöchern/ Und spielen mit den Knochen Golgatha.“ Geladen mit doppeltem Gepäck, das umschreibt sehr schön die Spielweise, die Michael Thalheimer seit Jahr und Tagseinem Bühnenpersonal abverlangt. Nebel füllt die Bühne, gedrillte Silhouetten schälen sich in der Tiefe aus dem Gewaber, schreiten steifen schweren Schrittes an die Rampe, in die Dreidimensionalität des Kantenlichts. Sie steigen in ihre Posen wie in Schutzanzüge, keilen sich die Grimassen ins Gesicht, als müssten sie Gewichte stemmen, Schmerzenaushalten oder was ganz Kompliziertes im Kopf ausrechnen. Dann: Text. In Brocken. Heraufgewürgt, mit derben Mundwerkzeugen geschmiedet, silbenweise in den Lauf geschoben. DieGeschosse werden mit großem Bums abgefeuert, fast immer streng nach vorn und über die Köpfe der Zuschauer hinweg, sind aber so überladen, dass sie in den Saal plumpsen. Blut. Knochen. Sieg. Than. Held. Hass.Samen. Zeit. Macht. Tod. Undirgendwas dazwischen. Nichts kommt aus dem Augenblick, alles ist Form, Arrangement, Pose, Sport und Protokoll. Thalheimer eben. Müller soll das Stück nicht gemocht haben, hat er in Interviews behauptet. Shakespearehält das Geschehen in der Schwebe zwischen Vorherbestimmtheit durch überirdische Kräfte,Macbeths hybrische Allmachtsfantasien und seinen eigentlich schwachen Willen. Damit bleibt der Schotte trotz seiner Hysterie und Brutalität Identifikationsfigur. Sie Macbeth vonHeiner Müller nach William Shakespeare Regie: Michael Thalheimer Bühne: Olaf Altmann Kostüme: Nehle Balkhausen Musik: BertWrede wird langsam zerrissen in dem Widerspruch von selbstbestimmtem Handeln und fremdbestimmtem Getriebensein. Es ist ein Machtspiel, klar, aber eines, das jeder ausficht und selbst verlieren muss, was nicht heißt, dass jeder gleich König werden muss und über Leichen geht. Müller schält das Überirdische ab,strafft die ohnehin knappe Handlung bis zum Reißen und zieht dem Ganzen noch eine Bauernebene ein. Um seinen Klassenstandpunkt deutlich zu machen? Viehisch werden die Bauern indem Stück behandelt, in den Sumpf geworfen, in den Block gespannt, geschlachtet ohne große Umstände und ohne, dass dies in irgendeiner Weise das Geschehen auf LIFE’S BUT A WALKING SHADOW Es spielen: Sascha Nathan (Macbeth), Constanze Becker (LadyMacbeth), Tilo Nest (Banquo), Kathrin Wehlisch (Malcolm u.a.), Ingo Hülsmann (Duncan u.a.), Niklas Kohrt(Hexe, Mörder) Weitere Vorstellungen: 3., 6., 26. Dezember, 7. Januar,jeweils 19.30Uhr im Berliner Ensemble Kartentelefon: 28408155 oder berliner-ensemble.de der Adelsebene beeinflussen würde. Noch. Dieses unbestimmte vegetative massige Brodeln unterhalb der Handlung relativiert alle altmodischen Machtspiele der Individualität. Müller-Dämmerung. Thalheimer hat das gestrichen. Ein sterbender Bauer ist übrig. Macbeth schleppt ihn herbei, klatscht ihn auf die Rampe, wodas Geschöpf mit verdutztem Blick ausblutet. Lady Macbeth (Constanze Becker) will ihr Auge üben, bevor ihr Mann zur Tat schreitet, König Duncan im Schlaf ermordet und seine Krone raubt. Sietut gut daran, auch wenn sie sich nach erstem sadistischen Interesse doch übergeben muss, denn ihr Gatte schafft es zwar, den König irgendwie abzustechen, aber dann vergisst er in der Panik, die Dolche bei den betäubten Dienern zurückzulassen. Und nun traut er sich nicht zurück. Dasist der eine Moment an diesem Textausrufeabend, in dem es so etwas wie Dialog gibt: Die Lady herrscht das Nervenbündel an und erledigt die Drecksarbeit eigenhändig. Hier bleibt dann auch der Fokus: bei der Ehehygiene im Hause Macbeth. Der Shakespeare-Interpret Harold Bloom beschreibt die beiden als überwältigend erhabene Gestalten, vollkommen glaubwürdige,wertvolle Persönlichkeiten, die einander innig lieben. „Mit einer Ironie ohnegleichen zeigt uns Shakespeare die beiden als das glücklichste Ehepaar in seinem ganzen Werk.“ Davon ist schon bei Müller wenig übrig: Sexund Todestrieb. Bei Thalheimer wird nun ein Slapstick daraus.Der Machtzuwachsdes bisdahin nichternstzunehmenden traurigen Dickerchens, mit dem die Lady wie mit einem Teddy spielt, steigt MacbethzuKopfe. Auf die im Machtrausch entflammte Gattin reagierternun wie ein Kasper, derein neues Spielzeug entdeckt hat. Mit entblößten Brüsten lässt er sie stehen, spricht „Meine Braut ist Schottland“ und winkt sie abfällig aus dem Licht. Als sie nicht weicht, gibt es einen Schubser mit dem nackten Bauch. Erleichterte Lacher im Saal. Aber im nächsten Bild rollt er dann wieder Peter-Lorre-haft die Augen und lässt irre den Mund aufklaffen, weil er wieder was Unbestimmt-Entsetzliches oral ausleeren muss. Das geht so, bis Ingo Hülsmann als Macduff ihm endlich und in aller Ausführlichkeit den Hals zudrückt. In knapp zwei Stunden ist der hohle Spuk auf freier, von Olaf Altmann mit Bretternausgelegter Drehbühne vorbei. Sehr viel dekoratives Blut ist geflossen; die Musik von Bert Wredehat ausgedröhnt; die eine oder andereSplatterszene,unter anderem eine sehr ungeschickte Kastration, ist absolviert. Weil das jetzt nach einem straffen Programm klingt, sei deutlich gewarnt: Dieser aufgepumpte und zerdehnte Abend trägt seine laute, schwarz angepinselte kunstreligiöse Weltabgewandtheit vor sich her. Seine aufgesetzte Langsamkeit ist der gemeinste und zugleich wirkungsvollste Effekt. Als würde jemand zugleich Vollgas geben und mit großer Unerschütterlichkeit auf den Klötzen stehen. Nervt. Ulrich Seidler hat noch immer Nebelund Blutdunst in der Nase. S TARDUST THEATRE B.V. PRÄSENTIERT DER GRÖSSTE SCHWANENSEE ® DER WELT DAS SHANGHAI BALLETT MIT MEHR SCHWÄNEN ALS MAN ZÄHLEN KANN! W W W . D E R G R O E S S T E S C H W A N E N S E E D E R W E L T . D E CHOREOGRAPH DEREK DEANE HEUTE DEUTSCHLAND-PREMIERE! VOM 1.BIS 16. DEZEMBER 2018 THEATER AM POTSDAMER PLATZ TICKETS UNTER WWW.EVENTIM.DE
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