Automationspraxis 03.2018
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Exklusiv Serie<br />
Digitale Transformation<br />
Vom Hidden Champion zum Opfer des digitalen Darwinismus ist nur ein kurzer Weg<br />
„Produkte verwandeln<br />
sich in Software“<br />
_Industrie 4.0<br />
Karl-Heinz Land: „Wir haben die Ära<br />
der Dematerialisierung erreicht.<br />
Der deutschen Unternehmer und<br />
Ingenieure bestes Stück, das<br />
physische Produkt, verliert an<br />
Bedeutung.“<br />
Bild: Neuland<br />
„Software verspeist die Welt“, schrieb der Investor<br />
Marc Andreessen 2011 in einem Kommentar<br />
für das Wall Street Journal: Wie Recht der Mann,<br />
der einst die ersten Webbrowser mitentwickelte,<br />
mit dieser These immer noch hat! Ein Produkt<br />
nach dem anderen verwandelt sich in Software.<br />
Überprüfen Sie doch mal Ihr Smartphone. Jede<br />
Wette, Sie finden dort einige Programme, die Dinge<br />
ersetzen, die Sie einmal besessen haben. Tickets.<br />
Musikplayer. Scanner. Kamera. Und so weiter. Zur<br />
Software drängt, an Software hängt doch alles,<br />
frei nach Goethe. Und das umso mehr, seit Steve<br />
Jobs im Jahre 2007 der Öffentlichkeit das erste<br />
echte Smartphone bescherte.<br />
Wir haben also die Ära der Dematerialisierung erreicht.<br />
Der deutschen Unternehmer und Ingenieure<br />
bestes Stück, das physische Produkt, verliert an<br />
Bedeutung. Nicht, weil Qualität „Made in Germany“<br />
nicht mehr gefragt wäre, sondern weil Wertschöpfung<br />
zunehmend aus Daten und über Services<br />
generiert wird. Die Maschine, die Anlage,<br />
das hydraulische oder elektronische Bauteil stehen<br />
nicht mehr im Fokus der Kunden. Wichtiger wird,<br />
wie sie sich im Internet der Dinge und im Zusammenspiel<br />
mit anderen Produkten verhalten, welche<br />
monetarisierbaren Datenströme sie erzeugen und<br />
welches Automatisierungspotenzial sie mit sich<br />
bringen. Jedes materielle Produkt braucht deshalb<br />
einen digitalen Zwilling.<br />
Der wichtigste Punkt dabei ist nicht die Technologie,<br />
sondern die Kultur: Die Industrieunternehmen<br />
müssen ihr Selbstverständnis verändern. Die Kernfrage<br />
ist nicht mehr, ob sie groß- und einzigartige<br />
Produkte fertigen. Vielmehr rückt der immaterielle<br />
Mehrwert in den Mittelpunkt, den sie mittels Daten<br />
und Services an ihre Güter heften können. So<br />
mancher von Deutschlands vielgelobten Hidden<br />
Champions hat diese Aufgabe noch nicht gelöst.<br />
Und vom versteckten Weltmarktführer zu einem<br />
Opfer des „digitalen Darwinismus“, der den Anschluss<br />
an die sich wandelnden Kundenbedürfnisse<br />
und die digitalen Technologien verpasst hat, ist<br />
es nur ein kurzer Weg.<br />
Heute geht es nicht mehr darum, den Markt mit<br />
Perfektion zu überraschen, sondern darum, möglichst<br />
früh mit den Kunden zu interagieren. Ein<br />
„Minimal Viable Product“, also ein gerade mal<br />
funktionierendes Produkt, ist mitunter sinnvoller,<br />
als eine Idee bis zu ihrem Ende zu entwickeln und<br />
womöglich auch schon die Produktionsressourcen<br />
bereitstellen. Das kann ein böses Erwachen geben.<br />
Genauso wichtig: Entwicklungspartnerschaften<br />
eingehen. Mit Start-ups, mit Schlüsselkunden und<br />
sogar mit Konkurrenten. Das Wertschöpfungspotenzial<br />
aus Daten und Services entfaltet erst im<br />
Systemverbund seine Kraft.<br />
↓<br />
http://karl-heinz.land<br />
Zum Autor<br />
Karl-Heinz Land ist Gründer der Strategie- und<br />
Transformationsberatung Neuland sowie Sprecher<br />
der Initiative Deutschland Digital. Als Keynote-Speaker<br />
eröffnet er am 19. Juni auch das<br />
Automatica Forum 2018.<br />
https://automatica-munich.com/rahmenprogramm/<br />
foren/automatica-forum/index.html<br />
20 März 2018