18 JOURNAL BERLINER KURIER, Sonntag, 6. Januar 2019 KeiraKnigthleybekam 2018 den britischen Verdienstorden und erschien im Buckingham-Palast stolz mit ihrer Familie (l.): Ehemann James Righton, ihreMama Sharman sowie Papa Kevin. KeiraKnightley(33) Wasich meiner Mutter verdanke Der Hollywoodstar übers Schreien, das Sich-Durchsetzen und ihre neue Rolle als die berühmte Colette
19 Sidonie-Gabrielle Colette war Modeikone der Belle Époque, Schriftstellerin und Halbweltdame. Jetzt erzählt ein Film ihre Geschichte: Gespielt wirdColette (seit 3. Januar im Kino) von Keira Knightley. Als Colette anfängt zu schreiben, gestattet der Ehemann – ebenso Autor –ihr, die Bücher unter einer Bedingung zu veröffentlichen: wenn sein Name auf dem Umschlag steht. Ihre „Claudine“-Romane werden ein Erfolg. KURIER : Keira Knightley, hat Ihnen jemand geholfen, Ihre eigene Persönlichkeit zu finden? Keira Knightley: Ich habe mit vielen großartigen Leuten gearbeitet. Das Vertrauen, das mir von ihnen geschenkt wurde, von diesen tollen Schauspielern und Regisseuren gehört zu werden, hat mir mein Selbstvertrauen gegeben. Und dann, auch wenn es kitschig klingt, hat meine Mutter viel damit zu tun. Sie wollte gern ein zweites Kind haben, aber eigentlich hatten meine Eltern nicht genug Geld dafür. Also schrieb meine Mutter ein Theaterstück mit dem bezeichnenden Titel ,When I was aGirl Iused to Scream and Shout‘ … Übersetzt: „Als ich ein Mädchen war, schrie und schrie ich“ … …und mit dem Geld, das sie dafür bekam, konnte sie ein weiteres Baby bekommen – mich. Sie hat mir immer eingetrichtert: Lebe dein Leben wie der Titel dieses Stücks –schrei und schrei, bis die Leute dich wahrnehmen und dir zuhören. Ich habe danach gelebt. Ich versuche auch jetzt noch, zu schreien und zu schreien und zu schreien, um zu sagen: Ich bin hier und habe Ideen, ich will arbeiten und ich will besser werden! Meine Mutter hat mich ermutigt und angespornt: Werde besser, arbeite härter, mach weiter! Haben Sie je erlebt, dass jemand sich mit Ihren Lorbeeren geschmückt hat? Natürlich gab es diese Situationen, in denen ich eine Idee geäußert habe und niemand zugehört hat, aber als fünf Sekunden später ein Typ dieselbe Idee wiederholt, sind alle hin und weg. Das passiert wohl Frauen auf der ganzen Welt. Haben Sie nach und durch #Me- Too Veränderungen bemerkt? Ich glaube, das ist ein Prozess. Aber die Debatten und Gespräche sind ein gewaltiger Anfang. Schon die Tatsache, dass wir sagen: Ja, wir brauchen mehr weibliche Stimmen, wir brauchen mehr weibliche Regisseure, wir brauchen diese Perspektive. Natürlich brauchen wir auch Sicherheit beim Arbeiten. Machtpositionen dürfen nicht mehr so übel ausgenutzt werden. Ja, im Moment gibt es ein großes Bedürfnis nach starken weiblichen Stimmen, und das ist toll. Und wir müssen nur sicherstellen, dass das kein Strohfeuer ist. Wir müssen sicherstellen, dass es sich um echte Veränderungsprozesse handelt. Was wussten Sie über Colette? Ich kannte das Musical „Gigi“ und außerdem war Fotos: Getty,AFP,dpa meine Mutter von Colette besessen. Sie hatte alle Claudine- Romane gelesen, das hatte ihr eigenes Schreiben stark beeinflusst. Aber ich wusste nichts über ihre Lebensgeschichte und dass sie sich in eine Frau verliebt hat. Als ich das Drehbuch las, dachte ich nur: Oha, das ist mal eine heiße Frau. Wie hat Ihre Mutter darauf reagiert, dass Sie diese Rolle spielen? Sie war hingerissen. Sie sagte: Mach das bloß! Sie hat sich auch sehr auf die Premiere beim London Film Festival gefreut und war ganz aufgeregt. Was fasziniert Sie an Colette? Es ist die Geschichte einer Frau, die ihre Stimme findet, die ihr wahres Selbst findet und den Mut, so zu leben, wie sie es will, auch wenn es nicht den Konventionen entsprach. Ich hatte das Gefühl, dass ich gewachsen bin, als ich diese freiheitsliebende, aufrechte, couragierte Frau spielte. Es ist selten, dass Frauen auf der Leinwand so unverhohlen ihre sexuellen Bedürfnisse und Wünsche ausleben … Ja, dieser Film hat gleich nach fünf Minuten eine Sexszene zwischen Willy und Colette, die keine Strafe oder negative Konsequenz nach sich zieht –die beiden waren ja nicht verheiratet. Selbst heute ist das eine ziemlich starke Aussage: Ja, sie haben in der Scheune gevögelt, Mein Mann hat sein Leben auf Eis gelegt. es war richtig guter Sex und beide hatten ihren Spaß. Das ist immer noch ziemlich bahnbrechend. Colette ist Ihre erste Hauptrolle seit der Geburt Ihrer Tochter. Wie schwer ist es seitdem, zu arbeiten? Es ist schwer. Wirklich schwer. Edie ist jetzt drei Jahre alt, sie ist großartig. Und: Sie bedeutet eine Menge Arbeit. Wir haben die Dreharbeiten um ein Jahr verschoben, denn ursprünglich wollten wir es tun, als sie ein Jahr alt war. Aber das Schlafen war noch nie so wirklich ihre Sache. Und ich musste erkennen, dass ich es KeiraKnightley als Sidonie- Gabrielle Colette, die mit ihren „Claudine“- Romanen berühmt wurde. Colette (Keira Knightley) heiratet den Pariser Salonlöwen Willy (Dominic West). nicht schaffe, so eine große Rolle zu spielen. Also warteten wir, bis sie zwei Jahre alt war. Da schlief sie immer noch nicht besonders gut, aber ich war es bis dahin ein wenig mehr gewohnt! (Lacht) Ist die Kleine mit am Set? Ja, sie war dabei, und das war toll. Ich habe immer sichergestellt, dass es, solange sie noch so klein ist, es einen sicheren Ort am Set gibt, zu dem sie für eine halbe Stunde kommen kann, ganz für uns allein, damit sie weiß, dass ich für sie da bin und wir verbunden sind. Mein Mann ist und war fantastisch, er reist mit mir, seit wir das Kind haben. Ganz selbstlos? James hat sein Leben weitgehend auf Eis gelegt, um sicherzustellen, dass ich arbeiten kann und wir als Familie zusammenbleiben. Ich habe außerdem großes Glück, weil ich mir ein Kindermädchen leisten kann. Ich habe eine wunderbare Nanny, die auch immer mit uns reist ist und für das Kind da ist. Ich fühle mich völlig sicher, dass es Edie gut geht. Und wann immer mein Mann mal nicht da sein kann, kommt meine Mutter zu mir und Edie geflogen. Es heißt im Englischen, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind großzuziehen …Aber es braucht auch ein Dorf, damit eine Mutter weiterarbeiten kann. Aber bisher lief es toll, alle sind extrem hilfsbereit und nur darum sind für mich solche Filme dann doch möglich. Sie sind 33 und stehen über die Hälfte Ihres Lebens schon vor der Kamera. Was für Rollen erfüllen Sie heute? Ich habe immer das Glück gehabt, mir die Rollen auswählen zu können. Ich habe meist versucht, komplexe, starke, interessante und runde Frauenfiguren zu spielen. Wenn es etwas gibt, das sich als roter Faden durch meine Karriere zieht, abgesehen von den gelegentlichen Geld-Gigs, die auch sein müssen, dann suche ich immer nach Frauen, die ich irgendwie erkenne. Ich will Leute wie meine Freunde auf der Leinwand sehen, keine Heiligen, sondern komplexe, seltsame, wunderbare Frauen. Menschen, die mit den Schwierigkeiten in der Welt kämpfen und Fehler machen, aber wieder aufstehen. Ich bin nie daran interessiert, eine Heilige zu spielen. Da bevorzuge ich ganz klar die moralisch etwas fragwürdige Frau. Mariam Schaghaghi