Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 41 · M ontag, 18. Februar 2019 – S eite 9 *<br />
·························································································································································································································································································<br />
Berlin<br />
Wieder SED bereits<br />
vor dem Mauerfall die<br />
Mitglieder wegliefen<br />
Seite 10<br />
Überfüllt –Essoll feste Regeln für Händler auf dem Thai-Markt geben Seite 11<br />
Nutzlos –Die Parklets an der Schönhauser Allee sind umstritten Seite 13<br />
Stadtbild<br />
Plötzlich fragt<br />
die Frau etwas<br />
BarbaraWeitzel<br />
wollte eigentlich nur das<br />
Chaos im Kopf ordnen.<br />
Ich will allein sein. Aber eben nicht<br />
zu Hause allein, sondern unter<br />
Menschen allein. Ichgehe also in ein<br />
Café, von dem ich weiß, dass die<br />
meisten dort allein sind, allein vor<br />
sich hin bosseln, an einem Gerät<br />
oder in einem Buch blätternoder an<br />
einem Kind rumzupfen oder einfach<br />
an die Wand gucken. „Die meisten“<br />
klingt nach vielen Leuten, stimmt<br />
aber zumindest um diese Uhrzeit<br />
nicht. Es ist Mittag, und nur eine<br />
Frau sitzt diesmal vorihrem Kaffee.<br />
Ich muss nachdenken. Nicht dieses<br />
Nachdenken, aus dem Tiefsinniges<br />
entsteht, Lösungen für Menschheitsprobleme,<br />
an denen auch die<br />
Schlausten gescheitert sind, oder<br />
kluge Texte.Esgeht eher um das Sortieren<br />
im Kopf. Dort sieht es aus wie<br />
nach einem Einbruch. Alles quillt<br />
aus den Schubladen, Ideen liegen<br />
herum und auch Sorgen –verglichen<br />
mit denen der Menschheit sind die<br />
klein. Es gibt auch Pläne oder „Projekte“,<br />
wie man das heute nennt.<br />
Dabei sind Pläne doch viel schöner,die<br />
verwirklicht man bestenfalls.<br />
Projekte aber zieht man so durch<br />
und irgendwann ist man fertig.<br />
Wenn man überhaupt anfängt.<br />
Gedanken wie diese wabern nun<br />
zusätzlich durch das Kuddelmuddel,<br />
und es wirdecht Zeit, aufzuräumen.<br />
Ich setze mich nicht ans andere<br />
Ende des Cafés,weil mir das unnötig<br />
abweisend vorkommen würde, aber<br />
doch mit einem Tisch Abstand zu der<br />
Frau. Damit klar ist, dass ich keine<br />
Gesellschaft suche.<br />
Ich warte auf meinen Kaffee und<br />
schiebe die ersten Gedanken von<br />
links nach rechts,wosie noch immer<br />
nicht am richtigen Platz sind; aber so<br />
fängt man eben an, wenn das Chaos<br />
ein gewisses Ausmaß erreicht hat.<br />
Plötzlich fragt die Frau: „Was ist<br />
heute für ein Tag? Dienstag?“ Ich<br />
wende ihr das Gesicht zu, nicht den<br />
ganzen Körper,damit ich gleich wieder<br />
in meine Verpuppung zurückkehren<br />
kann. Ich versuche ein distanziert-freundliches<br />
Lächeln und<br />
bestätige. „Dienstag …“ sagt sie.<br />
„Wenn man nicht mehr arbeitet, entgeht<br />
einem viel. Die Kinder haben<br />
auch keine Zeit. Mansollte arbeiten.<br />
Es gibt immer Arbeit.“ Ich nicke.<br />
Fühle ein lästiges kleines Gewissen,<br />
weil ich nicht am Schreibtisch sitze.<br />
Aber Sortieren ist auch Arbeit, und<br />
den Kopf sortieren kann man nicht<br />
an einem Schreibtisch, der genauso<br />
aussieht wie der Kopf innen.<br />
„Früher mussten wir auch arbeiten.<br />
Auch die Kinder! Schuhe, Kleider,<br />
Regenschirme, das alles hat so<br />
viel gekostet.“ Die Frau spricht weiter<br />
mit mir, doch ihr Blick verliert<br />
sich irgendwo im Raum. Ich hab<br />
plötzlich einen Kloß im Hals, ich<br />
glaube,wegen der Regenschirme.Sie<br />
haben etwas Rührendes, diese Regenschirme,inihrer<br />
Konkretheit.<br />
Sie holt ihren Blick zurück, als<br />
würde sie eine Schnur aufrollen. „Es<br />
ist schön, hier zu sitzen, nicht wahr?“<br />
Bevorich ja sagen kann: „Wissen Sie,<br />
was früher in dem Haus war?“ Ich<br />
schüttele den Kopf. Sie sagt: „Ich<br />
auch nicht.“ Nach einer kurzen<br />
Pause: „Ich hab es vergessen.“<br />
Dann wandert ihr Blick wieder,<br />
diesmal zum Fenster hinaus.Eigentlich<br />
wollte ich allein sein. Wasfür ein<br />
Geschenk, das wollen zu können.<br />
NACHRICHTEN<br />
CDU kritisiertLederer<br />
im Fall Hubertus Knabe<br />
DieCDU erhebt im Fall Hubertus<br />
Knabe neue Vorwürfe gegen Kultursenator<br />
Klaus Lederer (Linke) als<br />
Stiftungsratsvorsitzender der Gedenkstätte<br />
Hohenschönhausen. Lederer<br />
habe dem ehemaligen Leiter<br />
der Gedenkstätte über Wochen Informationen<br />
vorenthalten. Daszeige<br />
eine Antwortder Kulturverwaltung<br />
auf eine CDU-Anfrage.Beschwerden<br />
vonMitarbeiterinnen sowie Ergebnisse<br />
einer vonLederer in Auftrag gegebenen<br />
Untersuchung seien Knabe<br />
erst kurzvor der Kündigung mitgeteilt<br />
worden. DieKulturverwaltung<br />
erklärt, dass die Beschwerdeführerinnen<br />
um Vertraulichkeit gebeten<br />
hätten. (ann.)<br />
Älteste Elefanten-Kuh im<br />
Zoo wurde eingeschläfert<br />
Iyoti lebte seit<br />
1977 in Berlin.<br />
BLZ/FRIEDEL<br />
DieAsiatische<br />
Elefantenkuh<br />
Iyoti im <strong>Berliner</strong><br />
Zooist im Alter<br />
von45Jahren<br />
eingeschläfert<br />
worden. Tierärzte<br />
haben sie<br />
am Sonnabend<br />
vonihren Leiden<br />
erlöst, nachdem<br />
sie zu schwach war,umsich zu bewegen,<br />
teilte der ZooamSonntag<br />
mit. Iyoti litt demnach unter einer<br />
Herzschwäche und Entzündungen<br />
an den Füßen. Siemusste täglich Tabletten<br />
nehmen. (dpa)<br />
500 „Bunt-Westen“ bei<br />
Demo in Berlin<br />
Nach Vorbild der französischen<br />
Gelbwesten demonstrierten in vielen<br />
deutschen Landeshauptstädten<br />
die „Bunten Westen“. In Berlin beteiligten<br />
sich nach Polizeiangaben etwa<br />
500 Menschen. Sieforderten bessere<br />
Arbeitsbedingungen, bessereBildung<br />
und Pflege.Zuden Demos<br />
hatte die Sammlungsbewegung Aufstehen<br />
der Linken-Politikerin Sahra<br />
Wagenknecht aufgerufen. (dpa)<br />
Clans kassieren weiter Miete<br />
Berlin zog zwar 77 Immobilien ein, doch die Einnahmen gehen weiter an die Großfamilien<br />
VonAndreas Kopietz<br />
Im vergangenen Jahr beschlagnahmte<br />
die Staatsanwaltschaft<br />
77 Immobilien eines kurdischlibanesischen<br />
Clans. Nun stellt<br />
sich heraus: DieMieten fließen weiter<br />
an den Clan –zum Beispiel in den Libanon.<br />
Der Großeinsatz im Juli 2018 war<br />
spektakulär in Szene gesetzt: Vorallem<br />
in Rudow und in Britz beschlagnahmten<br />
Staatsanwälte und Polizisten<br />
Eigentumswohnungen, Mehrfamilienhäuser<br />
sowie Baugrundstücke<br />
und eine Kleingartenkolonie. Behörden<br />
schätzen, dass die Immobilien<br />
des Remmo-Clans, der diese möglicherweise<br />
mit Geld aus kriminellen<br />
Geschäften kaufte, insgesamt etwa<br />
9,3 Millionen Euro wert sind. Zwar<br />
sind die Häuser und Grundstücke beschlagnahmt.<br />
Doch die Mieten fließen<br />
weiter an die Eigentümer,berichtet<br />
Spiegel TV.Demnach erreichte die<br />
Ein mutmaßlicher Chef des Remmo-Clans (Mitte) bei einer Beerdigung<br />
Fahnder eine Aktennotiz: Eine Hausverwaltung<br />
fragte an, ob sie 200000<br />
Euro Mieteinnahmen in den Libanon<br />
überweisen könne, ohne sich mitschuldig<br />
zu machen. Kurz nach der<br />
Beschlagnahme hatte ein Staatsanwalt<br />
noch gesagt, dass auch die Konten<br />
gepfändet würden. Dann würden<br />
Mieten zunächst an den Staat fließen.<br />
GETTY/GALLUP<br />
Allerdings scheint nicht klar, ob<br />
die Immobilien unter Zwangsverwaltung<br />
gestellt werden dürfen. Denn die<br />
Finanzermittler der Staatsanwaltschaft<br />
betraten juristisches Neuland:<br />
Erst seit 2017 erlaubt ihnen das Gesetz<br />
zur Vermögensabschöpfung die<br />
Einziehung von Vermögen, das vermutlichkriminell<br />
erlangt wurde.<br />
DenBehördensollte so ein Instrument<br />
gegen die organisierte Kriminalität<br />
an die Hand gegeben werden.<br />
Also wagten die Staatsanwälte im<br />
vergangenen Sommer erstmals diesen<br />
Schritt und beschlagnahmten die<br />
Immobilien des Clans. Mitglieder<br />
dieser und anderer polizeibekannter<br />
arabischer Großfamilien fallen immer<br />
wieder durch Straftaten auf. Zeugen<br />
werden eingeschüchtert, sodass<br />
Anklagen nicht zustande kommen<br />
oder nur milde Strafen folgen. Nach<br />
Einschätzung der Staatsanwaltschaft<br />
wird es noch längereZeitdauern, bis<br />
die Einziehungsentscheidung rechtskräftig<br />
ist. „Die Beschlagnahme dient<br />
der Sicherung der späteren Einziehung“,<br />
sagte Martin Steltner, Sprecher<br />
der Staatsanwaltschaft, der <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Zeitung</strong>.„Bei rechtskräftiger Einziehungsentscheidung<br />
stehen dem<br />
Land Berlin die Mietzinsen zu.“<br />
Bisdahin fließen die Mieten weiter<br />
an den Clan –und in den Libanon.<br />
Weil uns faire Löhne für unsere Crew<br />
genauso wichtig sind wie gute Preise.<br />
Müller<br />
gegen<br />
Enteignungen<br />
Regierender Bürgermeister<br />
sieht Initiative sehr kritisch<br />
Der Regierende Bürgermeister<br />
Michael Müller (SPD) hat Forderungen<br />
zurückgewiesen, private<br />
Wohnungsunternehmen zu enteignen.<br />
„Das ist nicht mein Weg und<br />
nicht meine Politik“, sagte Müller der<br />
Frankfurter Allgemeinen <strong>Zeitung</strong>.<br />
Eine Initiativewill vonApril an Unterschriften<br />
für einen Volksentscheid<br />
sammeln. DerVorstoß zielt vorallem<br />
auf den Konzern Deutsche Wohnen.<br />
„Ich sehe die Initiative „Deutsche<br />
Wohnen enteignen“ sehr kritisch“,<br />
sagte Müller.Offen zeigte sich Müller<br />
für den Vorschlag seiner Parteikollegin<br />
Eva Högl, einen absoluten Mietendeckel<br />
einzuführen. Außerdem<br />
begrüßt er, dass inder Stadt wieder<br />
diskutiertwerde,obder Randbereich<br />
des Tempelhofer Feldes nicht doch<br />
bebaut werden sollte. (dpa)<br />
ENDLICH EIN GRUND,<br />
VOR DEM FLUG<br />
ZU KLATSCHEN.<br />
Mehr erfahren auf:<br />
easyJet.com/mehr-wert