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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 42 · D ienstag, 19. Februar 2019 21 *<br />
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Feuilleton/Medien<br />
Vertrauen<br />
statt<br />
Kontrolle<br />
Lahav Shani<br />
begeisterte beim RSB<br />
VonClemens Haustein<br />
Seit dieser Saison ist Lahav Shani<br />
Chefdirigent der Philharmoniker<br />
aus Rotterdam, in der übernächsten<br />
Spielzeit wird erauch das<br />
Israel Philharmonic Orchestraübernehmen.<br />
In TelAviv folgt er auf Zubin<br />
Mehta, in Rotterdam auf Yannick<br />
Nézet-Séguin. Große Hausnummern<br />
für einen Dirigenten, der<br />
vorwenigen Wochen erst 30 Jahrealt<br />
geworden ist und sich damit gleichsam<br />
noch im Wunderkindalter für<br />
Dirigenten befindet.<br />
Die Geschwindigkeit, mit der<br />
Shanis Karriere inden vergangenen<br />
Jahren Fahrt aufnahm, und die Art,<br />
wie sie sich im Ruf auf nicht gerade<br />
unbedeutende Posten niederschlug,<br />
überraschte ein wenig. Nimmt man<br />
sein Konzertmit dem Rundfunk-Sinfonieorchester<br />
am Sonntagnachmittag<br />
in der Philharmonie,lässt sich erahnen,<br />
was ihn für die Orchester so<br />
interessant macht: Dass er in ungewöhnlicher<br />
Weise dem Ensemble<br />
vertraut, dass er es spielen lässt und<br />
seine Ideen eher sanft einbringt; und<br />
dass er zugleich ein Dirigent ist, der<br />
noch Spielraum nach oben hat und<br />
der den altersbedingten Mangel<br />
nicht mit pseudoroutiniertem Gehabe<br />
kaschiert.<br />
Geht man davon aus, dass bei<br />
jungen Dirigenten gewöhnlich eher<br />
die Überzeichnung droht, so stellt<br />
man erstaunt fest, dass es bei Shani<br />
kaum Kanten gibt, die noch abgeschliffen<br />
werden müssten. Carl Mariavon<br />
Webers „Oberon“-Ouvertüre<br />
dirigierterzwar mit der nötigen Explosivität<br />
im schnellen Teil, in der<br />
langsamen Einleitung fällt jedoch<br />
auf, wie sehr Shani das Vage liebt.<br />
Extrem sparsam sind seine Zeichen<br />
hier, Unschärfe scheint er einzukalkulieren,<br />
ganz ähnlich wie sein<br />
Mentor Daniel Barenboim, dem er<br />
auch in der Gestik erkennbar folgt.<br />
Wie Barenboim behält er stets das<br />
ganzeWerkimBlick und verliertsich<br />
nicht in Details,ausdrucksarme Passagen<br />
stellt er kontrastreich gegen<br />
wilde Ausbrüche.<br />
Dabei gerät manches noch zu flächig<br />
wie in Beethovens 4. Klavierkonzert,<br />
das Shani vomFlügel aus dirigiert.<br />
Stark ist aber die lyrische Atmosphäre,<br />
die er hier hervorruft<br />
ebenso wie in Robert Schumanns<br />
„Frühlingssinfonie“, die er mit wachem<br />
Sinn für die Widerhaken besonders<br />
im ersten Satz dieses Werkes<br />
dirigiert.<br />
Sauerbruch und seine Prachtmädel<br />
Die zweite Staffel der ARD-Serie „Charité“ spielt von 1943 bis 1945 und ist deutlich dramatischer<br />
VonTorsten Wahl<br />
Die schwangere Medizinstudentin<br />
Anni (Mala<br />
Emde) soll ihre Chirurgie-Prüfung<br />
bei Professor<br />
Sauerbruch (Ulrich Noethen) ablegen.<br />
Die angehende Ärztin tritt<br />
nicht nur vor Kommilitonen und<br />
Ärzte, sondern auch vor die Kameras,<br />
die den großen Sauerbruch für<br />
die Wochenschau aufnehmen. Die<br />
zweite Staffel der ARD-Serie setzt im<br />
Jahr 1943 ein, in einer Zeit, in der die<br />
Köpfe der Charité schon längst medial<br />
präsent waren und als Vorzeige-<br />
Mediziner propagandistisch vorgeführtwurden,<br />
zumal in Kriegszeiten.<br />
Sauerbruch demonstriert seine Prothesen.<br />
Die erste Staffel hatte sich vor<br />
zwei Jahren filmisch noch freier Koryphäen<br />
wie RobertKoch, Emil Behring,<br />
Paul Ehrlich oder Rudolf Virchow<br />
nähern können und dabei anschaulich<br />
gezeigt, wie moderne Therapien<br />
Einzug in die Krankenhäuser<br />
hielten. Die Autorinnen Dorothee<br />
Schön und Sabine Thor-Wiedemann<br />
hatten dazu die Krankenschwester<br />
Idaerfunden, die sich den Wegindie<br />
Männermedizin erkämpfte –diesem<br />
Prinzip folgen sie auch in der zweiten<br />
Staffel.<br />
Teil des NS-Systems<br />
Anni wirkt nur auf den ersten Blick<br />
wie eine Wiedergängerin von Ida.<br />
Das blonde „Prachtmädel“ ist zwar<br />
ebenso jung und frisch, besitzt aber<br />
nicht deren Unschuld, sondern ist<br />
schon Teil des NS-Systems.Soarbeitet<br />
Anni beflissen ihrem Doktorvater<br />
Max deCrinis (Lukas Miko) zu, dem<br />
Chef der Psychiatrie. Der stramme<br />
Nazi-Parteigänger unterstellt einem<br />
Kriegsversehrten, er habe sich den<br />
„Heimatschuss“ selbst beigebracht,<br />
und stellt stets die„Volksgesundheit“<br />
über das Wohl des Kranken. Sauerbruch<br />
operiert den Verletzten, de<br />
Crinis bringt ihn vors Kriegsgericht –<br />
das Dauerduell der beiden Gegenpole<br />
der Kriegs-Charité bestimmt<br />
die Dramaturgie der ARD-Serie.<br />
Schon 1983 hatte sich übrigens das<br />
DDR-Fernsehen in der Reihe „Berühmte<br />
Ärzte“ mit Ferdinand Sauerbruch,<br />
Max de Crinis und dessen<br />
Vorgänger Karl Bonhoeffer auseinandergesetzt.<br />
Die zweite Staffel von„Charité“ –<br />
Regisseur ist diesmal Anno Saul –<br />
bietet ein ähnlich breites Figurenspektrum<br />
wie die Vorgängerserie,<br />
deren Geschichten nicht nebeneinander<br />
laufen, sondern immer enger<br />
miteinander verbunden werden. Der<br />
Zuschauer lernt Sauerbruchs deutlich<br />
jüngere Gattin Margot (Luise<br />
Der Arzt Ferdinand Sauerbruch (Ulrich Noethen) steht im Mittelpunkt der 2. Staffel. ARD<br />
Wolfram) kennen, die einzige Figur,<br />
die dem selbstbewussten, zuweilen<br />
cholerischen Chirurgen Paroli bietet.<br />
Ulrich Noethen verkörpert einen<br />
energischen, zupackenden Charité-<br />
Chef, versteht es aber auch, die<br />
Selbstgefälligkeit und die Verdrängungen<br />
Sauerbruchs anzudeuten,<br />
der zwar gegen Euthanasie protestiert,<br />
Forschungsanträge aber unterschrieben<br />
hat. Zur Gruppe um Anni<br />
gehören ihr Bruder Otto (Jannik<br />
Schümann), der den Fronteinsatz<br />
wegen seines Medizinstudiums unterbrechen<br />
darf und sich in den<br />
Krankenpfleger Martin (Jacob Matschenz)<br />
verliebt – Homosexualität<br />
aber bedeutet Todesgefahr im NS-<br />
Reich. Eine fanatische „NS-Funktionsschwester“<br />
(Frida-Lovisa Hamann)<br />
bespitzelt die beiden.<br />
Zum Familiendrama entwickelt<br />
sich die Serie, als Anni eine Tochter<br />
zur Welt bringt, die Anzeichen einer<br />
Behinderung entwickelt. Annis<br />
Mann Artur (Artjom Gilz) ist zwar<br />
aufstrebender Kinderarzt, nutzt aber<br />
behinderte Kinder für seine Impfversuche<br />
gegen Tbc. Dieser Konflikt<br />
wirkt zunächst sehr direkt, ja frontal<br />
konstruiert. Müsste sich eine Ärztin,<br />
die den hippokratischen Eid geschworen<br />
hat, nicht auch dann gegen<br />
tödliche Experimente an einem<br />
Kind wenden, wenn es nicht ihr eigenes<br />
wäre? Doch dramaturgisch geht<br />
das Vorhaben auf: Denn Annis<br />
Kampf um ihre Tochter zielt nicht<br />
nur auf blanke Emotionen, sondern<br />
treibt ihren weiten Weg vom NS-<br />
Prachtmädel zu einer reifen, desillusionierten<br />
Ärztin an. Mala Emde,die<br />
schon als „Anne Frank“ für Aufsehen<br />
sorgte,kann in den sechs Folgen eine<br />
starke Entwicklung durchspielen.<br />
Begleitende RBB-Dokumentation<br />
Während die erste Staffel in der Regie<br />
von Sönke Wortmann noch auf Seifenopern-Elemente<br />
zurückgreifen<br />
musste, ist die zweite Staffel, die bis<br />
zum Kriegsende 1945 spielt, allein<br />
durch den historischen Hintergrund<br />
ungleich dramatischer und härter.<br />
Die Begleitdoku des RBB zeigt, wie<br />
eng Fiktion und Historie hier verzahnt<br />
wurden. So spielt der zwangsverpflichtete<br />
französische Chirurg<br />
Adolphe Jung (Hans Löw), auf dessen<br />
Tagebüchern das differenzierte,<br />
ambivalente Bild von Ferdinand<br />
Sauerbruch basiert, auch im Film<br />
eine wichtige Rolle: Er hört die Reden<br />
von Thomas Mann im Radio<br />
und erklärt selbst seinem Chef, dass<br />
in diesen Zeiten alles politisch sei. Figuren<br />
wie die Widerständler Hans<br />
von Dohnanyi und Claus Schenk<br />
Graf von Stauffenberg tauchen hier<br />
ebenso auf wie Magda Goebbels –<br />
nach einer Fehlgeburt ist sie Bettnachbarin<br />
von Anni. Schauspielerisch<br />
ist das alles auf hohem Niveau.<br />
Selbst Nebenrollen sind stark besetzt,<br />
wie die resolute Oberschwester,die<br />
jede Szene mit einem berlinerischen<br />
Spruch kommentiert und<br />
vonSusanne Böwegespielt wird.<br />
Nur die Verbindung von historischem<br />
Schauplatz mit den Drehorten<br />
in Prag will nicht recht funktionieren.<br />
Die zeitgenössischen Dokumentarbilder<br />
aus dem Zentrum Berlins<br />
betonen sogar den Kontrast zu<br />
den tschechischen Kulissen –diese<br />
Illusion gelang „Babylon Berlin“ viel<br />
besser.<br />
Charité: die ersten beiden Folgen am Dienstag,<br />
19.2., ab 20.15 Uhr.Um21.45 folgt die Doku<br />
„Die Charité –Medizin untermHakenkreuz“, Folgen3-6<br />
bis 19.3., jeweils dienstagsum20.15in<br />
der ARD.Die kompletteerste und zweite Staffel<br />
sindauch in der ARD-Mediathek zu sehen.<br />
NACHRICHTEN<br />
Bund steckt sechs Millionen<br />
in das Beethoven-Jahr 2020<br />
ZumGedenkjahr aus Anlass des 250.<br />
Geburtstags vonLudwig vanBeethovenwill<br />
der Bund kulturelle Projekte<br />
undVeranstaltungen mit bis zu sechs<br />
Millionen Euro fördern.„Unser Jubiläumsprogramm<br />
2020 wirdBeethovenerlebnisse<br />
weit über kulturelle<br />
Grenzen hinweg bieten“, sagte Kulturstaatsministerin<br />
Monika Grütters<br />
am Montag mit Blick auf das Ereignis.<br />
Es gehe darum, Beethovenneu zu hörenund<br />
neu zu denken.(dpa)<br />
Nächster James-Bond-Film<br />
kommt später in die Kinos<br />
DerKinostartfür den neuen James-<br />
Bond-Film ist erneut verschoben<br />
worden. „Wir sind hellauf begeistert,<br />
am 8. April2020 Bond 25 zu veröffentlichen“,<br />
teilten die Produzenten<br />
Michael G.Wilson und BarbaraBroccoli<br />
mit. Ursprünglich war der KinostartinGroßbritannien<br />
für Ende Oktober<br />
2019 geplant. Zuletzt sollte das<br />
25. Bond-Abenteuer am 14. Februar<br />
2020 herauskommen. (dpa)<br />
Karl-Valentin-Archiv geht an<br />
Musäum in München<br />
DieErben desVolkssängers und Komikers<br />
KarlValentin (1882–1948) haben<br />
demValentin-Karlstadt-Musäum<br />
in München das Archiv aus derVerwaltung<br />
seines Nachlasses geschenkt.<br />
Dazu gehörten 120 Ordner<br />
mit Unterlagen sowie Bücher,Schallplatten,<br />
CDs und Filme,teilte das Museum<br />
am Montag mit. Auch Plakate<br />
vonTheaterstücken, die auch in Südamerika<br />
oder Südafrika aufgeführt<br />
wurden, sind darunter.Sie zeigten,<br />
dassValentin auch international sehr<br />
bekannt sei, sagte der Nachlassverwalter<br />
Gunter Fette. (dpa)<br />
TOP 10<br />
Sonntag,17. Februar<br />
1 Tatort ARD 6,88 19 %<br />
2 Tagesschau ARD 6,30 18 %<br />
3 Frühling ZDF 5,83 16 %<br />
4 Terra X ZDF 5,58 17 %<br />
5 heute-journal ZDF 4,62 14 %<br />
6 heute ZDF 4,53 16 %<br />
7 Biathlon ZDF 4,43 18 %<br />
8 ZDF Sport ZDF 3,96 15 %<br />
9 RTL aktuell RTL 3,82 14 %<br />
10 Biathlon ZDF 3,80 15 %<br />
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