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FACE OF THE ERA<br />
„WIR MACHEN DANN MAL,<br />
WIE WIR GLAUBEN“<br />
Eine Laudatio an unseren Ex-Chef und<br />
„biber-Babo“ Simon Kravagna<br />
Schock. Er geht. Das geht doch gar nicht. Bei biber<br />
geht (und kommt) zwar immer irgendwer – daran<br />
sind wir gewöhnt. Aber dass ER geht, scheint<br />
dann doch verboten. Doch Tatsache, Chefe hat einen<br />
neuen Job. Seit Mitte Februar ist er Geschäftsführer von<br />
fjum - dem Forum für Journalismus und Medien, arbeitet<br />
irgendwo da draußen in Sankt Marx und lässt uns hier in<br />
der Redaktion jetzt wirklich machen, wie wir glauben.<br />
Nach 10 Jahren mit scharf legt Gründer und Chefredakteur<br />
Dr. Simon Kravagna sein „Herzensprojekt“ in<br />
unsere Hände. Ein Vertrauensbeweis. Dafür und für alles<br />
andere wollen wir uns bedanken. Denn obwohl er Herausgeber<br />
und Haupteigentümer von biber bleibt, ist der<br />
Abschied groß.<br />
SÜPER-CHEF<br />
Tausend Projekte, jede Woche alles neu und keiner kennt<br />
sich aus: Wie oft haben wir gestöhnt. Vor allem, wenn<br />
Cover-Entscheidungen anstanden. Da wurde kurz vor<br />
Schluss die Facebook-Community und Büro-Nachbar<br />
Kenan Güngör um Expertenfeedback gebeten. Wir sind<br />
auch am Abgabetag noch ins Schwimmbad gefahren, um<br />
ein legendäres „Burkini“-Cover zu schießen. Trotz des<br />
kreativen Chaos oder wohl gerade deswegen: Simon ist<br />
Süper-Chef. Denn sein Führungscredo bewirkt, dass keine<br />
Wahl bleibt, als über sich hinauszuwachsen. „Mach, wie<br />
du glaubst!“ – es gibt keinen Satz, den wir öfter gehört<br />
haben. Unsere Reaktion war meist dieselbe: ungläubiges<br />
Augenaufreißen weil Aufgabe noch nie gemacht, hilflose<br />
Schockstarre weil keinen Schimmer, wie Aufgabe bewältigt<br />
werden soll, dann: machen, wie man glaubt. Und siehe da,<br />
hinterher war man um eine Fähigkeit reicher. Danke Simon.<br />
MENTOR<br />
Das sagt man eh viel zu selten. Wie viele „Bibers“ ihm<br />
die eigene Karriere mit zu verdanken haben, ist doch<br />
beachtlich. Und so kann Chefe stolz sein, wohin es die<br />
biber-Sprösslinge geschafft haben. Die Krone, Heute,<br />
Falter, der ORF, VICE und das Biber selbst sind nur einige<br />
Beispiele. Hier arbeiten inzwischen erfolgreich Absolventen<br />
der biber-Akademie mit ihren komischen Namen<br />
voll von „-ićs“ und „-oglus“. Vor zehn Jahren hatte kaum<br />
einE JournalistIN in Österreich Migrationshintergrund. Die<br />
subversive Unterwanderung der Medienlandschaft ist also<br />
gelungen. Simon spielte dabei besonders als Mentor eine<br />
Rolle. Der lange Kärntner, der schon Arafat und Haider<br />
interviewt hat, ist ein Eins-a-Journalist. Das beweist regelmäßig<br />
seine renommierte „Interview in Zahlen“-Reihe.<br />
Was hat Österreich nicht alles erfahren: etwa dass der<br />
Kanzler „0“ Lieder am Handy hat, Blümel dafür „2“ Tattoos<br />
und Frau Dichand erst ab „20“ Millionen Euro Menschen<br />
als reich empfindet.<br />
VISIONÄR<br />
Doch neben der journalistischen Qualität hat der 47-Jährige<br />
seinen Biberlingen wohl mit einer Begabung am<br />
meisten imponiert: Er hat nicht nur innovative Ideen, er<br />
setzt sie auch noch um – am liebsten aus dem Nichts<br />
heraus. „Biber – das Magazin für Neue Österreicher“ ist<br />
das schärfste Beispiel. Ein deutschsprachiges Magazin in<br />
Wien, das aus den Lebenswelten jener ÖsterreicherInnen<br />
berichtet, deren Eltern nicht Hans und Hannelore heißen.<br />
Von den sagenumwobenen Anfangsjahren kennen wir<br />
heute in der Redaktion fast nur Geschichten. Es war die<br />
Zeit der „Ivanas“, der Recherchen auf Gürtel und Balkanstraße,<br />
als man bis nachts unbezahlt vor den Rechnern saß<br />
und irgendwann Pizza bestellte. Gut, dass Amar Rajković<br />
sich damals dachte: Bei einem Magazin, das „Jugo“ aufs<br />
Cover schreibt, muss er arbeiten. Und gut, dass unser stv.<br />
Chefredakteur das auch heute noch tut. Simon hat mit<br />
biber eine Welt geschaffen, die oft mehr als nur Arbeit ist.<br />
Vor allem aber hat er „Journalismus mit scharf“ erfunden<br />
und der fährt – um es in seinen Worten zu sagen – heute<br />
wie damals.<br />
DADDY COOL<br />
Der Vater von drei Söhnen hat in der Redaktion vorgelebt,<br />
wie es dem modernen Mann mit der Vereinbarkeit von<br />
Kind und Karriere ergeht. Da kommt man morgens mit<br />
Augenringen und erzählt dramatische Geschichten von<br />
Kaffeehäusern, die in Neubau vor 7 Uhr nicht öffnen, da<br />
eilt man am Nachmittag, weil Kinder vom Kindergarten<br />
geholt werden müssen und antwortet auf E-Mails um Mitternacht.<br />
Und wenn die Babysitterin absagt, dann macht<br />
man den Termin im Außenministerium eben mit Sohnemann<br />
auf dem Schoß. Gerade wir Neo-Eltern bei biber<br />
konnten von Chefe viel lernen. Ob zum Thema Geburt,<br />
Fläschchen oder Kinderwagendiebstahl: Daddy cool kennt<br />
sich aus.<br />
DR. FEMINIST<br />
Für uns Frauen sind solche Beobachtungen natürlich<br />
prägend. Es zeigt, es geht. Simon ist überzeugter Feminist.<br />
Mehr noch, er ist promovierter. So ein Doktor führt<br />
zu guter Letzt dazu, dass er eine weibliche Nachfolgerin<br />
nominiert hat, die noch dazu Mama in Teilzeit ist. Feministischer<br />
geht es wohl nicht. Delna Antia-Tatić – so heißt<br />
die neue Chefredakteurin von biber (S.6) – will zwar keine<br />
Quote erfüllen, aber das muss man doch stehen lassen:<br />
Wie viele Chefredakteurinnen mit Windelmann daheim gibt<br />
es noch in Österreich? Eben.<br />
In diesem Sinn unser bester Rat von uns an dich: Mach<br />
genauso weiter wie du glaubst, Simon – und viel Spaß bei<br />
fjum.<br />
Tina Herzl<br />
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