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BIBER 03_19 AT-3x-2

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MAMA SAGT:<br />

Von Nada El-Azar, Fotos: Marko Mestrovic<br />

Aufklärung und Sex sind oft keine einfachen<br />

Themen – besonders wenn die Eltern etwas konservativer<br />

ticken. Über Kurioses und Absurdes<br />

rund ums Thema Intimität erzählen junge Frauen<br />

aus arabisch-muslimischen Familien.<br />

„Vom Küssen<br />

kriegt man Aids!“<br />

Leila* ist 21 Jahre alt und hat sudanesische Wurzeln.<br />

Die junge Saxofonistin liebt es, auf Partys zu gehen<br />

und geht sehr freizügig mit ihrem Körper um. „Ich<br />

hatte bestimmt schon 80 One-Night-Stands. Ich führe sogar<br />

eine Liste!“. Sie öffnet auf ihrem Handy eine Notiz und scrollt<br />

durch eine ellenlange Liste von Personen, die mit Vor- und<br />

Nachnamen säuberlich archiviert wurden. „Nur damit ich mich<br />

auskenne“, lacht Leila. Auf ihren nächtlichen Feiertouren durch<br />

Wien begegnet sie manchmal muslimischen Männern, die ihr<br />

Vorwürfe machen. „Und sogar Österreicher sagen mir: ,Oida,<br />

du bist Muslimin und du hast Sex vor der Ehe?‘. Dabei ist das in<br />

der Bibel auch nicht erlaubt! Meine Mutter trägt zwar Kopftuch,<br />

aber sie hat mir nicht verboten, auszugehen. Hauptsache keine<br />

Drogen und kein Sex vor der Ehe.“ Tja, nicht alle Versprechen<br />

kann man einhalten. Einmal habe sie ihre Mutter zuhause in<br />

flagranti erwischt. „Sie hat meinen Kumpel aufs Ärgste auf Arabisch<br />

beschimpft… ich nehme nie wieder jemanden mit nach<br />

Hause. Das war so peinlich.“<br />

Leila kann sich trotz allem nicht daran erinnern, jemals von<br />

ihren Eltern aufgeklärt geworden zu sein. „Das hat die Schule<br />

erledigt.“ Ich fragte sie, ob ihre Eltern denn nichts gegen ihren<br />

ausschweifenden Lifestyle hätten. „Meine Mutter schimpfte<br />

nur, dass ich eine Straße sei und jeden auf mir gehen lassen<br />

würde... und wie war das bei dir eigentlich, Nada?“.<br />

„ALLAH SCHICKT DEN STORCH!“<br />

Ich musste nachdenken. Mein Vater ist Diplomkrankenpfleger<br />

und meine zwölf Jahre ältere Schwester studierte schon Medizin,<br />

als ich noch in die Volksschule ging. Dementsprechend<br />

hatten wir zuhause jede Menge Anatomiebücher. Ich wusste<br />

über Sex Bescheid, bevor es Thema in der Schule war. Und vor<br />

allem über den Ablauf der Geburt, der mir eine Höllenangst<br />

einjagte. Das Bild eines blutigen, verschleimten Babykopfes,<br />

der gerade aus einer Scheide herausguckt, hat sich bis heute<br />

in meinem Gedächtnis gehalten. Und ich fang erst gar nicht<br />

mit den Geschlechtskrankheiten an! Beim Aufklärungsgespräch<br />

waren meine Eltern eher kreativ als informativ: „Wenn ein<br />

Mann und eine Frau sich lieben – und HEIR<strong>AT</strong>EN! – dann schickt<br />

Allah ihnen den Storch!“ Natürlich habe ich kein Wort geglaubt.<br />

Aber zumindest haben sie versucht, den alten kinderbringenden,<br />

deutschen Klapperstorch mit islamischen Moralvorstellungen<br />

zu vereinbaren. Diese ulkige Erinnerung veranlasste<br />

mich dazu, bei anderen jungen Frauen aus meiner Community<br />

nachzufragen. Und ich wurde definitiv nicht enttäuscht.<br />

„VOM KÜSSEN KRIEGT MAN AIDS!“<br />

Wenn man Rabias* Handykontakte während ihrer ersten Jahre<br />

im Gymnasium sah, hätte man meinen können, sie ginge auf<br />

eine reine Mädchenschule. Ihre Mutter hatte einmal auf ihrem<br />

Nokia 5200 eine fragwürdige SMS eines Klassenkameraden<br />

mit den Worten „Ich will Schluss machen“, und verpasste ihr<br />

prompt wochenlang Handy- und Ausgehverbot. Obwohl diese<br />

SMS nicht an Rabia selbst gerichtet war, sondern einer ihrer<br />

Freundinnen galt, mussten solche Zwischenfälle in Zukunft<br />

trotzdem vermieden werden. Daher speicherte sie alle männlichen<br />

Freunde einfach unter Frauennamen ein. Um nicht den<br />

Überblick zu verlieren, wendete sie ein einfaches System an:<br />

Aus Michael wurde Michaela, aus Peter Petra, usw. Schon bald<br />

rückte die erste Skiwoche immer näher, und damit die Frage,<br />

ob ihre Eltern erlauben würden, dass sie mitfährt. „Falls du auf<br />

die Idee kommen solltest, irgendeinen Buben aus deiner Klasse<br />

zu küssen – wehe dir! Denn vom Küssen kriegt man Aids!“,<br />

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