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MAMA SAGT:<br />
Von Nada El-Azar, Fotos: Marko Mestrovic<br />
Aufklärung und Sex sind oft keine einfachen<br />
Themen – besonders wenn die Eltern etwas konservativer<br />
ticken. Über Kurioses und Absurdes<br />
rund ums Thema Intimität erzählen junge Frauen<br />
aus arabisch-muslimischen Familien.<br />
„Vom Küssen<br />
kriegt man Aids!“<br />
Leila* ist 21 Jahre alt und hat sudanesische Wurzeln.<br />
Die junge Saxofonistin liebt es, auf Partys zu gehen<br />
und geht sehr freizügig mit ihrem Körper um. „Ich<br />
hatte bestimmt schon 80 One-Night-Stands. Ich führe sogar<br />
eine Liste!“. Sie öffnet auf ihrem Handy eine Notiz und scrollt<br />
durch eine ellenlange Liste von Personen, die mit Vor- und<br />
Nachnamen säuberlich archiviert wurden. „Nur damit ich mich<br />
auskenne“, lacht Leila. Auf ihren nächtlichen Feiertouren durch<br />
Wien begegnet sie manchmal muslimischen Männern, die ihr<br />
Vorwürfe machen. „Und sogar Österreicher sagen mir: ,Oida,<br />
du bist Muslimin und du hast Sex vor der Ehe?‘. Dabei ist das in<br />
der Bibel auch nicht erlaubt! Meine Mutter trägt zwar Kopftuch,<br />
aber sie hat mir nicht verboten, auszugehen. Hauptsache keine<br />
Drogen und kein Sex vor der Ehe.“ Tja, nicht alle Versprechen<br />
kann man einhalten. Einmal habe sie ihre Mutter zuhause in<br />
flagranti erwischt. „Sie hat meinen Kumpel aufs Ärgste auf Arabisch<br />
beschimpft… ich nehme nie wieder jemanden mit nach<br />
Hause. Das war so peinlich.“<br />
Leila kann sich trotz allem nicht daran erinnern, jemals von<br />
ihren Eltern aufgeklärt geworden zu sein. „Das hat die Schule<br />
erledigt.“ Ich fragte sie, ob ihre Eltern denn nichts gegen ihren<br />
ausschweifenden Lifestyle hätten. „Meine Mutter schimpfte<br />
nur, dass ich eine Straße sei und jeden auf mir gehen lassen<br />
würde... und wie war das bei dir eigentlich, Nada?“.<br />
„ALLAH SCHICKT DEN STORCH!“<br />
Ich musste nachdenken. Mein Vater ist Diplomkrankenpfleger<br />
und meine zwölf Jahre ältere Schwester studierte schon Medizin,<br />
als ich noch in die Volksschule ging. Dementsprechend<br />
hatten wir zuhause jede Menge Anatomiebücher. Ich wusste<br />
über Sex Bescheid, bevor es Thema in der Schule war. Und vor<br />
allem über den Ablauf der Geburt, der mir eine Höllenangst<br />
einjagte. Das Bild eines blutigen, verschleimten Babykopfes,<br />
der gerade aus einer Scheide herausguckt, hat sich bis heute<br />
in meinem Gedächtnis gehalten. Und ich fang erst gar nicht<br />
mit den Geschlechtskrankheiten an! Beim Aufklärungsgespräch<br />
waren meine Eltern eher kreativ als informativ: „Wenn ein<br />
Mann und eine Frau sich lieben – und HEIR<strong>AT</strong>EN! – dann schickt<br />
Allah ihnen den Storch!“ Natürlich habe ich kein Wort geglaubt.<br />
Aber zumindest haben sie versucht, den alten kinderbringenden,<br />
deutschen Klapperstorch mit islamischen Moralvorstellungen<br />
zu vereinbaren. Diese ulkige Erinnerung veranlasste<br />
mich dazu, bei anderen jungen Frauen aus meiner Community<br />
nachzufragen. Und ich wurde definitiv nicht enttäuscht.<br />
„VOM KÜSSEN KRIEGT MAN AIDS!“<br />
Wenn man Rabias* Handykontakte während ihrer ersten Jahre<br />
im Gymnasium sah, hätte man meinen können, sie ginge auf<br />
eine reine Mädchenschule. Ihre Mutter hatte einmal auf ihrem<br />
Nokia 5200 eine fragwürdige SMS eines Klassenkameraden<br />
mit den Worten „Ich will Schluss machen“, und verpasste ihr<br />
prompt wochenlang Handy- und Ausgehverbot. Obwohl diese<br />
SMS nicht an Rabia selbst gerichtet war, sondern einer ihrer<br />
Freundinnen galt, mussten solche Zwischenfälle in Zukunft<br />
trotzdem vermieden werden. Daher speicherte sie alle männlichen<br />
Freunde einfach unter Frauennamen ein. Um nicht den<br />
Überblick zu verlieren, wendete sie ein einfaches System an:<br />
Aus Michael wurde Michaela, aus Peter Petra, usw. Schon bald<br />
rückte die erste Skiwoche immer näher, und damit die Frage,<br />
ob ihre Eltern erlauben würden, dass sie mitfährt. „Falls du auf<br />
die Idee kommen solltest, irgendeinen Buben aus deiner Klasse<br />
zu küssen – wehe dir! Denn vom Küssen kriegt man Aids!“,<br />
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