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BEZAHLTE ANZEIGE<br />

wurde relativ rasch klar, dass wir (Anm.<br />

d. Red.: die „Türken“) anders behandelt<br />

werden, teilweise wie Menschen zweiter<br />

Klasse – sei es im privaten Umfeld, wenn<br />

die Nachbarin wiedermal unberechtigt<br />

nervt, weil angeblich die Kinder zu laut<br />

sind, oder beim Fußballmatch, wenn dir<br />

der Gegenspieler ‚Kanake‘ zuruft“, erinnert<br />

sich der FC Bayern München-Fan.<br />

AK WAHLEN WIEN 20<strong>19</strong><br />

DEINE STIMME ENTSCHEIDET<br />

„AUFGEBEN TUT MAN<br />

EINEN BRIEF.“<br />

Zurück in der Kanzlei. Yilmaz schildert<br />

den Fall einer Ärztin mit türkischem<br />

„Hintergrund oder Vordergrund“, wie er<br />

es formuliert. Sie sitzt in seinem Büro,<br />

aufgelöst, den Tränen nahe, verzweifelt.<br />

Sie habe Angst alles, was sie sich in<br />

Österreich aufgebaut hat, zu verlieren.<br />

„Das müssen sie sich vorstellen“, schlägt<br />

Yilmaz auf den Tisch. „Nur aufgrund<br />

einer Liste, von der niemand weiß, wer<br />

sie erstellt hat, werden Menschen hier<br />

vor die Trümmer ihrer Existenz gestellt“,<br />

so Yilmaz. Dieser Fall oder der Fall eines<br />

vor 40 Jahren in Österreich niedergelassenen<br />

Mannes, der seit <strong>19</strong>97 die<br />

Staatsbürgerschaft besitzt und der mit<br />

der Aberkennung ebendieser rechnen<br />

musste. Das Verwaltungsgericht erkannte<br />

die Entscheidung der Wiener Landesregierung<br />

an (MA35), die letzte Chance<br />

war der Gang zum obersten Gericht der<br />

Republik. In diesem Moment fühlte er<br />

sich an die Zeit im Innsbrucker Sportklub<br />

(ISK), bei dem er während seines<br />

Studiums aktiv war, erinnert. Dort fiel der<br />

Spruch, den jeder aus dem Fußballtirol<br />

kennt, nämlich „Aufgeben tut man an<br />

Brief.“ So simpel und trivial und doch<br />

passt der Satz als Lebensmotto des<br />

graumelierten Anwalts, der eigentlich<br />

im Wirtschaftsrecht zu Hause ist. Bei<br />

solcher evidenter Ungerechtigkeit und<br />

aufgrund seines türkischen Erbes konnte<br />

Yilmaz gar nicht anders als die Fälle<br />

seiner türkischen Mitmenschen anzunehmen.<br />

In der Zwischenzeit wurden immer<br />

mehr Ausbürgerungsverfahren eingeleitet,<br />

immer mehr Betroffene betraten<br />

die Kanzlei, die vier Jahre zuvor mit den<br />

Worten des jetzigen Bundeskanzlers<br />

eröffnet wurde. „Das komische dabei<br />

war ja, dass just im Wahlkampf zu den<br />

Nationalratswahlen 2017 der USB-Stick<br />

mit der ominösen Liste den Freiheitlichen<br />

urplötzlich in den Schoß gefallen ist“,<br />

Vor vier Jahren bei der Kanzleieröffnung. Der damalige Außenminister Kurz und<br />

Anwalt Yilmaz (v.l.n.r:)<br />

stellt Yilmaz verwundert fest. Trotzdem<br />

wolle er sich auf Verschwörungen<br />

nicht einlassen, die von allen Seiten auf<br />

den Fall einprasseln. „Ob innen- oder<br />

außenpolitische Akteure, die ein etwaiges<br />

Interesse daran haben könnten, dass<br />

tausende ÖsterreicherInnen mit türkischen<br />

Wurzeln ihre Staatsbürgerschaft<br />

verlieren, dahinter stecken, ist nicht<br />

klar“, so Yilmaz.<br />

DÜRÜM UND MELANGE<br />

Damit ist jetzt Schluss und alleine knapp<br />

20.000 Betroffene in Wien (über 60.000<br />

bundesweit) haben keine Ausbürgerung<br />

mehr zu befürchten. Die Genugtuung<br />

darüber kann Yilmaz nicht verbergen.<br />

Wie sich sein Verhältnis zum Bundeskanzler<br />

Kurz in den letzten vier Jahren<br />

verändert habe, wollen wir wissen.<br />

Yilmaz sieht es ganz nüchtern: „Ich habe<br />

ihn damals in Istanbul kennengelernt<br />

und unterstütze das Projekt noch immer<br />

(„Zusammen Österreich“ - erfolgreiche<br />

Migranten besuchen Kinder in sozial<br />

schwachen Schulen) vollinhaltlich. Die<br />

Zeit mit den Kids in der Schule ist so<br />

wertvoll, weil sie immer ehrlich zu dir<br />

sind“, schwärmt Yilmaz. Pikant ist die<br />

Tatsache, dass der Anwalt mit der Klage<br />

beim VfGh gegen den Koalitionspartner<br />

von Kurz‘ ÖVP – Straches FPÖ – erfolgreich<br />

war. Das hat anscheinend Yilmaz<br />

Beziehung zu Kurz nicht negativ beeinträchtigt.<br />

Die Zeit ist abgelaufen, der vielbeschäftigte<br />

Anwalt hat schon den nächsten<br />

Termin vor der Brust. Abschließend<br />

stellen wir die Frage, wie er sich seinen<br />

Lebensabend vorstellt. Yilmaz hält kurz<br />

inne. Dann schmunzelt er und sagt:<br />

„Irgendwo in einer Hütte in den Bergen,<br />

aber nicht zu weit weg von der Stadt.<br />

Dort arbeite ich an einzelnen Fällen und<br />

gehe an einem sonnigen Nachmittag<br />

auf den Naschmarkt, auf gemütlich. Mit<br />

Dürüm und Melange.“ ●<br />

Soza Almohammad<br />

Wir haben hier alle wichtigen Infos:<br />

Vom 20. März bis zum 2. April<br />

finden in Wien, Niederösterreich und im<br />

Burgenland die Arbeiterkammerwahlen<br />

statt. Neben dir wählen auch 3,7 Millionen<br />

Arbeitnehmer/innen österreichweit<br />

ihre Interessenvertretung - das sogenannte<br />

Arbeitnehmer/innen-Parlament<br />

– und bestimmen somit, was die Arbeiterkammer<br />

für uns Beschäftigte tun kann.<br />

WIE FUNKTIONIERT<br />

DAS GANZE?<br />

Wählen war noch nie so gemütlich - ob<br />

im Betrieb oder bei dir zuhause.<br />

In ganz Österreich werden tausende<br />

Betriebswahlsprengel eingerichtet,<br />

in denen Arbeitnehmer/innen an<br />

ihrem Arbeitsplatz wählen können. An<br />

welchen genau festgelegten Tagen<br />

du wählen gehen kannst, sagt dir die<br />

Arbeiterkammer noch rechtzeitig.<br />

Was ist, wenn in deinem Betrieb kein<br />

Wahllokal eingerichtet ist? Keine Sorge,<br />

dann wird dir eine Wahlkarte zugeschickt.<br />

In Wien wurden Angestellte<br />

im Februar per Post verständigt, ob sie<br />

„Briefwähler“ sind. Die Wahlkarte wird<br />

dann Mitte März direkt nach Hause<br />

geschickt und muss spätestens am<br />

zweiten April inklusive Poststempel am<br />

Postweg sein, damit sie rechtzeitig bei<br />

der AK Wahl berücksichtigt werden<br />

kann. Wenn du willst, kannst du auch,<br />

wie in den guten alten Zeiten, in einem<br />

der öffentlichen Wahllokale wählen.<br />

Du verhandelst gerade deinen<br />

ersten Job, weißt aber gar<br />

nicht, wie viel Lohn dir zusteht?<br />

Oder bist du gerade schwanger<br />

und fragst dich, wie das mit der<br />

Karenz eigentlich abläuft? Egal<br />

ob Beruf, Familie, Bildung, Konsumentenschutz<br />

oder Gesundheit<br />

- die Arbeiterkammer (AK)<br />

ist dein best Buddy und setzt<br />

sich immer für dich ein. Damit<br />

das weiterhin auch möglich<br />

ist, musst du der AK auch mitteilen,<br />

welche Sorgen du hast<br />

und welche Themen besonders<br />

wichtig für dich sind. Nur dann<br />

kann die Arbeiterkammer deine<br />

Interessen vertreten.<br />

Facts, die du über die AK<br />

Wahlen wissen solltest:<br />

● Die AK Wahlen finden<br />

nur alle 5 Jahre statt<br />

● Die AK berät jährlich<br />

rund 2 Millionen<br />

Arbeintehmer/innen<br />

● Die AK hilft dir, wenn du<br />

deine Überstunden nicht<br />

ausgezahlt bekommst<br />

● Die AK hilft dir, wenn du<br />

Fragen zu deinem Urlaub<br />

hast<br />

● Die AK gibt dir Steuertipps,<br />

und, und, und<br />

22 / MIT SCHARF /

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