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„Alle<br />
Gehälter<br />
offenlegen“<br />
<strong>BIBER</strong>: In Österreich wurde jüngst der<br />
ehemalige Kanzler Reinhold Mitterlehner als<br />
„links“ bezeichnet, weil er sich für Lehrlinge<br />
im Asylverfahren einsetzt. Was ist für Sie<br />
„links“?<br />
REN<strong>AT</strong>E ANDERL: Links bedeutet für mich<br />
solidarisch zu sein und für sozialen Ausgleich<br />
einzutreten.<br />
Warum brauchen wir in Österreich die<br />
Arbeiterkammer?<br />
Die AK vertritt 3,7 Millionen Beschäftigte,<br />
die dadurch stärker sind und mehr erreichen<br />
können, als jede Einzelperson. Das<br />
ist wichtig für den Interessenausgleich<br />
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.<br />
Auch wenn der Chef auf dem längeren Ast<br />
sitzt: Wenn ein Mitarbeiter zu uns kommt,<br />
weil der Chef zu wenig zahlt, dann hilft die<br />
AK ihm dabei, zu seinem Recht zu kommen.<br />
Welche Dienstleistungen bietet die AK für<br />
Migranten?<br />
Am häufigsten wird die Beratung zum<br />
Arbeitsrecht in Anspruch genommen: Dort<br />
haben wir mehrsprachige ExpertInnen und<br />
einen Videodolmetsch-Service. Wichtig ist<br />
auch die Beratung zu Krankengeld oder<br />
Pension. Bei Problemen mit Banken und<br />
Versicherungen hilft unser Konsumentenschutz.<br />
Die Serviceleistungen der AK stehen<br />
natürlich allen Mitgliedern zur Verfügung -<br />
unabhängig von deren Herkunft.<br />
Mit welchen Problemen sind Migranten vorwiegend<br />
in der Arbeitswelt konfrontiert?<br />
Am häufigsten mit Diskriminierung. Damit<br />
verbunden sind niedriges Einkommen,<br />
schlechte Arbeitsbedingungen und respekt-<br />
Arbeiterkammerpräsidentin<br />
Renate<br />
Anderl über respektlosen<br />
Umgang mit<br />
Frauen in der Arbeitswelt,<br />
ihr erstes Gehalt<br />
und warum man zu<br />
den AK-Wahlen gehen<br />
sollte.<br />
Von Amar Rajković, Foto: Christoph Liebentritt<br />
loser Umgang - hier sind Frauen noch<br />
stärker betroffen.<br />
Sind Sie für eine Transparenz, was<br />
Gehälter in Österreich betrifft?<br />
Ja, die betriebliche Offenlegung aller<br />
Einkommen wäre notwendig, um die<br />
Lohnschere zu schließen.<br />
Was halten Sie von einer Frauenquote im<br />
Middle- und Uppermanagement?<br />
Sehr viel!<br />
Mütter, die zurück in die Arbeitswelt<br />
gehen, müssen noch immer mit großen<br />
Gehaltsunterschieden zu ihren männlichen<br />
Kollegen kämpfen. Was machen<br />
Sie dagegen?<br />
Wir beraten Frauen, wie sie ihre Rechte<br />
bestmöglich für den Wiedereinstieg nutzen<br />
können und setzen uns für Einkommensgerechtigkeit<br />
ein.<br />
Warum sollten alle Wahlberechtigen<br />
wählen gehen?<br />
Weil es in Österreich nicht nur um die<br />
Interessen von Wirtschaft und Industrie<br />
gehen darf und unser Sozialstaat verteidigt<br />
werden muss. Die AK steht für faire<br />
Arbeitszeiten, für faire Einkommen und<br />
leistbares Wohnen. Sie ist der Schutzschirm<br />
für alle, die jeden Tag arbeiten<br />
gehen und keine reichen Eltern haben.<br />
Je mehr Menschen wählen gehen, desto<br />
stärker wird dieser Schutzschirm.<br />
Wie beurteilen Sie die bisherige Regierungsarbeit?<br />
Bis jetzt lässt sie schon eine deutliche<br />
Schlagseite zugunsten von Wirtschaft<br />
und Industrie erkennen. Es fehlt außerdem<br />
das Gespür für soziale Fragen.<br />
Wie ist Ihre Meinung zu Sozialministerin<br />
Beate Hartinger Klein?<br />
Wir haben eine gute Gesprächsbasis,<br />
vertreten aber sehr unterschiedliche<br />
politische Positionen.<br />
Ist der 12-Stunden-Tag tatsächlich unzumutbar?<br />
Wenn ja, warum?<br />
Er ist nicht grundsätzlich unzumutbar.<br />
Aber das Arbeitszeitgesetz soll vor<br />
Ausbeutung schützen. Darum war der<br />
12-Stunden-Tag bisher nur als Ausnahme<br />
mit Zustimmung des Betriebsrats<br />
möglich. Jetzt kann er jederzeit und<br />
kurzfristig angeordnet werden. Und wir<br />
wissen alle, dass es mit der Freiwilligkeit<br />
in der echten Arbeitswelt nicht weit her<br />
ist.<br />
Mit wie vielen Jahren haben Sie das<br />
erste Mal gearbeitet?<br />
Mit ca. elf – für die nächsten vier Jahre<br />
war ich dann Studiokind bei der damaligen<br />
ORF-Sendung „Wer bastelt mit?“<br />
Wie hoch war Ihr erstes Gehalt?<br />
Das kann ich heute nicht mehr genau<br />
sagen, aber ich weiß noch, wie stolz ich<br />
damals war, meine Jeans selbst bezahlen<br />
zu können.<br />
Wie lange möchten Sie noch arbeiten?<br />
So lange ich meine Arbeit gerne mache,<br />
denke ich darüber nicht nach. Außerdem<br />
sind es noch ein paar Jahre bis zum<br />
gesetzlichen Pensionsalter. (Anm. der<br />
Redaktion: Anderl könnte in drei Jahren<br />
in Pension gehen)<br />
WER IST SIE?<br />
Name: Renate Anderl<br />
Alter: 57<br />
Funktion: Präsidentin der<br />
Bundeskammer für Arbeiter und<br />
Angestellte (AK) seit 2018<br />
Besonderes: Wuchs als Tochter eines<br />
Hausbesorgers in Favoriten auf<br />
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