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DS<br />
WAR j<br />
ärgste<br />
Das gebrochene Deutsch der<br />
Migranten-Kids<br />
Sie sind in Wien geboren, aufgewachsen und<br />
gehen hier zur Schule: Trotzdem sprechen<br />
Kinder von Zuwanderern in zweiter und<br />
dritter Generation oft schlechtes Deutsch.<br />
Woran liegt das?<br />
Von Aleksandra Tulej<br />
Jetzt gib Rucksack zurück, sonst sag ich Frau Lehrerin“,<br />
ruft die 13-jährige Sanela* ihrem Sitznachbarn Mert *<br />
zu. Es ist Montagfrüh, ich stehe in der 4B an einer<br />
Wiener NMS im 21. Bezirk. Die 4B hat einen Migrationsanteil<br />
von fast 90 Prozent. Einige von Sanelas Klassenkameraden<br />
kommen aus Syrien oder Afghanistan und leben erst seit drei<br />
Jahren in Österreich. Auf meine Frage, wie lange Sanela schon<br />
in Österreich sei, antwortet sie in einem beleidigten Ton: „Na,<br />
ich bin hier geboren?“, als ob ich keinerlei Grundlage hätte, ihr<br />
diese Frage zu stellen. Doch die habe ich. Sie hat einen starken<br />
Akzent, rollt das „R“, macht bei der Aussprache Grammatikfehler<br />
und verwechselt Artikel. Sanelas Eltern kommen aus<br />
Mazedonien, zuhause spricht sie<br />
mit ihnen laut eigener Aussage<br />
Deutsch. Sanela ist also Österreicherin<br />
- doch ihr Deutsch lässt zu<br />
wünschen übrig.<br />
Anders ist es bei Sanelas Klassenkameraden<br />
Hafiz * . Der heute<br />
14-Jährige kam im Dezember 2016<br />
aus Syrien nach Österreich und<br />
hat erst hier Deutsch sowie das<br />
lateinische Alphabet gelernt. Sein<br />
sprachliches Niveau ist für diese<br />
Umstände hoch. Von einer seiner<br />
Lehrerinnen erfahre ich, dass seine<br />
Eltern oft in ihre Sprechstunden<br />
kommen, fragen, wie ihr Sohn sich<br />
in der Schule macht und wie er seine Sprachkenntnisse verbessern<br />
kann, damit er bald aufs Gymnasium kann. Dort wird<br />
er bessere Chancen auf eine gute Zukunft haben. Das wissen<br />
sowohl die Eltern als auch Hafiz. * Hier wird er nicht bleiben: Die<br />
NMS, die er jetzt besucht, würde man im Boulevardjargon unter<br />
„Brennpunktschule“ einstufen.<br />
„<br />
Wir bleiben in<br />
unserem Kulturkreis<br />
mit unseren eigenen<br />
Leuten<br />
“<br />
WAS IST DER ECHTE KULTURKAMPF<br />
IM KLASSENZIMMER?<br />
Im Zuge des biber-Newcomer-Schulprojekts sind wir als Redaktion<br />
oft an genau solchen Schulen jeweils eine Woche lang<br />
unterwegs, um den Schülern die österreichische Medienlandschaft<br />
näherzubringen.<br />
Die Kinder in diesen Schulen kommen oft aus bildungsfernen<br />
Elternhäusern, die Klassen haben einen hohen Migrationsanteil.<br />
Es sind genau die „Brennpunktschulen“, die<br />
Susanne Wiesinger in ihrem „Kulturkampf im Klassenzimmer“<br />
beschreibt. Von Kulturkämpfen kann man in den Klassen, mit<br />
denen wir arbeiten, nicht sprechen. Aber: Eine große Hürde,<br />
die wir dort oft zu bewältigen<br />
haben, ist die Sprache.<br />
Immer wieder gibt es in diesen<br />
Klassen Kinder wie Sanela*. Sie<br />
sind hier geboren, sie haben über<br />
ihre Eltern oder teilweise noch<br />
Großeltern Migrationshintergrund.<br />
Zuhause sprechen sie entweder<br />
die Muttersprache der Eltern oder<br />
Deutsch. Aber eben kein korrektes<br />
Deutsch, wie sich dann in<br />
ihren Sprachdefiziten zeigt. Artikel<br />
werden weggelassen, Endungen<br />
vertauscht. Viele von ihnen beginnen<br />
deutsche Sätze beim Sprechen<br />
sehr unsicher, fast stotternd – als<br />
müssten sie sich überlegen, wie sie die Worte aneinanderreihen<br />
sollen. Sätze wie „Ich geh’ nach Vierte dann KFZ-Lehre“,<br />
oder „Das war wo wir diese Schulausflug waren“ sind keine<br />
Seltenheit.<br />
Noch mehr von ihnen haben einen hörbaren Akzent. Oft<br />
sind die Jugendlichen sehr verwundert, wenn ich erzähle, dass<br />
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